Название | Geländer Geschichten |
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Автор произведения | Lucie Panzer |
Жанр | Философия |
Серия | |
Издательство | Философия |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783948882181 |
Jetzt sind sie erwachsen, und es gibt erste Enkelkinder. „Kannst du es nicht mal aufschreiben?“, hat meine Tochter gefragt. „Damit was bleibt? Damit sie irgendwann lesen können, wo die Großmutter Halt gefunden hat, woher sie ihre Haltung hatte zu den Fragen des Lebens undwas sie getröstet hat, wenn es nötig war?“
Jetzt habe ich also Radiobeiträge herausgesucht, die mir besonders wichtig schienen. Sie sind in den Programmen SWR1 oder SWR4 in den vergangenen Jahren ausgestrahlt worden. Darin findet sich vieles von dem, was ich glaube und denke. Antwortversuche. Ich habe sie zusammengestellt für meine Kinder und Enkel und für alle anderen, die sie gerne noch einmal lesen möchten. Damit etwas bleibt. Radio ist ja ein flüchtiges Medium.
Orientiert habe ich mich dabei am Apostel Paulus. Der hat geschrieben: „Nun aber bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe. Aber die Liebe ist die größte unter ihnen“ (1. Kor 13,13). Wenn ich es recht überlege: Das ist es, was auch mir bleibt aus den Jahren, die hinter mir liegen.
Glaube
„Die Jungs und Mädchen haben gefragt: ‚Glaubst du das wirklich? Und was bringt dir das?‘ … Was sollte ich sagen? Was konnte ich sagen? Deshalb habe ich angefangen, Theologie zu studieren. Ich wollte es genau wissen, Antworten finden.“
Paternoster
Der Aufzug im Stuttgarter Rathaus ist eine Attraktion. Viele Besucher kommen nur zum Aufzugfahren hierher. Denn es gibt noch einen Paternoster. Davon gibt es in ganz Deutschland nur noch ungefähr zweihundert Stück, habe ich gelesen. Die offenen Kabinen fahren an Stahlseilen pausenlos, links rauf, rechts runter, über mehrere Stockwerke, immer nur für eine, höchstens zwei Personen. Wie sie oben und unten die Richtung wechseln, ist mir schleierhaft, aber es klappt. Ganz Mutige fahren mit und kommen wohlbehalten wieder an. So ein Paternoster fährt ziemlich langsam. Aber er nimmt viel mehr Menschen mit als ein Aufzug, der in jedem Stockwerk anhalten muss.
Paternoster ist lateinisch und heißt „Vater unser“. Die Idee bei der Namensgebung für die Aufzüge war wohl, dass man früher auch das Vaterunser mehrfach hintereinander gebetet hat – wie die Perlen an einer Kette. So kommen auch die Kabinen des Paternosters immer wieder herauf und herunter. Das Vaterunser nimmt auch viele mit. So war es von Anfang an gemeint. Christen beten nicht „Mein Vater“, sondern „Vater unser“. Das erinnert beim Beten daran: Ich bin nicht allein. Das Vaterunser verbindet. Ich bin verbunden mit Schwestern und Brüdern, in allen Ländern und Konfessionen. Überall, wo Christen leben, betet man das Vaterunser. Orthodoxe Christen in Griechenland oder Russland zum Beispiel, Menschen in Afrika oder Amerika, wir hier in Europa, in Deutschland, in meiner Gemeinde, Menschen, die mit mir in einer Kirchenbank sitzen. Sie alle beten „Vater unser“ und wissen: Ich bin nicht die Einzige. Gottes Fürsorge gilt allen Menschen. Wir sind eine Familie. Es sollte keinem meiner Brüder und Schwestern schlecht gehen.
Viele beten das Vaterunser auch, weil es so kurz und knapp ist. Sieben Bitten nur, die aber das ganze Leben umfassen. Alle Hoffnungen und Wünsche sind darin aufgehoben. Es geht um das tägliche Brot. Darin ist alles eingeschlossen, was Menschen zum Leben brauchen. Es geht um die Schuld, die so vieles zerstört, aber auch um ein Leben in Frieden und Gerechtigkeit, das Gott versprochen hat.
Wenn Sie einmal in Stuttgart sind, gehen Sie ins Rathaus und fahren sie Paternoster! Wenn Sie es noch nie probiert haben, kostet es vielleicht ein bisschen Überwindung beim Einsteigen. So wie beim Beten. Aber es ist ganz ungefährlich. Steigen Sie ruhig ein. In den Paternoster. Vielleicht auch ins Vaterunser. Sie werden sehen: Das bringt einen weiter!
