Название | Besonderes Verwaltungsrecht |
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Автор произведения | Mathias Schubert |
Жанр | Языкознание |
Серия | Schwerpunkte Pflichtfach |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783811453593 |
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Lösungshinweise zu Fall 2 (Rn 45):
Im Ausgangsfall ist im Rahmen der Begründetheit zunächst zu prüfen, ob der Kernbereich der Selbstverwaltung der Gemeinde G durch die Regelung des § 5 II GO NRW berührt wird. Angesichts der vorstehend zitierten Rspr des BVerfG, das einen vergleichbaren Fall zur schleswig-holsteinischen Gemeindeordnung zu entscheiden hatte, wird dies zu verneinen sein. Legislativen Maßnahmen sind nichtsdestoweniger insofern zusätzlich Grenzen gesetzt, als – auch im Vorfeld der Kernbereichssicherung – den Gemeinden eine Mitverantwortung für die organisatorische Bewältigung ihrer Aufgaben einzuräumen ist. Auch diese Maßgabe dürfte jedoch durch die Verpflichtung zur Einrichtung der Stelle einer Gleichstellungsbeauftragten nicht verletzt sein. Bezüglich der Modalitäten (Zuordnung im Einzelnen, personelle und sachliche Ausstattung, Einbindung in die Arbeit der entscheidungsbefugten Stellen der Gemeindeverwaltung) verbleibt – so das BVerfG – ein hinreichender organisatorischer Spielraum.
Bei einer kleinen kreisangehörigen Gemeinde mit weniger als 20 000 Einwohnern stellt sich insbesondere die vom Nds.StGH (DÖV 1996, 657) unter dem Blickwinkel des Verhältnismäßigkeitsprinzips erörterte Frage nach der Notwendigkeit einer Ausnahmeregelung. Die in § 5 II GO NRW normierte Pflicht zur Bestellung hauptamtlicher Gleichstellungsbeauftragter beschränkt sich aber auf den Ausschluss einer ehrenamtlichen Aufgabenwahrnehmung, ohne zugleich Vorgaben in Bezug auf den Tätigkeitsumfang der hauptamtlichen Gleichstellungsbeauftragten zu machen. Insbesondere setzt das Erfordernis der Hauptamtlichkeit nicht voraus, dass das Amt der Gleichstellungsbeauftragten mit mindestens 50% der regelmäßigen Arbeitszeit ausgefüllt wird. Eine solche Regelung wahrt die Grenzen, die das Übermaßverbot einer staatlichen Reglementierung der kommunalen Organisationshoheit zieht.[87]
c) Überbürdung von Aufgaben auf alle Gemeinden
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Spürbare Eingriffe in die kommunale Selbstverwaltung können aber nicht nur durch Aufgabenentzug oder durch Vorgaben zur Art und Weise der Aufgabenerfüllung erfolgen, sondern mittelbar auch durch Übertragung zusätzlicher Aufgaben, welche die kommunalen Ressourcen in erheblichem Maße beanspruchen und dadurch die Kapazitäten zur Wahrnehmung der Selbstverwaltungsaufgaben schmälern[88].
Inzwischen sind die negativen finanziellen Folgen der Zuweisung staatlicher Aufgaben an die Kommunen durch die Aufnahme sog. Konnexitätsklauseln im Landesverfassungsrecht[89] abgefedert worden, die festlegen, dass bei der Zuweisung neuer Aufgaben durch Landesrecht immer auch Bestimmungen über die Deckung der Kosten zu treffen sind (sog. relatives Konnexitätsprinzip) und eine eventuelle Mehrbelastung der Kommunen auszugleichen ist (sog. striktes Konnexitätsprinzip)[90]. Darüber hinaus ist durch Art. 84 I 7 und Art. 85 I 2 GG, die bestimmen, dass Gemeinden und Gemeindeverbänden durch Bundesgesetz keine Aufgaben übertragen werden dürfen, eine zu Lasten der Kommunen bis 2006 noch offene Lücke geschlossen worden[91].
