Название | Besonderes Verwaltungsrecht |
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Автор произведения | Mathias Schubert |
Жанр | Языкознание |
Серия | Schwerpunkte Pflichtfach |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783811453593 |
Prüfungsmaßstab in diesem bundesrechtlichen Verfassungsbeschwerdeverfahren ist ausweislich des Wortlauts der einschlägigen Vorschriften nur Art. 28 GG. Die Rechtsprechung zieht jedoch zusätzlich den allgemeinen Gleichheitssatz[145] und solche Verfassungsvorschriften mit heran, die „ihrem Inhalt nach das verfassungsrechtliche Bild der Selbstverwaltung mitzubestimmen geeignet“ sind, wie die bundesstaatliche Kompetenzverteilung[146]. Demgemäß müsste es möglich sein, im Rahmen des kommunalen Verfassungsbeschwerdeverfahrens eine Kontrolle auf potenzielle Verletzungen allgemeiner Verfassungsprinzipien (Rechtsstaatlichkeit, Demokratie) zu erreichen[147].
Die Zulässigkeit der kommunalen Verfassungsbeschwerde zum Landesverfassungsgericht im Ausgangsfall ergibt sich aus Art. 75 Nr 5 Verf. NRW iVm §§ 12 Nr 8, 52 VGHG NRW. Gerügt werden kann eine Verletzung des Selbstverwaltungsrechts durch „Landesrecht“; umfasst sind damit neben Gesetzen jedenfalls auch Rechtsverordnungen. Auch in materieller Hinsicht bleibt die landesverfassungsrechtliche Garantie der kommunalen Selbstverwaltung (Art. 1 I, 78, 79 Verf. NRW) nicht hinter der grundgesetzlichen Garantie aus Art. 28 II GG zurück (s.o. Rn 87). Infolge der Subsidiarität (vgl Art. 93 I Nr 4b GG, § 91 S. 2 BVerfGG) scheidet mithin eine Verfassungsbeschwerde zum BVerfG aus.
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In diesem Kontext taucht die Frage auf, ob denn die Kommunen auf das speziell ihnen zur Verfügung gestellte verfassungsgerichtliche Rechtsschutzinstrument des Art. 93 I Nr 4b GG beschränkt sind oder ob sie nicht auch, soweit Art. 19 III GG dies zulässt, auf die Individualverfassungsbeschwerde gemäß Art. 93 I Nr 4a GG rekurrieren und die Verletzung von Grundrechten rügen können. Diese Frage ist jedenfalls insoweit zu verneinen, als es um den Schutz des seinerseits grundrechtsgebundenen öffentlich-rechtlichen Aufgabenkreises der Kommunen geht (sog. Konfusionsargument)[148]. Zu bejahen ist sie im Hinblick auf die Geltendmachung der sog. Justizgrundrechte (Art. 101 ff GG)[149]. Strittig ist sie in Ansehung von Rechtspositionen, hinsichtlich derer die Gemeinden in vergleichbarer Weise wie der Bürger der Staatsgewalt unterworfen sind[150].
Beispiele:
Berufung auf Art. 14 GG im Falle einer Enteignung gemeindlicher Grundstücke, die wirtschaftlich genutzt werden, zugunsten von Verteidigungszwecken.
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Gliedert eine Gemeinde bestimmte Aufgaben organisatorisch in Kapitalgesellschaften aus, etwa durch Gründung einer Stadtwerke-GmbH, so wird dieses Privatrechtssubjekt hinsichtlich der Grundrechtsträgerschaft nicht anders behandelt als die dahinterstehende Gebietskörperschaft[151]. Mithin ist die Individualverfassungsbeschwerde einer kommunalen Eigengesellschaft unter Berufung auf eine Grundrechtsverletzung unzulässig. Strittig ist allerdings die Einstufung sog. gemischtwirtschaftlicher Unternehmen (zu ihnen noch Rn 310)[152].
5. Finanzverfassungsrechtliche Gewährleistungen
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Neben Art. 28 II 3 GG (vgl Rn 55) finden sich in den Vorschriften über die Finanzverfassung nach Art. 104a ff GG weitere finanzverfassungsrechtliche Gewährleistungen.
Art. 106 V GG sichert den Gemeinden einen gesetzlich festzulegenden Anteil an dem Aufkommen der Einkommensteuer, und zwar in Entsprechung zu den Einkommensteuerleistungen ihrer Einwohner.
Vgl dazu das Gemeindefinanzreformgesetz idF der Bekanntm. v. 10.3.2009 (BGBl. I S. 1030), zul. geändert durch G. v. 21.11.2016 (BGBl. I S. 2613).
