Название | Mords-Stünzel |
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Автор произведения | Wolfgang Breuer |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783961360222 |
Natürlich war der ‚Freak‘ nicht heimgegangen, wie Corinna gefordert hatte. Er war auf der Wache geblieben. Um eventuell über die drei Laaspher Bekannten von Kathrin etwas im Internet zu finden. Jetzt sprang er wie ein Irrer von seinem Bürostuhl auf, brüllte Flüche in den Raum und schmiss seinen kleinen ledernen ‚Wutball’ gegen die Wand. Immer wieder. Wie in Trance. Drum herum flogen Pokale von Regalbrettern und Urkunden lösten sich aus ihren Rahmen. Das Trümmerfeld war beträchtlich. Aber Sven bemerkte das alles nicht. Er war in diesem Moment im wahrsten Sinne des Wortes ‚außer sich’.
„Hey, Sven!“, rief Pattrick Born, der die Bürotür nur einen Spaltbreit aufgemacht hatte. „Sveeeeheeeen! Hör’ doch mal’n Moment auf damit. Bitte!“
Der ‚Freak‘ zuckte zusammen, folgte der Aufforderung und knetete jetzt den kleinen Ball. „Gehen wir das Schwein suchen, das sich da oben ausgetobt hat?“
„Du nicht. Aber wir“, kam’s von Pattrick zurück. „Du bist heute schon genug malträtiert worden. Halt mal den Ball nicht nur ’n bisschen flach, halt ihn lieber fest und räum’ am besten hier auf. Wenn Klaus gleich kommt, gibt’s sonst was zu hören. Da kannste einen drauf lassen.“
Der andere schaute ihn entsetzt an. „Klaus? Der hat doch noch Urlaub. Was will der denn heute hier?“
„Naja, hör mal“, Pattrick kam jetzt ganz in des ‚Freaks‘ ‚Laboratorium‘ hinein, „uns gehen die Leute aus. Und zwei Morde, mein Lieber, die stemmen wir nicht mit links. Ich habe ihn eben angerufen und über die Lage informiert. Da hat er sofort zugesagt zu kommen. Und das ist auch gut so. Weil Corinna da oben auf dem Stünzel am Rad dreht.“
„Wie kommste denn da drauf?“ Sven war ein ausgemachter Fan dieser Kollegin, nach der er sich eigentlich jeden Tag mal die Augen ausguckte. Aber das Mädel war ja nicht zu haben. „Corinna dreht am Rad. Wer hat das denn behauptet?“
„Sag’ ich nicht.“
„Jetzt komm, stell Dich nicht so an.“
„Nee, kann ich nicht.“
„Mann, jetzt mach’ mal Butter bei die Fische. Der Chef kommt aus dem Urlaub zum Dienst. Und ich darf den Grund nicht erfahren?“
„Okay. Aber behalt’s für Dich. Jürgen erzählte mir vorhin am Handy, dass die Kollegin ausgetickt wäre und ihn angeschissen hätte für nix und wieder nix. Und dann wäre sie eine Weile darauf wieder angekrochen gekommen, um sich zu entschuldigen. Sie sei manchmal einfach nicht teamfähig, habe sie eingestanden und wolle alle Entscheidungen für sich treffen.“
Der Andere begleitete diese Schilderungen mit Kopfschütteln, während er den einen oder anderen Pokal wieder vom Boden aufsammelte.
„Aber ich sag’ Dir Alter, halt bloß die Schnauze. Wenn Corinna nur ein Sterbenswörtchen davon erfährt, kriegen wir obersten Krach. Ich mag sie nämlich auch. … Jetzt nicht so auf die Art wie Du. Aber sehr.“
„Kein Thema“, antwortete der nachdenkliche Sven Lukas. „Aber was ist denn bloß los mit Corinna? Das gibt’s doch gar nicht, so was.“
Erst jetzt begriff der ‚Freak‘, was Pattrick ihm da eben mehr oder weniger ‚verbal subkutan’ untergejubelt hatte. „Was soll denn das bedeuten: ‚… nicht so auf die Art wie Du’?“
„Na, hör mal. Meinst Du, hier hätte noch niemand mitbekommen, wie sehr Du Corinna nicht nur als Kollegin, sondern auch als Frau verehrst? So blind kann man doch gar nicht sein, um das nicht mitzubekommen.“
Sven bekam rote Ohren.
„Is’ ja auch ’n Sahneschnittchen, unsere Oberkommissarin. Kann man nicht anders sagen“, legte Pattrick nach.
