Название | Besonderes Verwaltungsrecht |
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Автор произведения | Mathias Schubert |
Жанр | Языкознание |
Серия | Schwerpunkte Pflichtfach |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783811453593 |
Als vorentscheidend für die hier zu diskutierende verfassungsrechtliche Absicherung kommunaler Tätigkeitsfelder dürfte sich darum die spezifische Eigenart und Qualität der jeweiligen Aufgabe erweisen, um die es geht.
Erbitterte Auseinandersetzungen wurden mancherorts um die Zuständigkeiten für die Durchführung der Energieversorgung über Strom- und Gasnetze auf örtlicher Ebene geführt (Stichwort: Re-Kommunalisierung)[54]. Nach BVerwGE 98, 273 (275 f) – „MEAG“ – gehört die Entscheidung über die Durchführung der örtlichen Energieversorgung zu den Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft. Die Durchführung dieser Versorgung selbst ist hingegen seit jeher „durch ein plurales Nebeneinander von privaten, kommunalen und gemischtwirtschaftlichen Unternehmensformen“ (zu ihnen noch Rn 304 ff) gekennzeichnet (so BVerwG, aaO). Das für die Sachmaterie auf nationaler Ebene maßgebliche Energiewirtschaftsgesetz gilt schließlich unterschiedslos für alle Energieversorgungsunternehmen ohne Rücksicht auf Rechtsformen und Eigentumsverhältnisse (vgl die Legaldefinition in § 3 Nr 18 EnWG[55]). Meinungsunterschiede hatte es so naheliegenderweise nach der deutschen Einheit auch mit Blick auf die Stromversorgungsstruktur in den neuen Ländern (Streit um die Gründung von Stadtwerken)[56] gegeben.
Eine gemeindliche Wasserversorgung[57] ist laut Hess.VGH, RdE 1993, 143 (144) nur dann erforderlich, wenn der Bedarf der Einwohner nicht bereits auf andere Weise – nämlich durch Wasserlieferung bereits bestehender fremder, dh nicht von der Gemeinde eingerichteter Versorgungsunternehmen – befriedigt wird; s. aber auch unten Rn 239 u. Rn 242 zu einem weiten kommunalpolitischen Ermessen. Im Krankenhauswesen etwa umfasst für die Kommunen die Aufgabe der Versorgung ihrer Bevölkerung mit leistungsfähigen Krankenhäusern zum einen die – subsidiäre – Vorhaltung eigener Krankenhäuser und zum anderen die Mitwirkung an der Krankenhausfinanzierung[58].
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Traditionell nicht zu den Angelegenheiten des durch Art. 28 II GG geschützten Wirkungskreises zählte die Einrichtung von Fernmeldelinien – so BVerwGE 77, 128 (132) –, die gemäß § 1 des Telegraphenwegegesetzes aus dem Jahre 1899 seit jeher Aufgabe der Post war. Nichtsdestoweniger reklamierten die Gemeinden für Telekommunikationsleitungen trotz nach der Postprivatisierung erfolgter Fortschreibung der kostenlosen Wegenutzung (vgl §§ 68 ff TKG) eigene Gestaltungsbefugnisse[59], blieben aber vor dem BVerfG erfolglos[60]. §§ 68, 69 TKG, die allein die Wegenutzung regeln, entziehen jedenfalls den Gemeinden keine Aufgaben mit relevantem örtlichen Charakter.
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Die Selbstverwaltungsgarantie schützt die Kommunen auf dem Feld der Daseinsvorsorge – soweit nicht eine Monopolisierung durch Anschluss- und Benutzungszwang zulässig ist – nicht vor privater Konkurrenz[61] (dazu noch unten Rn 313 ff).
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ee) Einschränkungen des eigenverantwortlich zu führenden kommunalen Aktionsfeldes sind nicht völlig ausgeschlossen, bedürfen aber der gesetzlichen Grundlage („im Rahmen der Gesetze“ in Art. 28 II GG).
Gesetze in diesem Sinne sind alle Außenrechtsnormen, also Bundes- und Landesgesetze, aber auch Rechtsverordnungen, soweit sie auf einer mit den Anforderungen des Art. 80 I 2 GG oder entsprechenden landesverfassungsrechtlichen Regelungen in Einklang stehenden gesetzlichen Ermächtigung beruhen. Begrifflich umfasst ist auch das EU-Primärrecht sowie das Sekundärrecht, wenn es, wie bei EU-Verordnungen, selbst unmittelbare Geltung beansprucht[62].
