Название | Wenn Schattenmächte weichen |
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Автор произведения | Judith Berger |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783946435112 |
„Der Dachs hat sich die Pfote eingekleeemmt und das Mäd...“
„Halt endlich deinen Schnabel, Natalia. Hast du gehört?“
„Das Määäädchen aus dem Walde ist immer noch im Dooorf.“
„Ich springe so lange gegen den Baum, bis du durchgeschüttelt bi... Halt!“ Bampers Ohren flogen nach oben. Sein Fell stand wie Stacheln von ihm ab. Was hatte er da eben gehört? „Was hast du gesagt?“
„Ich habe gesungen.“
Bamper schüttelte sich. „Ja. Aber was?“
„Das Määädchen aus dem Walde ist immer noch im Dooorf.“
Mila, schoss es durch seinen Kopf. „Warum ist sie dortgeblieben? Ist ihr etwas zugestoßen? Nun sag schon. Sag schon, du Krächzer.“
„Banause!“, schalt die Nachtigall. Mehr sagte sie nicht. Ein Flügelschlagen erklang und Ruhe kehrte ein. Im Wald. Nicht in Bampers Kopf. Dort hämmerte die Liedzeile immerzu. Das Määädchen aus dem Walde … Dieses wunderbare Mädchen, dem er heute begegnet war. Das nach Himbeeren und Sonnenheu roch.
… ist immer noch im Dooorf.
Nein. Nein, wie konnte sie nur. Hatte sie ihm nicht versprochen vor Sonnenuntergang zurück zu sein? Sie blieb im Dorf. Sie blieb einfach im Dorf. Das war zu gefährlich. Viel zu gefährlich, in der Abenddämmerung. Und gleich kam die Nacht, jawohl. Es war Winter. Da wurde es früh dunkle Nacht, auch wenn es noch Abend war … Ach, was dachte er da für ein Durcheinander. Er musste dem Mädchen auf jeden Fall nach. Er musste Mila retten!
Bamper schoss los. Seine Hinterläufe donnerten auf den Boden, als er im gestreckten Galopp durch den Wald preschte. Er konnte nicht zulassen, dass Mila die Nacht im Dorf verbrachte. Dann wimmelte es dort nur so vor bösen Geistern. Er, der großartige Hasenmann würde ihr nachrennen. Aus dem Wald hinaus und … Angst griff nach ihm. Nur im Wald war er vor dem Blick der Raubvögel geschützt. Im Haselstrauch.
„Hasenfuß“, schalt er sich und trabte tapfer weiter. Er würde Mila zurückholen. Musste nur aus dem Wald hinaus, über die Wiese und … es klang schrecklich. Völlig ungeschützt den Füchsen ausgesetzt. Bampers Beine bewegten sich nur noch im Schritt. Und dann stoppten sie.
Vor ihm endete der Wald. Dort lag die Wiese. Die untergehende Sonne warf lange Schatten. Schatten von jedem einzelnen, dürren Gras. Wie Zähne eines hungrigen Ungeheuers. Die ganze weite, braune, vertrocknete Wiese ein riesiges Ungeheuer.
Bampers Hinterläufe verstockten sich im Boden. Niemals. Niemals würde er dort hinaus gehen. Er wäre ausgestellt wie ein dicker, roter Käfer auf einem glatten, braunen Blatt. Zum Nachtmahl serviert für die gierigen Füchse, gefräßigen Raubvögel und ungeschützt vor den Augen der Hexe. Ja, die Hexe. Auf dieser Wiese vor sich war er ihren Augen hilflos ausgeliefert. Sie war die Schlimmste. Die Schlimmste von allen. Sie war das widerwärtigste Ungeheuer, dem er begegnen konnte. Die Windhexe!
Das Laub um ihn herum zitterte. Zitterte mit seinen Beinen mit. Mit seinen Ohren. Seinem ganzen Körper. Er konnte nicht da hinaus gehen. Niemals.
Schnell machte Bamper drei Schritte zurück, unter die schützenden Zweige einer Tanne und kauerte sich zusammen. Er war ein Hase. Einfach nur ein Angsthase. Wie hatte er je denken können, dass er Mila auf die Wiese folgen könnte? Nein. Da war kein großartiger Hasenmann. Da war nur Angst. Überall Angst. In seinem Kopf, in seinen Beinen, in seinem Herz. Sein Hasenherz. Das rannte schneller, als seine Beine es je konnten. Dodoc, Dodoc. Doch mittendrin, in diesem Herz, hockte etwas Großes, Fettes. Rot und prall gefüllt wie ein Wasserschlauch kurz vor dem Zerplatzen. Die allergrößte Angst. Es war nicht die Angst vor gefräßigen Füchsen. Nicht die Angst vor der Hexe oder gar die Angst um sein Leben. Es war die Angst um Mila. Sie brauste. Tobte. Viel mehr, als alles andere. Und sie wurde ständig größer. Mila durfte nichts geschehen. Dieses wunderbare Wesen das nach Himbeeren und Heu duftete, durfte nicht von den Menschen zerstört werden. Niemals!
