Название | Wenn Schattenmächte weichen |
---|---|
Автор произведения | Judith Berger |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783946435112 |
„Gut. Und dass eines klar ist: Der Dreckhaufen bleibt auf der Straße und du kommst mit in den Laden. Sofort. “
Er ließ los. Milas Arm rasselte nach unten. Scharf zog sie die Luft ein.
„Mach schon. Nimm deinen Korb und komm!“
Ihr Korb? Sterne blitzten vor ihren Augen. Sie blinzelte und sah sich um, während die Pferde in ihr zu Boden sanken. Ihr Blick fiel auf Hedwig, die mit milchigen Augen ins Nichts starrte. Der zahnlose Mund bewegte sich in lautlosen Worten. Ihre geliebte Hedwig.
Weinen schnürte Mila den Hals zu. Hedwigs Not lag mitten in ihrem Herz. Unfassbar schwer und unendlich traurig. Sie holte Luft. Ihre Stimme zitterte, als sie sich ein letztes Mal an den Zwerg wandte. „Aber du kannst sie doch nicht einfach liegen lassen. Bitte.“ Ihre Tränen ließen sein Gesicht verschwimmen. Und doch war es starr. Sein Blick ausdruckslos. Keine Regung. Nicht den Hauch von Menschlichkeit.
Die Pferde legten ermattend die Köpfe zu Boden. Milas Stimme war nur noch ein Flüstern. „Hast du denn überhaupt kein Herz?“ Sie spürte, wie den Pferden in ihr der letzte Atemzug entglitt. Mila wandte sich ab, zu Hedwig.
„Moment.“ Es war Ignaz, der das gesagt hatte. Ignaz, dessen Hand das Mädchen an der Schulter zurückhielt. „Vielleicht … kann ich doch etwas für Hedwig tun, wenn …“
Langsam drehte Mila sich um. Die Pferde hoben den Kopf. War da der Hauch eines Morgens?
Mila sah in zusammengekniffene Zwergenaugen. Er räusperte sich. „Wenn du auch etwas für mich tust.“
„Du würdest … ich … aber natürlich. Was soll ich tun?“ Die Pferde waren aufgesprungen. Noch nicht gewahr, was um sie herum passierte.
„Du sollst mitkommen, nach … zu … mit mir gehen. Jetzt. Sofort.“
„Und Hedwig?“ Hoffnung zitterte in ihrer Stimme.
Er grummelte: „Hedwig darf in die Kammer, wenn du mit mir kommst.“
Er meinte es ernst. Die Pferde schlugen die Hufe ins grüne Gras. Sie hatte doch gewusst, dass in jedem etwas Gutes steckte. Selbst im grässlichsten Zwerg.
Ignaz wies auf Milas Korb, der auf dem Boden stand. „Und für das Lebenselixier macht meine Frau deiner Hedwig eine warme Suppe.“
„Ich?“ Empörung lag in Kriemhilds Stimme.
„Schweig!“ Ignaz funkelte sie an. „Meine Frau wird das Lumpenbündel nach oben bringen, frisch machen und ihr eine warme Suppe geben. Dafür bekommt sie das Lebenselixier.“
Kriemhild ließ die Schultern fallen. „Na gut.“
„Jeden Tag“, warf Mila ein. „Hedwig wird jeden Tag eine warme Mahlzeit bekommen.“ Die Pferde tollten übermütig.
Kriemhild schüttelte den Kopf. Ignaz hob seinen dicken Zeigefinger vor Mila in die Luft. „Wenn du sofort mitkommst.“
Sie nickte und griff nach ihrem Korb. „Ich komme.“
„Nein!“, krächzte eine Stimme. Hedwigs Augen waren schreckensweit geöffnet. „Tu das nicht, Kind. Hüte dich vor dem Bösen. Du hast mich gesehen. Du bist Licht und sie wird dich auslöschen.“
„Pah“, der Zwerg spuckte aus, „hör nicht auf sie. Sie redet wirres Zeug. Nicht umsonst wird sie die verrückte Hedwig genannt.“
Mila zögerte. „Wohin gehen wir denn?“
Der Zwerg schielte auf Hedwig, während er langsam antwortete: „Ich möchte dich jemandem vorstellen, der dich gerne kennenlernen möchte.“
„Geh nicht, sie ist böse. Macht ist ihr Schwert, Zerstörung ihr Name. Und du bist Licht.“
Milas Hand legte sich in ihre Gürteltasche. Sanft umschlossen die Finger das Amulett. Kühl und stark lag es auf ihrer Haut.
