Название | Besonderes Verwaltungsrecht |
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Автор произведения | Mathias Schubert |
Жанр | Языкознание |
Серия | Schwerpunkte Pflichtfach |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783811453593 |
Die zentralen Bereiche der gemeindlichen Eigenverantwortlichkeit wurden herkömmlicherweise durch ein Bündel sog. Gemeindehoheiten gekennzeichnet, das sich in der Übersicht wie folgt darstellt:
Übersicht 1:
Die sog. Kommunalhoheiten
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Im Einzelnen geht es dabei um folgende Gewährleistungsgehalte, die sich jedoch nicht immer trennscharf voneinander abgrenzen lassen:
– | Gebietshoheit ist die Befugnis, im Gemeindegebiet gegenüber jeder Person und jeder Sache, die sich in diesem befindet, rechtserhebliche Handlungen vorzunehmen und Hoheitsgewalt auszuüben[29], |
– | Organisationshoheit ist die Befugnis zur Ausgestaltung der internen Organisation, genauer: die Befugnis, für die Aufgabenwahrnehmung Abläufe und Entscheidungszuständigkeiten festzulegen (s. u. Rn 70)[30], aber auch die Organisation nach außen, also die Möglichkeit, gemeinsam mit anderen Kommunen Selbstverwaltungsaufgaben zu bewältigen (Unterfall der „Kooperationshoheit“)[31], |
– | Personalhoheit bezeichnet die Befugnis zur Auswahl, Anstellung, Beförderung und Entlassung der Angestellten und Beamten[32] der Gemeinde[33], |
– | Satzungshoheit bezeichnet die Befugnis, die eigenen Angelegenheiten durch (orts-)rechtliche Bestimmungen mit Wirkung für die Gemeindeeinwohner verbindlich zu regeln (vgl Art. 28 II 1 GG: „… in eigener Verantwortung zu regeln“, hierzu u. Rn 217 ff)[34]. |
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– | Finanzhoheit meint das Recht auf eigenverantwortliche Einnahmen- und Ausgabenwirtschaft im Rahmen eines geordneten Haushaltswesens[35], Soweit Art. 28 II 3 GG klarstellt, dass die Grundlagen der finanziellen Eigenverantwortung von der Gewährleistung der Selbstverwaltung umfasst sind, wird den Gemeinden nicht ausdrücklich ein verfassungsunmittelbarer Anspruch auf eine aufgabenangemessene kommunale Finanzausstattung zuerkannt.[36] Allerdings lässt die Wendung zumindest die Einsicht erkennen, dass das Recht auf Selbstverwaltung nur dann effektiv wahrgenommen werden kann, wenn den Gemeinden eine auf ihre Selbstverwaltungsaufgaben bezogene Finanzausstattung zur Verfügung steht.[37] Das BVerfG hat das Bestehen eines solchen Anspruchs bislang ausdrücklich offen gelassen,[38] doch haben bereits mehrere Landesverfassungsgerichte im Rahmen der ihnen zustehenden Kompetenz zur Auslegung der Gewährleistungen der kommunalen Selbstverwaltung im Landesverfassungsrecht einen solchen Anspruch auf aufgabenangemessene Finanzausstattung anerkannt.[39] Das BVerwG[40] und die Literatur stimmen diesem Ergebnis weitgehend zu.[41] Auch in Ansehung eines Vorbehalts der Leistungsfähigkeit des jeweiligen Landes[42] gehört als unterste Grenze zum unantastbaren Kernbereich (u. Rn 63) eine finanzielle Mindestausstattung, welche die einzelne Gemeinde in die Lage versetzt, alle ihr zugewiesenen (staatlichen) Pflichtaufgaben und ein Mindestmaß an freiwilligen Selbstverwaltungsaufgaben zu erfüllen.