Название | Mords-Stünzel |
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Автор произведения | Wolfgang Breuer |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783961360222 |
Doch die Kollegin ließ sich Zeit mit der Befragung. Vorher beauftragte sie Rüdiger Mertz noch damit, per POLAS, dem Polizeiauskunftssystem, und in anderen Datenbanken Recherchen in Sachen der Getöteten anzustellen. Besonders, ob sie in irgendeiner Form wegen Drogenkonsums und einschlägiger Delikte aktenkundig geworden war. Darüber hinaus natürlich Feststellung ihres Wohnortes, ihrer Familienangehörigen et cetera.
„Wäre eigentlich jetzt Aufgabe des ‚Freaks‘“, sinnierte Mertz. „Aber das geht natürlich überhaupt nicht. Arme Sau, der Kollege.“ Dann marschierte er zum Dienst-Bulli, der im hinteren Bereich alle möglichen Apparaturen wie Telefon, Laptop, Internetanschluss usw. beherbergte.
Corinna wandte sich an Jürgen Winter und ließ sich von ihm noch einmal den Totenschein zeigen, den der Notarzt ausgestellt hatte. ‚Todesursache: Vermutlich Äußere Gewalteinwirkung, Fraktur des Os hyoideum wahrscheinlich’ las sie dort. Und dann kontrollierte sie die Einstichstellen am linken Arm der jungen Frau. Tatsächlich konnte man erkennen, dass eine von ihnen jüngerer Natur sein musste. An den Kehlkopf der Toten aber traute sie sich nicht heran.
„Wie intensiv hat er sie denn untersucht?“, wollte Corinna von Jürgen wissen.
„Naja, schon ziemlich. Okay, ausgezogen hat er sie nicht. Ich glaube, das hat sich für ihn erübrigt, nachdem er die Fixermerkmale ohne das dazugehörige Besteck und das mit dem Zungenbein entdeckte.“
„Natürlich. Das spricht alles für sich. Und die genauere Ermittlung der Todesursache ist jetzt ohnehin Aufgabe von Doc Kölblin und seinen Leichenfledderern. Ich wollte nur sicher gehen, dass der Notarzt seine Arbeit auch gründlich gemacht hat.“
„Das hat er ohne Zweifel“, beurteilte Doktor Kölblin persönlich die Auswertungen des Mannes vom Rettungsdienst in Bad Berleburg. Der Chef der Rechtsmedizin war ebenfalls Opfer der Sonntagsdienst-Regelung und verdammt schnell mit seiner Truppe am Ort des Geschehens aufgeschlagen.
„Es ist erstaunlich. Man erkennt keine Einblutung im Bereich des Kehlkopfs. Aber das Zungenbein ist eindeutig kaputt. Das junge Ding ist aller Wahrscheinlichkeit nach erwürgt worden. Gratulation an den Kollegen, der das bei seiner groben Leichenschau erkannt hat.“
Die umherstehenden Polizisten mussten schlucken. Tatsächlich Mord. Verdammte Sauerei!
Der Sonntagvormittag verging mit Personenbefragungen und mit einer Tatort-Nachsuche, die genauso kompliziert, wie am Ende ineffektiv war. Weil sich im Wald- und Wiesengelände hinter der abgeräumten Budenstadt der ursprüngliche Standort des Gespanns von Winfried Stremmel nicht mehr einwandfrei feststellen ließ. Zu tief und zu zertreten waren die Fahrspuren. Und Winnie konnte sich auch nicht mehr auf den Meter genau daran erinnern. Weil ihm jetzt die abgebauten Buden als Referenzpunkte fehlten. Sechs Uniformierte waren eigens nachgefordert worden. Aber so intensiv die Polizisten auch suchten. Es fand sich nichts Relevantes. Schon gar keine Spritzen oder dergleichen. Nur Müll und jede Menge ganzer und noch mehr zerballerter Biergläser.
Und letztere bekam Corinna schmerzvoll zu spüren. Sie hatte sich nämlich einen Glasboden durch die Sohle ihrer dünnen Sommerlatschen getreten und einen ordentlichen Schnitt im Fuß davongetragen. Zum Glück waren noch die Pathologen vor Ort, die, wenngleich eigentlich für Leichen zuständig, ihren Fuß gleich zu zweit kunstvoll verarzteten. Damit war fast alles wieder gut. Was blieb, war eine hinkende Ermittlerin.
Auch Mertz war mit seinen Recherchen zur Person nicht sonderlich erfolgreich. Denn Kathrin Kögel fand sich weder im Sündenregister der Polizei, noch in der Flensburg-Kartei wieder. Sie hatte eine blütenweiße Weste, eine Wohnung in der Sebastian-Kneipp-Straße 24 in Bad Laasphe und offenbar keine Angehörigen mehr. Seit dem Herbstsemester 2013 war sie an der Uni Siegen im Fach Wirtschaftsinformatik eingeschrieben.