Der Gesetzesvorbehalt umfasst dabei nicht nur die Art und Weise der Erledigung der Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft, sondern ebenso die gemeindliche Zuständigkeit für diese Angelegenheiten[63]. Es wäre jedoch mit dem Gewicht der verfassungskräftigen Selbstverwaltungsgarantie unvereinbar, wollte man diese gewissermaßen zur Disposition des einfachen Gesetzgebers stellen. So hatte bereits der Staatsgerichtshof für das Deutsche Reich im Jahre 1929 (zu Art. 127 WRV) bekräftigt, die Landesgesetzgebung dürfe dieses Recht weder aufheben noch die Verwaltung der Gemeindeangelegenheiten auf Staatsbehörden übertragen, und weiter:
„Sie darf die Selbstverwaltung auch nicht derart einschränken, dass sie innerlich ausgehöhlt wird, die Gelegenheit zu kraftvoller Betätigung verliert und nur noch ein Schattendasein führen kann“ (RGZ 126, Anh. S. 14 ff [22]), eine Formulierung, die sich das Bundesverfassungsgericht in seiner ersten Stellungnahme zur Reichweite des Art. 28 II GG zu Eigen gemacht hat (BVerfGE 1, 167 [174 f]).
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ff) In konsequenter Fortführung dieses Grundgedankens sah die verfassungsgerichtliche Rechtsprechung stets einen „Kernbereich“ der gemeindlichen Selbstverwaltung als verfassungsfest und vor jeglicher gesetzlicher Einwirkung gesichert an[64]. Gewährleistet war den Gemeinden damit entsprechend traditioneller Sichtweise (vgl Rn 49) ein Bestand typischer, als essenziell erkannter Aufgaben. Maßgebliche Leitlinie für die Bewertung ist danach das charakteristische Erscheinungsbild der deutschen Gemeinde. Aufschluss darüber, welche Aufgaben hierzu gehören, kann zunächst eine historische Betrachtung (oben Rn 5) mit Blick auf den traditionellen gemeindlichen Aufgabenbestand geben. Aber auch jüngere, den Gemeinden nach der Gesetzeslage zugewachsene oder von ihnen auf Grund eigenen Entschlusses übernommene Angelegenheiten können inzwischen zu diesem zentralen Aktionsfeld gehören.
Ein Beispiel hierfür bildet die bereits angesprochene Planungshoheit in Gestalt satzungsmäßiger Festlegungen hinsichtlich der Bodennutzung durch Bebauungspläne, die heute durchweg zu den essenziellen gemeindlichen Agenden gezählt wird, in dieser Form aber erst 1960 durch den Erlass des BBauG seine konkrete Ausprägung gefunden hat[65].
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Hierauf hat das BVerfG wieder zurückgegriffen, als es den Gesetzgeber für gebunden erachtete, „die überkommenen identitätsbestimmenden Merkmale – den sog. Wesensgehalt – der gemeindlichen Selbstverwaltung zu beachten; was herkömmlich das Bild der gemeindlichen Selbstverwaltung in ihren verschiedenen historischen und regionalen Erscheinungsformen durchlaufend und entscheidend prägt, darf weder faktisch noch rechtlich beseitigt werden“[66].
Zu diesem Kernbereich oder Wesensgehalt der gemeindlichen Selbstverwaltung gehört nach der Rspr des BVerfG freilich „kein gegenständlich bestimmter oder nach feststehenden Merkmalen bestimmbarer Aufgabenkatalog, wohl aber die Befugnis, sich aller Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft, die nicht durch Gesetz bereits anderen Trägern öffentlicher Verwaltung übertragen sind, ohne besonderen Kompetenztitel anzunehmen“[67]. Damit wird nicht mehr an der traditionellen Sichtweise festgehalten werden, der zufolge unantastbare örtliche Handlungszuständigkeiten immer schon dann anzunehmen waren, wenn entsprechende „Gemeindehoheiten“ tangiert waren. Solche Hoheiten (vgl Rn 55 ff) dürften damit nicht mehr kompetenzkonstituierend wirken, sondern lediglich indiziellen Charakter besitzen[68].
Da aber andererseits Art. 28 II 1 GG, wie gezeigt, keine status-quo-Garantie enthält, die gegen alle „Hochzonungen“ von Aufgaben hin zu den Kreisen oder staatlichen Verwaltungsträgern abschirmen könnte, leuchtet ein, welche Schwierigkeiten es den Verfassungsgerichten – vor allem mit Blick auf in der Realität zu konstatierenden Wanderungsprozesse und Gemengelagen[69] – bereiten muss, hier zu überzeugenden Grenzziehungen zu kommen. Nur äußerst selten wurde bislang jedenfalls gesetzlichen Bestimmungen wegen einer Verletzung des Kernbereichs