[43] Eine „Steuerhoheit“ der Gemeinden besteht in Ansehung der grundgesetzlichen Finanzverfassung (vgl Art. 104a ff GG) allenfalls noch in rudimentärer Form (s. Rn 92 ff). Auch Art. 28 II 3 GG garantiert den Gemeinden kein originäres Steuererfindungsrecht[44], wohl aber gehört zu den bereits erwähnten Grundlagen der finanziellen Eigenverantwortung eine den Gemeinden mit Hebesatzrecht zustehende wirtschaftskraftbezogene Steuerquelle (Art. 28 II 3, 2. HS GG, s. auch Rn 92, 96). Bei den örtlichen Verbrauch- und Aufwandsteuern – Beispiele: Vergnügungs-, Betten-, Zweitwohnungs- oder Hundesteuer – stehen den Kommunen nur von den Ländern abgeleitete Befugnisse zu (vgl Art. 105 IIa, 106 VI 1 GG). |
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– | Planungshoheit schließlich meint die Befugnis, über die Ordnung und Gestaltung der Bodenentwicklung im Gemeindegebiet, namentlich in Ansehung der baulichen Nutzung, eigenverantwortlich entscheiden zu können[45]. Gegen eine ihr Gebiet betreffende überörtliche Planung kann sich eine Gemeinde daher unter Berufung auf die Planungshoheit wehren, wenn eine eigene hinreichend konkrete, nicht notwendig verbindliche Planung hierdurch gestört wird und diese Störung nachhaltig ist oder wesentliche Teile des Gemeindegebiets einer durchsetzbaren Planung der Gemeinde entzieht[46]. Dem Schutzbereich der kommunalen Selbstverwaltung ist als Teil der kommunalen Planungshoheit nicht etwa nur die Bauleitplanung zuzuordnen, sondern auch die Landschaftsplanung. Die Vorschriften über den Braunkohlenplan im Landesplanungsgesetz NRW genügen aber den an entsprechende normative Eingriffe (vgl dazu noch unten Rn 62) zu stellenden Anforderungen[47]. |
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dd) In dieser Auflistung (Rn 55 ff) nicht angesprochen, für die kommunale Eigenverantwortlichkeit aber ebenfalls von besonderem Gewicht, ist die gemeindliche Betätigung in der Daseinsvorsorge[48] und auf dem wirtschaftlichen Sektor. Bei dem auf Forsthoff[49] zurückgehenden Begriff der Daseinsvorsorge handelt es sich freilich um eine eher deskriptive, soziologisch grundierte Formel zur Beschreibung öffentlicher Leistungsverwaltung (s. auch Rn 195)[50], die nur geringe Konturenschärfe besitzt und darum auch als wenig tauglich zur trennscharfen Abgrenzung des kommunalen Betätigungsfeldes von privatwirtschaftlichen Aktionsbereichen erscheint.
Im Blick sind dabei zB Kommunikation, Verkehrsdienstleistungen, Gas-, Wasser- und Stromversorgung, Abfall- und Abwasserentsorgung, stationäre Krankenversorgung, Sparkassen (vgl Rn 330), Bildungs- und Kultureinrichtungen. Im Rahmen der gesetzlichen Neuordnung des Eisenbahnwesens bestimmt § 1 I des Gesetzes zur Regionalisierung des öffentlichen Personennahverkehrs[51] ausdrücklich: „Die Sicherstellung einer ausreichenden Bedienung der Bevölkerung mit Verkehrsleistungen im öffentlichen Personennahverkehr ist eine Aufgabe der Daseinsvorsorge.“ So denn auch § 1 I des Regionalisierungsgesetzes NRW[52], das in § 3 für die Planung, Organisation und Ausgestaltung des ÖPNV im Grundsatz die Kreise und kreisfreien Städte als Aufgabenträger bestimmt und dabei die Aufgabendurchführung im Wesentlichen als freiwillige Selbstverwaltungsaufgabe bezeichnet.
Schließlich hat das BVerfG die Wahrnehmung kommunaler Versorgungsfunktionen in öffentlich-rechtlicher Form bereits einmal als „wirtschaftliche Betätigung“ im weiteren