Auffällig war jedoch, dass es bei der Leiche weder eine Handtasche mit Papieren, noch sonst irgend etwas Verwertbares zur Kontrolle der Personalien gegeben hatte. Nichts. Die Frau in hellen, modisch „angeknabberten“ Jeans, roten Sneakers und einer dunkelblauen Tunikabluse mit Dreiviertelarm hatte nichts dabei. Keinen Personalausweis, keinen Führerschein, nicht mal ein Papiertaschentuch in den Hosentaschen.
„Da hat jemand gründlich aufgeräumt“, war Steffen Siebert von der Spurensicherung schon wenige Minuten nach seinem Eintreffen überzeugt.
Denn nach Sven Lukas’ Schilderungen hatte die Studentin sehr wohl eine Tasche dabeigehabt. Eine Umhängetasche, die mit allem möglichen voll gestopft war. Immer wieder habe Kathrin den ganzen Sermon vor sich auf den Biertisch gekippt, „wenn mal wieder das Smartphone klingelte. Da kamen zig Anrufe zu ihrem Geburtstag“, erinnerte er sich mit roten Augen. „So ’ne Art ‚Shopper’ war das, in Hellgrau. Und die Tasche hatte ’nen Aufdruck. Wartet mal … Ich glaub’, ‚I love Uni Siegen’ stand drauf. Genau, das war’s. ‚I love Uni Siegen’.“
Der arme ‚Freak’ saß auch noch nach einer Stunde im ‚Verhör-Bulli’. Ihm gegenüber Corinna Lauber, die wirklich alles, jede Kleinigkeit, über den Tag mit der jungen Frau wissen wollte. Und Pattrick Born, der ebenfalls zu dem Fall hinzugezogen worden war. ‚Kein Detail auslassen’ musste ihre Devise sein. Denn es wäre der Teufel los, wenn man ihnen nachweisen könnte, dass sie bei der Vernehmung eines Kollegen in einem Mordfall nicht die rechte Sorgfalt hatten walten lassen.
„Könnte ohnehin passieren, dass sie Dir noch Kollegen aus einer anderen Direktion auf den Hals schicken. Der ‚inneren Hygiene’ wegen“, informierte Born den Kollegen. „Man will damit ausschließen, dass es zu Mauscheleien unter Kollegen kommt, die sich gut kennen.“ Sven kannte diese Verfahrensweise.
„Der liebe Gott bewahre mich davor. Ich hab’ doch nix gemacht. Ich hab’ nur eine tolle Frau kennengelernt und mich Hals über Kopf in sie verliebt. Mehr nicht. Das ist noch keine 24 Stunden her. Und jetzt ist sie tot, verdammte Scheiße. Wer glaubt denn, dass ich so was mache?“
Verstohlen aktivierte Sven das Foto-Archiv auf seinem Smartphone und suchte ein Bild heraus. „Hier, seht Euch das an. Das war etwa fünf Minuten, bevor ich nach Hause gefahren bin.“ Es war ein Selfie, das die beiden lächelnd Wange an Wange zeigte. Sie sahen happy aus. Glückliche Gesichter vor dem Hintergrund eines nur noch recht schütter besuchten Bierzelts.
„Wann war das?“, wollte Corinna wissen.
„Na, gestern Abend. Sag’ ich doch.“
„Nein, um wie viel Uhr? Wie spät es war, will ich wissen.“
Sven schaute in die Kopfleiste des Fotos. „Hier, kannste selbst ablesen. 20.58 Uhr.“
Corinna glaubte ihm zwar, kontrollierte aber sicherheitshalber noch mal die Angaben des Kollegen. „Warum bist Du denn so früh weg, wenn Du Dich so unheimlich verknallt hast?“
Sven Lukas lief rot an. „Das ist es ja, was mich so anfrisst, Himmelherrgott! Weil ich Sonntagsdienst habe. Ich hatte meinen Wagen ganz vorne, vor Stünzel, da in der Nähe des Denkmals geparkt. Das ist ’ne ganz schöne Latscherei bis dahin. Vor allem, wenn man unterwegs zig Bierleichen übersteigen oder umlaufen muss. Und für den Fall der Fälle, hatte ich mir vorgenommen, spätestens um elf, also um 23 Uhr zu Hause zu sein. Kathrin wollte partout noch eine Weile bleiben und dann mit Bekannten zusammen nach Laasphe laufen. Hier oben durch den Wald. ‚Machen wir immer so’, hat sie mir gesagt. Wir wollten uns morgen Abend wieder zusammentelefonieren.“
„Hast Du die Bekannten irgendwo gesehen? Gab’s die dort überhaupt?“
„Natürlich“, kam es messerscharf von Sven Lukas zurück. „Für wie blöde hältst Du mich denn eigentlich?“
„Hey, hey“, fuhr Born dazwischen, „jetzt iss’ aber gut hier. Wie redest Du denn mit Deiner Kollegin?“
„Nix is’ gut!“, trumpfte der ‚Freak‘ auf. „Glaubt Ihr etwa, ich würde eine Frau, in die ich mich gerade unsterblich verliebt