Vater unser
„Vater unser im Himmel“ – so fängt das Gebet an, das Christen beten. In jedem Gottesdienst sprechen das alle gemeinsam, laut, und die meisten auswendig. Aber auch sonst, wenn einem nichts mehr einfällt, wenn das Leben einem die Sprache verschlagen hat oder wenn man einfach Hilfe braucht, dann kann man das Vaterunser beten. Es passt immer. Im Vaterunser ist das ganze Leben drin, finde ich.
In der letzten Zeit habe ich ein paarmal erlebt, dass Menschen die Worte nicht kennen. Bei einer Beerdigung war ich fast die Einzige, die mit dem Pfarrer das Vaterunser gesprochen hat. Dabei habe ich gemerkt: Die jungen Leute dort hätten auch gern Worte gehabt für ihre Trauer. Inzwischen finde ich: Das Gebet müsste in allen Kirchen und Kapellen ausliegen, damit auch die Worte haben, die keine eigenen finden. Das Vaterunser geht so: „Vater unser im Himmel, geheiligt werde dein Name. Dein Reich komme. Dein Wille geschehe, wie im Himmel, so auf Erden. Unser tägliches Brot gib uns heute. Und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern. Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen. Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit. In Ewigkeit. Amen.“
Jesus selbst hat seinen Schülern und Freundinnen gesagt: So sollt ihr beten. Mehr braucht es eigentlich nicht. Er selbst hat „Vater“ zu Gott gesagt und damit gezeigt: Ich vertraue Gott wie einem Vater. Nun sagen allerdings viele: „Gerade das macht mir Schwierigkeiten. Ich kann keinem Vater vertrauen, denn ich kenne eigentlich nur meinen. Und vor dem hatte ich Angst. Wie hätte ich dem vertrauen sollen?“ Das ist schlimm, wenn man so einen Vater hat. Jesus hat an einen anderen Vater gedacht: barmherzig und verständnisvoll. Einen guten Vater eben. Er hat in einer Geschichte erzählt, wie ein guter Vater ist: Da geht es um einen Sohn, der auf eigenen Füßen stehen will, damit der Vater ihm nicht mehr reinreden kann in sein Leben. Aber als das schiefgegangen ist, hat er nur noch einen Ausweg gesehen: zurück. Zurück zum Vater. Und der gibt ihm eine neue Chance. Er sagt nicht: „Ich wusste doch, dass es so kommt. Ich hätte dir das gleich sagen können!“ Nein, der Vater feiert ein Fest vor Freude und stattet den Jungen noch einmal neu aus. Der Sohn soll leben – gut leben. Darum geht es einem guten Vater. Um sonst nichts.
Jesus selbst hat „mein Vater“ gebetet. Er konnte Gott vertrauen wie einem Vater, dem man alles sagen kann. Jeder, der auf Gott vertraut, kann so beten. Mir hilft es, wenn ich es regelmäßig tue. Oft bin ich zu müde für eigene Worte. Dann hält das Vaterunser die Verbindung aufrecht zu Gott, der es gut mit mir meint.
Im Himmel
„Vater unser im Himmel“ – so beginnt das Gebet, dass Jesus seinen Nachfolgern empfohlen hat. „Im Himmel“: daran stören sich heute manche Menschen. „Das ist doch Unsinn“, sagen sie. „Da oben ist nichts.“ Zwar entdecken Forscher immer wieder neue Welten im All. Aber das da oben nicht ein weißbärtiger Mann namens Gott auf seinem Thron sitzt und auf die Welt herunterschaut, das ist längst klar. Der erste Mensch im All, der russische Kosmonaut Juri Gagarin, hat das eigentlich bloß bestätigt. Er habe Gott dort oben nicht gefunden, hat er berichtet. Ich frage mich, wie er wohl darauf gekommen ist, ihn dort zu suchen.
Dass Gott im Himmel wohnt – ich sage das auch manchmal. Kindern vor allem. Auf dem Friedhof zum Beispiel, wenn eines mich fragt: „Wo ist der Opa jetzt? Ist es nicht kalt da unten im Grab und dunkel?“ Dann sage ich: „Da haben wir nur seinen Körper hineingelegt. Den braucht er jetzt nicht mehr. Der Opa, der ist jetzt bei Gott, im Himmel. Da geht es ihm gut.“ Kinder brauchen so einen konkreten Ort, meine ich. Wenn ich nur sagen würde „bei Gott“ – was sollten sie sich darunter vorstellen?
Und ich selbst? Was fange ich mit diesem „Vater unser im Himmel“ an? Ich finde schön, was mir ein Professor für deutsche Sprache erklärt hat, auch wenn es wissenschaftlich vielleicht nicht ganz korrekt ist. Für Himmel sagt man auf Schwäbisch „Hemmel“, hat er gesagt – und das liegt ganz nah