„Weiß ich alles. Aber komm jetzt, hör auf. Ich hab’ grad’ echt andere Probleme. Meine Sahneschnitte, um im Bild zu bleiben, ist nämlich tot. Und mit ihr ein Freund oder Bekannter, oder irgend so was.“
‚Wo hat er plötzlich diese Abgeklärtheit her? Noch vor fünf Minuten wären ihm die Tränen gelaufen, bei solch einer Schilderung’, sinnierte Pattrick Born.
„Wir werden den oder die Mörder finden. Das verspreche ich Dir, Sven. Und sie werden ihre Strafe bekommen.“
Vorne im Kripo-Büro klingelte das Telefon. Pattrick spurtete rüber und nahm ab. Es war der Kollege Jost Gmeiner aus Laasphe. „Ist die Kollegin Lauber über Dich zu erreichen? Auf ihrem Handy meldet sie sich jedenfalls nicht.“
„Nein. Leider nicht. Sie ist immer noch auf’m Stünzel. Dort haben sie mittlerweile einen weiteren Toten gefunden.“
„Wie denn? Auch Mord?“
„Sieht ganz so aus. Und wahrscheinlich auch einer aus der Clique um Kathrin Kögel, dem ersten Opfer.“
„Ach Du heilige Scheiße! Das darf doch alles nicht wahr sein! Was ist denn hier plötzlich los? Haben die Briten Jack the Ripper wieder auferstehen lassen und vorab schon mal als Brexit-Beilage auf’s Festland exportiert?“
„Kann ich Dir nicht sagen. Das Entsetzen ist ganz auf unserer Seite. Aber sag’ mal, habt Ihr denn irgendwelche Infos zu dieser Vivien?“
„Das ist ja der Grund, warum ich anrufe“, antwortete der Kollege Gmeiner. „Wir haben die Wohnung zwar gefunden und auch mit ihren Eltern gesprochen. Aber die Frau ist heute Nacht nicht nach Hause gekommen.“
„Und was ist mit ihren Bekannten?“
„Die sind den Eltern nicht bekannt. Sie wüssten auch nicht, wer darüber Auskunft geben könnte. Denn sie kennen das private Umfeld ihrer Tochter nicht, haben mit ihr selbst auch kaum noch Kontakt. Sie lebt einfach nur noch im Elternhaus, oben in einer Dachgeschosswohnung. Weil’s nix kostet.“
„Oh, armes Deutschland“, stöhnte Pattrick. „Die soziale Verarmung schreitet immer weiter fort. Und die Generationenkonflikte in den Familien tragen ihr Übriges dazu bei.“
„Da sagste was. Ich hätte die Wände hochsteigen können bei den Kommentaren der Eltern. Zwei ziemlich alte Leutchen, total verbittert und ohne irgendeine Form von Verständnis dafür, dass junge Leute ihr Leben ein wenig anders gestalten wollen. Anders jedenfalls, als sie selbst das aus ihrer Jugend in den Kriegsjahren gewohnt waren.
‚Wird sich schon irgendwo rumtreiben, die Vivien’, sagte die Mutter, ‚die kennt ja keine Pflichten. Außer in ihrem Studium. Wir zählen da nichts mehr. Unser ganzes Leben haben wir uns krummgelegt. Damit’s unseren Kindern mal gut geht. Und wie danken sie uns das? Die beiden Großen sind schon längst ausgezogen und lassen nichts mehr von sich hören. Nichts, gar nichts. Und Vivien macht daheim was sie will. Nur nichts für uns. Und mit uns schon mal gar nicht. Höchstens mal zum Einkaufen fahren oder mal zum Arzt.’
Das war schon sehr eigentümlich dort. Die haben nicht einmal wissen wollen, warum sich die Polizei für ihre Tochter interessiert. Da haben wir auf jede weitere Frage verzichtet und sind ganz schnell wieder verschwunden.“
„Wäre ich auch“, pflichtete Born dem Laaspher Kollegen bei. „Ich würde Euch aber bitten, da heute Abend noch mal vorzusprechen. Wir müssen die Tochter finden. Unter allen Umständen. Wir müssen nur ein Lebenszeichen von ihr haben und von ihr wissen, was sich in der vergangenen Nacht abgespielt hat.“
„Alles klar“, wollte sich Gmeiner schon verabschieden. „Ich sehe zu, dass die Leute vom Spätdienst heute da noch mal vorbeifahren und klingeln. Mehr können wir ja wohl nicht machen. Oder?!“
„Mir fällt im Moment nichts ein, nee. Ach so, doch. Lass’ bitte eben noch die Adresse und den Nachnamen von Vivien da.“
„Klar. Haste was zu schreiben? … Also, Vivien Schreiber, Hubertusweg 14.“
„Und irgendwelche Erreichbarkeiten gibt’s wohl nicht. Handy oder so?“
„Wussten die Eltern nicht. Sie hätten sich die Nummer irgendwo aufgeschrieben, aber schon neulich