Der Tod - live!. Philipp Propst

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Название Der Tod - live!
Автор произведения Philipp Propst
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783858827401



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      «So, so», machte Olivier Kaltbrunner.

      «Wir haben Anfragen von grossen Firmen wie Novartis, Roche, UBS und anderen, ob die Sicherheit in Basel noch …»

      «Mich interessieren die Pharma- und Bankfuzzis im Moment überhaupt nicht», wetterte Kommissär Kaltbrunner. «Ja, wir haben alles im Griff!»

      «Okay», erwiderte Tamine leise. «Ich werde das so weitergeben.»

      Eine gute Minute später sagte Kaltbrunner: «Wir haben gar nichts im Griff. Niemand hat noch irgendetwas im Griff. Was hier passiert ist, übersteigt unsere Fähigkeiten. Wir werden Hilfe benötigen.»

      «Hilfe?»

      «Ja, Hilfe.»

      «Wozu? Von wem?»

      «Von internationalen Terrorexperten.»

      «Terrorexperten? Nur weil sich eine Irre in die Luft … und dann eine dämliche Massenpanik entstand …»

      «Giorgio!», unterbrach Kaltbrunner. «In wenigen Stunden wird es hier von amerikanischen, britischen und deutschen Arschlöchern nur so wimmeln.»

      PRIVATKLINIK OB DEM WALD, MÄNNEDORF

      «Wie geht es Ihnen?»

      «Gut.»

      «Gut?»

      «Ja. Gut.» Schweigen.

      «Wollen Sie dieses ‹gut› näher beschreiben?»

      «Ja.» Schweigen.

      «Herr Derungs?»

      «Es fühlt sich an wie nach geilem, versautem Sex.»

      «Oh.»

      «Ja. Wie wenn ich die billigste Nutte erbarmungslos gevögelt hätte.» Schweigen.

      «Und wie fühlt sich das an? Können Sie das beschreiben? In Worte fassen?»

      «Nein. Ich Idiot habe es ja nie getan.»

      «Was?»

      «Ich habe meine Frau nie mit einer Hure betrogen, ich habe mich anders …» Kilian Derungs zögerte.

      «Ja? Wie haben Sie sich anders …?»

      «Na ja. Ich hatte mal ein Verhältnis mit einer jungen Politikerin. Der Klassiker. Die wollte sich hochschlafen. Okay. Sie hat ihren Posten in der Partei bekommen. Dann wurde sie ins Parlament gewählt. Kurz darauf hat sie mich fallen gelassen. Diese Schlampe. Ist nicht mehr wert als eine billige Hure, oder?»

      «Was ist denn eine billige Hure?»

      «Hören Sie doch auf mit diesem Gelaber. Eine Hure ist eine Hure. Sex gegen Geld. Oder Sex gegen Macht. Wo ist da der Unterschied?» Schweigen.

      «Wollen Sie mehr erzählen?»

      «Danach habe ich eine andere Parlamentarierin gefickt. Die sah zwar Scheisse aus, war aber eine Granate. Die konnte ich … meine Güte … die hat alles mit sich machen lassen, verstehen Sie?»

      «Ich glaube, ich verstehe. Aber was hat das mit Ihrer aktuellen Befindlichkeit zu tun?»

      «Mit meiner aktuellen Befindlichkeit?»

      «Ja.»

      «Es fühlt sich so an.» Schweigen.

      «Als sie im Bundesrat sassen, als Sie Minister waren, einer der mächtigsten Männer der Schweiz, was haben Sie da Frauen gegenüber empfunden?»

      «Ach, was soll’s? Da hatte ich alle möglichen Weiber. Die haben sich mir regelrecht an die Brust geworfen!»

      Schweigen. Dr. Christiane Schwertfeger machte sich einige Notizen.

      «Wollen Sie mir erzählen, was Sie in den letzten Tagen oder Wochen beschäftigt hat? Etwas, das sich so anfühlt, als wenn sie eine …» Dr. Schwertfeger zögerte.

      «Wie wenn ich eine billige Hure gefickt hätte? Wollen Sie das sagen? Kennen Sie überhaupt diese ordinären Ausdrücke? Haben Sie sie schon je verwendet? Haben Sie nie das Bedürfnis, einfach gefickt zu werden?»