Sie sah den Zwerg unverwandt an. „Zu wem willst du mich bringen?“
Seine Augen wurden schmal. „Wieviel ist dir meine Antwort wert?“
Er würde immer ein Zwerg bleiben. „Alle Salben und Kräuter, die ich dabeihabe.“
„Nein.“ Sein Blick war fest.
Mila wusste es. „Du wirst es mir nicht verraten.“
Er schüttelte den Kopf.
Ihre Hand schloss sich enger um die Feder. Sie spürte die feinen Kerben in den Härchen. Die wohlige Rundung des Edelsteines. Warm lag das Amulett in ihrer Hand. Seine Kraft floss den Arm empor, über die Schulter, mitten ins Herz. Füllte es bis oben hin.
Mila richtete sich auf. Sie hob ihren Kopf: „Ich werde mit dir gehen.“
„Dann komm.“ Der Zwerg deutete mit seinem Blick die Gasse hinauf.
Mila tat den ersten Schritt.
„Miiilaa!“ Es war ein markerschütternder Schrei. Hedwig hatte sich nach vorne geworfen und umkrallte Milas Rockzipfel. Sie hielt felsenfest, wie eine Ertrinkende an einem Stück Holz.
Mila wandte sich um. Diesmal sahen Hedwigs Augen direkt in die ihren. Reine Angst stand darin. Eine Angst, wie Mila sie noch nie zuvor gesehen hatte.
Sie beugte sich zu Hedwig hinab. Umschloss langsam die Hand, die ihren Rock hielt. Wärmte die kalten Finger. „Es ist gut, Hedwig“. Sie beugte sich dicht an ihr Ohr, berührte mit den Lippen das Kopftuch, als sie flüsterte: „Ich bin geschützt durch das Vermächtnis meiner Mutter. Mir kann nichts geschehen.“
Langsam löste sie die Finger von ihrem Rock. „Weißt du noch?“ Leise sang sie: „… Drum sei getrost mein Lerchenkind, so sicher wie der Frühlingswind, kehrst du wieder zurück.“
Sie sah in die alten Augen. Sie waren wieder milchig und ausdruckslos. „Ich werde zurückkommen Hedwig, versprochen.“
Mila richtete sich auf, drehte sich um und folgte dem Zwerg in die Nacht hinein.
Himbeeren. Bamper räkelte sich in dem Flaumnest und hielt schnuppernd die Nase in die blaue Luft. Es roch nach Himbeeren und sonnigem Heu. Nichts mochte der Hasenmann lieber. Genüsslich drehte er sich zur Seite. Ein Pfeifen drang an sein Ohr.
Himbeeren. Wo war die Himmlischkeit denn?
Da stand das Mädchen. Mila. Mitten auf der Wiese. Mit den kurzen Zöpfen, wie sie sie heute Nachmittag getragen hatte. Im Sonnenschein. Bampers Nase wackelte. Sie war es. Sie roch so wunderbar. Nach Himbeeren und sonnigem Heu. Dieses wundervolle Mädchen.
Ein Pfeifen vom Himmel durchzog die Stille.
Bamper sah nur auf das Mädchen. Mila. Sie lachte ihn an. Vorsichtig ging sie in die Hocke.
„Komm, ich werde dir mein Geheimnis verraten“, sagte sie und ihre grünen Augen sahen ihn verschwörerisch an.
Schnell eilte er zu ihr. Setzte sich auf die Hinterpfoten und streckte die Ohren in die Luft. Ganz nah an ihren Mund.
„Und die Lerche ist immer noch am brüüüten“, flötete eine Stimme.
Bamper zuckte zurück. Er schüttelte seine Ohren und öffnete die Augen.
„Der Specht ist umgezooooogen.“
Er lag in seiner Schlafhöhle. Es war Abend. Keine Wiese im Sonnenschein.
„Zehn Bäume weiter, in eine Buuuuche.“
Und das penetrante Pfeifen kam von der Nachtigall. Sie verlas die Nachrichten des Waldes wie ein Minnesänger. Da wollte Bamper einmal früher ins Bett gehen und schon setzte sich dieser Vogel genau auf den Baum über seinem Bau, um ihn im spannendsten Traum zu stören. Aber nicht mit ihm. Nicht mit ihm!
Bamper sprang auf