Art. 106 VI 1 GG enthält eine sog. Realsteuergarantie für die Gemeinden sowie für diese bzw für die Gemeindeverbände die Zuweisung des Aufkommens der örtlichen Verbrauch- und Aufwandsteuern (Bsp.: Vergnügungs-[153], Getränke-, Jagd-, Betten-, Zweitwohnungs-[154], Hundesteuer[155]). Des Weiteren wird den Gemeinden das Recht eingeräumt, im Rahmen der Gesetze die Hebesätze der Realsteuern festzusetzen (Art. 106 VI 2 GG)[156]. Allerdings sind dort auch Umlagen zulasten der Gemeinden vorgesehen (Art. 106 VI 6 GG)[157].
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Von dem Länderanteil am Gesamtaufkommen der sog. Gemeinschaftssteuern (Einkommensteuer, Körperschaftsteuer und Umsatzsteuer; vgl Art. 106 III GG) fließt den Gemeinden und Gemeindeverbänden insgesamt schließlich ein von der Landesgesetzgebung zu bestimmender Hundertsatz zu (Art. 106 VII 1 GG).
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Für die Kommunen bedeutsam ist innerhalb der finanzverfassungsrechtlichen Bestimmungen ferner noch der Ausgleich für Sonderbelastungen von Kommunen (Art. 106 VIII GG), der ihnen – anders als die übrigen Verteilungsregeln – einen unmittelbaren Anspruch gegen den Bund einräumt[158].
Beispiele:
Kosten im Zusammenhang mit Kasernen; hauptstadtbedingte Sonderlasten Berlins.
Für den horizontalen Finanzausgleich zwischen den Ländern schreibt Art. 107 II GG schließlich noch vor, dass bei der Beurteilung der unterschiedlichen Finanzkraft der Länder die Finanzkraft und der Finanzbedarf der Gemeinden (Gemeindeverbände) zu berücksichtigen sind[159].
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Ob über diese Bestimmungen hinaus unmittelbar aus Art. 28 II GG inhaltlich und umfangmäßig präzisierbare Ansprüche auf eine angemessene kommunale Finanzausstattung abgeleitet werden können, ist seit langem umstritten[160], nunmehr immerhin insoweit im Ansatz geklärt, als die Gewährleistung der Selbstverwaltung gemäß dem 1994 neu eingefügten 1. Halbsatz des Satzes 3 jedenfalls auch „die Grundlagen der finanziellen Eigenverantwortung“ umfasst (vgl bereits oben Rn 55). Im Übrigen wird selbst im Notstandsverfassungsrecht (vgl Art. 115c III GG) die herausragende Bedeutung der finanziellen Lebensfähigkeit der Kommunen betont.
Das Bundesverfassungsgericht hat in diesem Fragenkreis bislang sehr vorsichtig formuliert. Vgl BVerfGE 83, 363 (386): „Gegen die Auferlegung einzelner Ausgabepflichten bietet Art. 28 II GG – auch wenn man in ihm eine insgesamt zureichende Finanzausstattung mitgarantiert ansieht, was das BVerfG bisher nicht entschieden hat … – jedenfalls keinen Schutz, solange … diese Finanzausstattung nicht in Frage gestellt wird“[161].
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Zu den in Art. 28 II 3 HS 1 GG genannten Grundlagen der finanziellen Eigenverantwortung gehört auch eine (nur) den Gemeinden zustehende mit Hebesatzrecht ausgestattete und wirtschaftskraftbezogene Steuerquelle. Die Einfügung dieses zweiten Halbsatzes in Art. 28 II Satz 3 GG war 1997 für erforderlich gehalten worden, um die kommunale Finanzautonomie durch eine an die Wirtschaftskraft in der jeweiligen Gemeinde anknüpfende Steuer zu sichern. Weder HS 1 noch HS 2 garantieren den Gemeinden aber ein originäres Steuererfindungsrecht. Gewährleistet wird nur eine wirtschaftskraftbezogene Steuerquelle, wobei als solche im Hinblick auf Art. 106 V u. VI GG nur die Gewerbeertrag- und Einkommensteuer in Betracht kommen. Der Begriff der Wirtschaftskraft bezieht sich hierbei nicht auf die Steuerschuldner, sondern auf die Produktivität des jeweiligen kommunalen Wirtschaftsraums. Gewährt wird auch keine Ertrags-, sondern lediglich eine Hebesatz- und Bestandsgarantie für eine wirtschaftskraftbezogene Steuerquelle[162].
Teil I Kommunalrecht › § 2 Verfassungsrechtliche Gewährleistungen der kommunalen Selbstverwaltung › II. Garantien in den Landesverfassungen