      «Es geht nicht um mich.»

      «Aha.» Schweigen. «Ich habe Macht ausgeübt», sagte Kilian Derungs nach einer Weile. «Und das fühlte sich so an, wie wenn ich …»

      «Danke.»

      «Sie haben wohl auch ein Problem. Ein sexuelles, was?»

      «Noch einmal, Herr Derungs, es geht nicht um mich. Und ich möchte dies nicht noch einmal sagen. Sie sind zu mir gekommen. Sie können die Therapie jederzeit abbrechen. Es hindert Sie niemand daran.» Schweigen.

      «Sie haben also Macht ausgeübt.»

      «Ja.»

      «Das fühlte sich gut an.»

      «Ja. Auch wenn Sie es nicht glauben. Als Bundesrat hat man Macht. Das hat mir gefallen. Dann wollte die Partei, dass ich zurücktrete, Platz mache für eine Frau. Können Sie sich das vorstellen? Diese dumme Fotze wurde sogar gewählt. Man hat mir versprochen, dass ich eine wichtige Funktion in der Partei behalten und die Fotze nach meinem Gutdünken lenken könne. Ich habe den Dreck sogar geglaubt. Aber wissen Sie, wer in der Partei das Sagen hat? Können Sie sich das vorstellen?»

      «Sagen Sie es mir?»

      «Ja. Die, die Geld haben. Nicht so wie ich, zwei, drei Millionen Franken, nein, nein, nein. Milliarden, meine liebe Frau Doktor, wir reden hier von Milliarden!» Kilian Derungs war aufgeregt. Er wusste, dass er sich irgendwie beruhigen musste. «Haben Sie einen Cognac?»

      «Nein.»

      «Bin ich Alkoholiker?»

      «Das wissen Sie selbst am besten.»

      «Ich habe manchmal schon morgens einen Cognac oder einen Wodka getrunken. Wodka riecht man nicht. Wissen Sie, was ich meine?»

      «Nein.»

      «Sie haben keine … Vergessen Sie’s, es geht ja nicht um Sie.»

      «Sie sind also zurückgetreten und in ein Loch gefallen?»

      «Ich ging aus diesem verdammten Büro hinaus, aus diesem gottverdammten Bundeshaus in Bern. Mein Chauffeur hat mich nach Hause gefahren. Er war der letzte Mensch, der mir die gebührende Ehre zukommen liess. Er sagte: ‹Herr Bundesrat, es war mir eine Ehre, Sie in den vergangenen zwölfJahren herumzufahren. Ich danke Ihnen.› Ist das nicht wundervoll?»

      «Ja, es ist sehr nett.»

      «Nett? Es ist wundervoll. Es war der ergreifendste Moment meiner Regierungstätigkeit.» Kilian Derungs zog ein Taschentuch aus seinem Veston und tupfte sich die Nase. «Seither werde ich wie ein Stück Scheisse behandelt. Wie ein Stück Scheisse.» Schweigen.

      «Auch von Ihrer Frau?»

      «Was hat denn meine Frau damit zu tun?»

      «Behandelt sie Sie auch wie ein Stück … Scheisse?»

      «Meine Frau, tssss, die … die … ach, vergessen Sie’s.» Schweigen. Sehr, sehr langes Schweigen.

      «Herr Derungs, ich glaube …»

      «Ich heisse alt Bundesrat Derungs, Frau Doktor Schwertfeger!» Schweigen.

      Kilian Derungs bemerkte, dass Dr. Schwertfeger immer wieder auf die Uhr neben ihr auf dem kleinen Tischchen schielte. Sie versuchte es diskret zu machen, aber Kilian Derungs bemerkte es trotzdem. «Wir sollten das nächste Mal weiterreden, nicht wahr?», sagte er höflich.

      «Mögen Sie nicht mehr?»

      «Ich denke, Sie haben noch weitere Patienten …»

      «Natürlich, aber das sollte uns …»

      «Papperlapapp, schon gut. Immerhin sitze ich im Verwaltungsrat dieser Klinik und bin daran interessiert, dass der Laden läuft. Zudem weiss ich, wie es ist,