Название | Geländer Geschichten |
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Автор произведения | Lucie Panzer |
Жанр | Философия |
Серия | |
Издательство | Философия |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783948882181 |
Das wussten schon die Menschen zur Zeit der Bibel. In einem Gebet heißt es da: „Von allen Seiten umgibst du mich und hältst deine Hand über mir!“ (Psalm 139,5). Die Alten waren gar nicht so dumm, wie wir heute manchmal meinen. Die haben gewusst, dass man nicht ohne Bilder von Gott reden kann, aber dass Gott auch mehr ist als alle Bilder von ihm.
Alexander Gerst, der deutsche Astronaut, der schon zweimal im All war, suchte dort übrigens nicht nach Gott. Aber er hat eine Erkenntnis über unsere Welt und uns Menschen gewonnen. Nämlich, wie erschreckend es ist, von oben zu sehen, dass immer mehr Regenwald gerodet wird, immer mehr Gletscher verschwinden und immer mehr Seen austrocknen. Oben wird ihm immer klar, sagt er, dass man die Steinkugel Erde „locker verpesten kann, dass sie unbewohnbar ist“. Das macht ihm Sorgen, sagt Alexander Gerst. Anscheinend sieht man von dort oben klarer und hat mehr Übersicht. Manchmal denke ich jetzt: Solche Sorgen macht sich vielleicht auch Gott im Himmel um uns Menschen.
Geheiligt werde dein Name
Was ist Ihnen heilig? Sagen Sie jetzt nicht: „Heilig – so etwas gibt es für mich nicht. Ich bin nicht religiös.“ Jeder hat etwas, das ihm so wichtig ist, dass er nichts darauf kommen lässt. Für manche ist das der Mittagsschlaf. Für andere die Familie, der Beruf, der Sport, das Hobby. Irgendetwas ist jedem heilig.
Im Vaterunser beten wir Christen: „geheiligt werde dein Name“. Der Name Gottes also soll heilig sein unter den Menschen, so, dass sie darauf nichts kommen lassen, dass sie keinen Grund haben, verächtlich von ihm zu denken oder zu reden.
„Geheiligt werde dein Name“ – der Name bringt auf den Punkt, was die Identität, das Besondere ausmacht. Gott kann man nicht sehen. Deshalb ist sein Name besonders wichtig, damit man sich etwas vorstellen kann. Welchen Namen hat Gott?
Einmal hat Gott sich selbst vorgestellt, erzählt die Bibel: dem Mose, als der ihn gefragt hat, wie er ihn nennen soll. Da bekommt er zur Antwort: „Ich bin, der ich bin“ (2. Mose 3,14). Ist das ein Name? Nein, jedenfalls nicht so wie Anna oder Peter. „Ich bin, der ich bin“, das bedeutet: Gott ist kein Mann und keine Frau. „Ich bin, der ich bin“ bezeichnet sein Wesen. Der Name sagt, wie Gott ist, nicht, was er ist: Er oder sie ist da für seine Menschen.
Aus lauter Ehrfurcht haben Menschen diesen Namen gar nicht zu nennen gewagt. Sie haben stattdessen „Vater“ gesagt, wie im Vaterunser. Aber auch „Mutter“ oder „Quelle des Lebens“, oder „Herr“, oder „Barmherziger“ und meistens einfach „Gott“. „Gott im Himmel“ sagen heute noch viele, wenn sie sehr erschrocken sind oder Angst haben, manchmal auch, wenn sie sich ärgern. Vielleicht hilft ihnen das ja, ihre Emotionen in den Griff zu kriegen. So hat sich Gott vorgestellt: „Ich bin für dich da, wenn du jemanden brauchst, an den du dich halten kannst.“
„Geheiligt werde dein Name“ beten Christen im Vaterunser. Gott soll etwas Besonderes sein. Von ihm sollen die Menschen voller Hochachtung und Dankbarkeit reden. Das können sie nicht, wo im Namen Gottes Unrecht getan wird, wo die einen sich zu Herrenmenschen machen und andere wie Untermenschen behandeln. Aber wo Menschen im Namen Gottes Gutes tun, da wird sein Name geheiligt. „Brich dem Hungrigen dein Brot. Und die im Elend und ohne Obdach sind, führe ins Haus!“ (Jes 58,7). Das hat zu biblischen Zeiten ein Prophet geraten. Ich glaube, genau das heißt: geheiligt werde dein Name. Wer so betet, sollte auch so handeln.
Dein Reich komme
„Dein Reich komme“ – so heißt die zweite Bitte im Vaterunser. Und so beten Christen im Gottesdienst, bei Beerdigungen, bei Trauungen und Taufen und zu vielen anderen Gelegenheiten.
