Название | Handbuch E-Learning |
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Автор произведения | Patricia Arnold |
Жанр | Документальная литература |
Серия | |
Издательство | Документальная литература |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783846349656 |
Bildung ist subjektives Ergebnis des Lernens
Durch reflexiv lernendes Handeln in Bildungsprozessen gleichen die Lernenden zunehmend ihre Kompetenzdifferenzen zu den Lehrenden und Fachexperten aus. Dies geschieht nicht in der Weise, dass sie zu einem Klon des Lehrenden werden, sondern dass sie ein eigenständiges Kompetenzprofil durch ihre begründeten Lernhandlungen herausbilden. Im Diskurs mit den Lehrenden, Lernenden, Experten und Nichtexperten werden die ausgetauschten Informationen erst zu Wissen im Subjekt umgearbeitet, indem die Lernenden den Informationen individuelle Bedeutungen zuschreiben. Wissen ist immer eine subjektive Leistung und nur im Subjekt existent als ein wesentliches Fundament seiner Kompetenzen. Daher kann das Wissen, das sich beispielsweise ein Lehrender im Laufe seiner Ausbildung und Tätigkeit erworben hat, niemals direkt, in Inhalt und Form gleich, auf einen Lernenden übertragen werden. Vielmehr muss er sein Wissen in Informationen und Handlungen transformieren, die für die Lernenden Anlass sein können, sich aus vorhandenen oder gewonnenen eigenen Begründungen heraus damit aktiv zu befassen, wenn es für sie daraus etwas zu lernen gibt. Erst dadurch wird ein Lerngegenstand als ein gemeinsamer konstituiert, und in der begründeten Auseinandersetzung damit erwirbt der Lernende – auch in mehr oder weniger intensiver Kommunikation und Kooperation mit anderen Lernenden – seine Lernfähigkeit und seine Kompetenzen. Lernen muss immer noch jeder selbst, und dies muss durch die medialen und personellen Arrangements ermöglicht und gefördert werden (Lerche 2009, 173–176).
Lernerfolg ist keine Frage des Behaltens der dargebotenen Informationen, sondern entscheidend ist, welche Kompetenzen durch selbst erarbeitetes Wissen herausgebildet werden konnten, und dies zeigt sich erst im weiteren Verlauf des Lernens oder in der späteren Arbeit, nicht in punktuellen Tests. Denn Wissen und Kompetenzen von Experten und Novizen unterscheiden sich nicht nur quantitativ, sondern aufgrund der mit dem Lernen zugleich stattfindenden Prozesse der „Wissenskompilierung“ auch qualitativ (Kerres 2001a, 163). Bildung als erworbenes Kompetenzprofil einer Person ist immer ein komplexes kompiliertes Ergebnis der Leistungen des Lehrens und der Leistungen des Lernens. Sie kann daher weder einfach gemessen noch verkauft oder gekauft werden wie ein gewöhnliches Produkt. Bildung als Qualität einer Person ist auf keinem Markt handelbar.
Bildung ist kein handelbares Produkt
Wenn interaktive Lernprogramme und virtuelle Bildungsangebote häufig als „Bildungsprodukte“ bezeichnet werden (wie z. B. von Bertelsmann Stiftung/Heinz Nixdorf Stiftung 2000, 14, 18, 27, 54 usw.), so wird Lehren und Lernen einfach identisch gesetzt und das Subjekt zum Objekt der lehrenden Modellierung gemacht. Genauso wenig macht es Sinn, in quantifizierender Redeweise wie bei industriellen Prozessen von „Lerneffektivität“ und „Nutzen-/Kosteneffizienz“ zu sprechen (ebd., 55) und diese am Behalten, bewertet in Noten oder Punkten, messen zu wollen. Wissen wiedergeben zu können ist kein brauchbarer Indikator für erworbene Kompetenz. Zwar lassen sich die Kosten von Bildungsprozessen berechnen, aber nicht ihre Wirksamkeit und ihr Nutzen, weil diese bzw. dieser sich erst im weiteren Lernen bzw. in der späteren Arbeit der Ausgebildeten, in ihrer Teilhabe an der gesellschaftlichen Lebensgestaltung und in ihrem lebenslangen Lernen offenbaren. „Wir müssen umdenken und begreifen, dass die Kosten von Bildung in Wahrheit Investitionen in unser aller Zukunft sind, an der wir ein existenzielles gesellschaftliches Interesse haben“ (Kluge 2003, 240; Zimmer/Psaralidis 2000).