Bum, schlug Bampers Hasenherz, stark wie das eines Helden. Bum, antwortete der nächste Schlag, voller Liebe zu Mila.
Bamper trat hinaus auf die Wiese. Er machte einen Schritt und noch einen. Immer schneller und stärker trugen ihn seine Beine, während er über das braune Gras marschierte. Da waren keine bösen Augen und kein gieriger Schatten, der ihm folgte. Da war nur der mutige Bamper.
Er brauchte keine Deckung mehr. Nicht einmal diesen kleinen Haselstrauch, der auf der Kuppe stand. Auf der Kuppe? Tatsächlich. Er marschierte über den Zabohügel, der direkt vor dem Dorf lag. Der gefährliche Hügel, mit den magischen Spannungen, wo manchmal Zeit und Raum durcheinanderflogen. Auf diesen Hügel ging man nicht, selbst wenn es der schnellste Weg ins Dorf war. Hier war es gefährlich. Doch Bamper war es gleichgültig. Er hatte nicht einmal bemerkt, dass ihn sein strammer Schritt auf den Hügel geführt hatte. Ja, er war schon obenauf. Und er war stolz. Von ganzem Herzen.
Ein Blitz fuhr in den Himmel. Noch einer, direkt aus dem Boden vor Bamper, empor in den Himmel. Mit einem Hüpfer zur Seite rettete sich Bamper hinter ein Steinchen. Es war kaum halb so groß wie er. Da hockte Bamper mit hochgestreckten Ohren und schaute keck auf das Flirren vor sich. Ein Flirren, das sich in die Höhe und Breite schwang.
Bilder huschten über die Fläche. Das Wehen eines Gewandes. Flatterfell. Oder waren es Haare? Ein Wolf, der sich davon machte. Bamper duckte sich. Doch es war nur ein Bild. Kein echter Wolf. Nur ein Bild in der Luft zwischen den Blitzen.
Im Flatterfell ein helles Gesicht mit bösen Augen. Also doch Haare. Haare der Hexe. Der Windhexe, das wusste Bamper sofort. Er hatte sie noch nie gesehen und wusste doch, genau so sah eine Windhexe aus. Ihre Eisaugen schauten auf einen Zwerg. Sie öffnete den Mund.
„Bringe mir einen Menschen, dessen Herz nicht gebrochen ist.“
Erneutes Flirren in der Luft. War die Erscheinung vorbei? Hoffentlich, denn Bamper hatte mit magischen Dingen nichts am Fell.
Ein Haus baute sich in der Luft auf. Mit rosa Putz. Oder eher Rotbraun, wie seine Nase. Wieder der Zwerg. Eigentlich könnte Bamper gehen und den Spuk alleine spuken lassen.
Moment. Bamper erstarrte. Vor dem Zwerg stand keine Hexe mehr, da war Mila! Verrückt. Völlig verrückt. Mila hatte in dem Bild überhaupt nichts zu suchen.
Sie reckte sich auf. „Ich werde mit dir gehen.“
„Dann komm“, antwortete der Zwerg.
Halt. Nein. Das war nicht gut. Überhaupt nicht gut.
Das nächste Bild flackerte und erneut tauchte der Zwerg auf. In Nacht gehüllt. Auf den Boden gedrückt. Eisig drang eine Stimme durch Raum und Zeit. „Du solltest mir ein ungebrochenes Herz bringen.“
Das war genug. Bamper fuhr herum. Mehr musste er nicht sehen. Vergangenheit, Zukunft, Traum, Trug. Was immer er gesehen hatte, er musste Mila warnen. Mehr als je zuvor. Zukunft. Hoffentlich war es Zukunft gewesen, was er gesehen hatte. Sie durfte nicht mit dem Zwerg gehen. Die Hexe würde ihr Herz brechen.
„Hase“, zischte schneidend eine Stimme durch seine Ohren. Langsam drehte er sich zurück zu dem Zauberfeld. Flirrend stand da diese Hexe. Sie schien ihn direkt anzuschauen.
„Ich weiß, dass du da bist. Hopple zurück in deinen Wald und erzähle den Tieren, wie schrecklich ich bin, hast du gehört?“
Sie sah ihn direkt an. Direkt aus diesem Luftbild. Ihm wurde schwummrig. Er hielt sich an dem Steinchen fest das zur Seite zu rollen drohte.
„Tiere“, stieß die Hexe aus, als wäre Bamper tatsächlich nur ein roter Käfer auf einem braunen Blatt, „dumm wie Gerstenstroh.“ Ein Windstoß und sie war weg. Alles war weg. Das Bild, das Flimmern, die Blitze. Weg. Als wäre nie etwas da gewesen. Aber es war gewesen. Und wie es gewesen war. Das sagte Bamper sein flatterndes Herz. Sein wütendes Herz. Gerstenstroh. Gerstenstroh!
Mit einem Sprung wandte er sich um. Mila wollte mit dem Zwerg mitgehen? Ein Bild der Zukunft. Bitte, ein Bild der Zukunft. Denn er würde es verhindern.