Was soll das sein, das „Reich Gottes“? Jesus hat davon erzählt. Wenn die Welt zu Gottes Reich wird, dann haben alle, was sie zum Leben brauchen. Die, die schon immer darauf gehofft und darum gebetet haben, aber auch die anderen, die nichts davon gewusst haben oder nichts damit zu tun haben wollten. Es wird sein wie ein großes Fest, und alle werden an einem Tisch sitzen: die Reichen und die Armen, Frauen und Männer, armselige Gestalten und stattliche Persönlichkeiten. Die, die nie eine Chance hatten, und die, die mit einem goldenen Löffel im Mund geboren wurden. Alle an einem Tisch – kein Katzentisch für die Kinder. Kein Dienstbotentisch in der Küche. Und diese neue Welt Gottes, die wächst bereits, hat Jesus erzählt. Mitten unter uns. Überall dort, wo Menschen auf ihn hören und versuchen, so zu leben, wie er es vorgemacht hat. Da wächst Gottes neue Welt. Zuerst ein unscheinbares Samenkorn. Und irgendwann ein großer Baum. Unter seinem Schatten können sich alle versammeln und gut leben. Was für ein schönes Bild! Ich hoffe sehr auf diese „neue Erde, auf der Gerechtigkeit wohnt“ (2. Petr 3,13).
Immer wieder haben Menschen sich gefragt, wie das möglich sein soll. Und sie haben nichts anderes denken können, als dass dazu ein totaler Umbruch nötig sein wird. Die alte, verdorbene Welt muss zuerst einmal zugrunde gehen und mit ihr die bösen Menschen. Dann erst kann etwas Neues beginnen. Auch Jesus hat manchmal so geredet. Anders war es für die Menschen zu seiner Zeit einfach nicht denkbar. Sie konnten sich anscheinend nicht damit abfinden, dass alle mit am Tisch sitzen. Deshalb haben sie aussortiert: die einen ja, andere aber nicht. Viele wissen bis heute ganz genau, wer bestimmt nicht dabei sein wird in Gottes neuer Welt, sondern vorher untergeht in selbstverschuldetem Unheil.
Jesus hat aber auch vom Wachsen geredet und davon, dass seine Nachfolger wie Sauerteig die ganze Welt anstecken werden mit Frieden und Gerechtigkeit. Darauf verlasse ich mich. So wird es kommen, und Gottes neue Welt wird dann Tote und Lebende verbinden. Ich werde das wohl nicht mehr erleben. Aber ich freue mich trotzdem darauf. Und Sie wissen ja: Auch, wenn morgen die Welt unterginge – ich will heute noch ein Apfelbäumchen pflanzen. Oder eigentlich: begießen, was schon gepflanzt ist, damit Gottes neue Welt wachsen kann.
Dein Wille geschehe
Die Welt ist nicht das Paradies – leider. Menschen behandeln einander wie Raubtiere, viele werden zu Opfern und erleben unglaubliches Leid. Und auch die Naturgewalten schaffen Opfer, wenn es Erdbeben gibt, Wirbelstürme, Tsunamis oder Dürreperioden.
Andererseits beten wir Christen seit Jahrhunderten: „Dein Wille geschehe, wie im Himmel, so auf Erden.“ Und ich frage mich manchmal: Kann das, was geschieht, der Wille Gottes sein – Leid, Unrecht, Gewalt? Manche meinen, gerade auch die schlimmen Erfahrungen seien von Gott geschickt, als Strafe für die Menschen, die Böses tun. Aber erleiden müssen es alle, auch „Unschuldige“. Kann das Gottes Wille sein, Leiden und Tod für Säuglinge und Kinder? Oder sind das die gewalttätigen Fantasien von Menschen, die so denken?
Ich bezweifle, dass die schlimmen Erfahrungen Gottes Wille sind. Wieso ich darauf komme? Weil Jesus gesagt und gezeigt hat, was Gott will. Dazu ist er in die Welt gekommen. Von ihm höre ich: „Seid barmherzig miteinander!“ – denkt also nicht immer gleich an Strafe, sondern überlegt, wie es besser gehen kann. Jesus hat auch gesagt: „Schafft Frieden“ – seid bereit, den ersten Schritt zu tun, auch wenn das für euch vielleicht erst einmal nach Schwäche aussieht. Ich glaube, so hat Jesus beschrieben, was Gottes Wille ist. Und wie die Welt erst noch werden muss.
Er hat aber auch Ja gesagt zu unserer Welt, die schon zu seiner Zeit nicht das Paradies war. Als die Mächtigen seiner Zeit ihn verfolgt haben, hat er gebetet, dass ihm das Schlimmste erspart bleiben möge. Und dann trotzdem Ja gesagt zu seinem Schicksal. „Dein Wille geschehe!“, hat Jesus gebetet. Er hat sich Gott anvertraut, auch im Leiden.
Ich finde das nicht leicht, sich mit dem Bösen abzufinden, das geschieht. Gottes Wille ist das bestimmt nicht. Aber die Menschen sind frei, zu tun, was sie wollen. Kann ich Gott deshalb Vorwürfe machen? Es sind doch die Menschen, die nicht tun, was gut wäre! Und die Naturkatastrophen? Auch der Natur lässt Gott ihren Lauf. Vieles ist unfassbar schön – und manchmal gibt es Schreckliches. Vielleicht sehe ich das Schöne nur, weil ich auch das Schreckliche kenne?
Ich wünsche mir, dass diese schöne Welt erhalten