Bildungsinhalte benötigen einen Kontext
In Hochschulen ist die Integration von Forschung und Lehre für die Aktualität der Studieninhalte und damit zur Erhaltung ihrer gesellschaftlichen Relevanz wichtig. Dies hat zur Konsequenz, dass die Studiengegenstände, die Ziele, Inhalte und Herangehensweisen nie abschließend bestimmt und festgelegt werden können. Daher kann keine Lehrveranstaltung der anderen gleichen, was die Voraussetzung für ihre Vereinheitlichung und mediale Objektivierung wäre. Mit den akkreditierten Studienmodulen in Bachelor- und Masterstudiengängen geschieht genau das Gegenteil. In der Bestandszeit von Studieninhalten gibt es bedeutsame Unterschiede. So kann es einerseits geschehen, dass eine junge Theorie schon bald durch eine noch jüngere Theorie ersetzt wird. Andererseits gibt es theoretische und wissenschaftliche Grundlagen von langer Dauer, wie z. B. die physikalischen Gesetze der technischen Mechanik. Diese könnten dazu verleiten anzunehmen, dass zumindest diese Grundlagen gut für virtuelle Studienmodule geeignet seien. Dabei wird jedoch übersehen, dass diese Grundlagen ihren Stellenwert im Studium erst aus ihrer Bedeutsamkeit für den im Diskurs immer wieder neu zu bestimmenden Studieninhalt erhalten. Das bedeutet, dass die jeweiligen Grundlagen nur bezogen auf den jeweiligen Studieninhalt vereinheitlicht werden können, also jeweils auch mit diesem aktualisiert werden müssen. Daher bietet auch die Standardisierung von kleinsten, noch sinnvollen Lerninhalten nicht immer eine angemessene Lösung. Dagegen sind das selbst organisierte Lernen, also das eigenständige Mitbestimmen und Mitbearbeiten eines Lerngegenstandes, und die Präsentation und gemeinsame Diskussion des Lernergebnisses zu fördern.
Modularisierung darf nicht zu stupidem Auswendiglernen führen
Auch die aktuelle, vor allem unter ökonomischen Prämissen geführte Diskussion um die Modularisierung des Studiums scheint in einer durchgehenden Vereinheitlichung aller Lerninhalte den besten Weg zu einem kürzeren und effektiveren Lernen zu sehen. Der Erwerb der Inhalte soll jeweils direkt am Ende eines Moduls geprüft und mit Punkten belohnt werden. Nicht bedacht wird dabei, dass eine solche Form von Modulen leicht zum Auswendiglernen von Antworten auf in immer gleicher Weise gestellte Fragen führt und so gerade die geforderte Kompetenzentwicklung für komplexe und sich verändernde berufliche Anforderungen behindert. Lebendigkeit und Aktualität des Lernens werden so gerade verhindert. Denn Kompetenzen und Expertenwissen entstehen erst in der reflektierenden und kompilierenden Auseinandersetzung mit allen Lerninhalten in Lern- oder Praxisgemeinschaften. Wenn Module dagegen als offene Lernabschnitte mit problembezogenen selbstständig zu erbringenden Leistungen verstanden werden, dann machen sie das Lernen nicht zu einem Prozess stupiden Nachvollziehens und Auswendiglernens, sondern geben ihm Lebendigkeit und können in der Tat zu einem engagierten und praxisorientierten Lernen beitragen. Gerade Online-Lernmodule verleiten zu einer Vereinheitlichung der Inhalte, statt die neuen Möglichkeiten von Computer und Internet für ein lebendiges Lehren und Lernen zu nutzen, wie in den folgenden Kapiteln gezeigt wird.
Verbesserung der traditionellen Fernlehre durch Virtualisierung
Auch an der Fernuniversität Hagen, die quasi als Hochschule für Berufstätige (ca. 80 % der Studierenden) eine Sonderstellung einnimmt, sind die gleichen konstituierenden Faktoren für Bildungsprozesse wirksam: Zum einen sind Berufstätige, darunter ein erheblicher Teil an Gasthörern und Zweithörern von anderen Universitäten, in berufliche Kommunikationen eingebunden, die auch für ihr Fernstudium bedeutsam sind. Zum anderen sollen „die Potenziale des Internets primär für die Intensivierung der Kommunikationsbeziehungen zwischen den Lernenden und der Hochschule genutzt werden“ (Uhl 2003, 65). Diese Intensivierung dient dazu, das bestehende Defizit in der unmittelbaren Kommunikation mit den Lehrenden, das bislang hilfsweise durch Mentoren in reduzierten Präsenzveranstaltungen in dezentralen Studienzentren etwas ausgeglichen wird, nunmehr zumindest über asynchrone Online-Kommunikation stärker in Gang zu setzen. Auch hier zeigt sich, welche Bedeutung dem Dialog bzw. dem Diskurs zwischen Lehrenden und Lernenden für den Studienerfolg zukommt.
Eine ähnliche Entwicklung zeigt sich beispielsweise in der beruflichen Weiterbildung. Hier werden seit einigen Jahren Ansätze des Blended Learning, also der Kombination von Präsenzveranstaltung und virtuellem Angebot, favorisiert, weil die reine mediengestützte Weiterbildung letztlich doch defizitär blieb. Mit Blended Learning findet eine Funktionsverschiebung der interaktiven Medien vom Ersatz der Lehrenden zu einem vermittelnden Medium der Lehrenden statt, das damit Teil des pädagogischen Diskurses zwischen Lehrenden und Lernenden wird (Kuhlmann/Sauter 2008). Diese Funktionsverschiebung