d) Belastungen einzelner Gemeinden
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Soweit gesetzliche Regelungen nicht die gesamte gemeindliche Ebene umgreifen, sondern belastende Wirkungen nur punktuell für einzelne Gemeinden zeitigen, wird man kaum eine Verletzung des Kernbereichs der kommunalen Selbstverwaltung in Erwägung ziehen können. Hier steht die Überlegung im Vordergrund, ob der Normgeber dem Übermaßverbot in hinreichender Weise Rechnung getragen hat, was sich nur auf der Basis einer Güterabwägung zwischen den gemeindlichen und schutzwürdigen überörtlichen Interessen ermitteln lässt[92].
e) Aufgabe von Selbstverwaltungsspielräumen
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Mit der Gewährleistung genuiner Rechte zur Regelung von Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft durch Art. 28 II 1 GG geht gleichzeitig die Pflicht der Gemeinde einher, sich nicht völlig der damit verbundenen Selbstverwaltungsspielräume zu begeben. Zu weitgehend stellte das BVerwG aber in seinem Urteil zum Offenbacher Weihnachtsmarkt fest, dass es mit der verfassungsrechtlichen Garantie der kommunalen Selbstverwaltung nicht vereinbar sei, einen kulturell, sozial und traditionsmäßig bedeutsamen Weihnachtsmarkt, der bisher in alleiniger kommunaler Verantwortung betrieben wurde, materiell zu privatisieren, da der Gemeinde auch die grundsätzliche Pflicht der Sicherung und Wahrung ihres Aufgabenkreises obliege[93]. Der Ansicht des BVerwG[94], ist nicht zu folgen. Sie deutet das Selbstverwaltungsrecht der Gemeinden zu einer Selbstverwaltungspflicht um und vermischt die Grenze von freiwilligen und pflichtigen Selbstverwaltungsaufgaben[95].
2. Institutionelle Garantie der gemeindeverbandlichen Selbstverwaltung (Art. 28 II 2 GG)
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Indem das Grundgesetz in Art. 28 II 2 GG auch den Gemeindeverbänden nach Maßgabe der Gesetze das Recht der Selbstverwaltung zuerkennt, bringt es zum Ausdruck, dass die diesbezüglich vorstehend in Bezug auf die gemeindliche Ebene gefundenen Auslegungsergebnisse zugleich für die Gemeindeverbände gelten (BVerfGE 83, 363 [383]: „das gleiche Recht der Selbstverwaltung“), also auch insofern eine institutionelle Garantie zu bejahen ist. Allerdings ist der Aufgabenkreis der Gemeindeverbände („im Rahmen ihres gesetzlichen Aufgabenbereiches“) kein universeller im Sinne einer Allzuständigkeit, sondern ein gesetzlich geformter. Zwar muss der Gesetzgeber den Gemeindeverbänden einen hinreichenden Bestand nicht nur staatlicher, sondern kreiskommunaler Aufgaben zuweisen und dabei auch dem Selbstverwaltungsgedanken in angemessener Weise Rechnung tragen[96]. Ihm kommt auf dieser Ebene aber hinsichtlich der Einzelheiten des Aufgabenprogramms ein Gestaltungsspielraum zu. Dieser Gestaltungsspielraum bei der Regelung des Aufgabenbereichs der Kreise findet erst dort Grenzen, wo die verfassungsrechtliche Gewährleistung des Selbstverwaltungsrechts der Kreise entwertet würde. Der Gesetzgeber darf diese Gewährleistung nicht unterlaufen, indem er den Kreisen keine Aufgaben mehr zuweist, die in der von der Verfassung selbst gewährten Eigenverantwortlichkeit wahrgenommen werden könnten. Er muss deshalb einen Mindestbestand an Aufgaben zuweisen, die die Kreise unter vollkommener Ausschöpfung der auch ihnen gewährten Eigenverantwortlichkeit erledigen können[97].
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Ganz in diesem Sinne hat das Landesverfassungsgericht Mecklenburg-Vorpommern 2007 in seinem ersten Urteil betreffend die Kreisgebietsreform in Mecklenburg-Vorpommern, bei der im Wege einer regionalen