Название | Mords-Stünzel |
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Автор произведения | Wolfgang Breuer |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783961360222 |
„Hin- und herkarren ist stark übertrieben. Das waren beim Rangieren höchstens mal 15 Meter. Die Gründe hat er Dir genannt. Und außerdem saß die Dame ja nicht auf seinem Rücksitz im PKW. Sie lag im Anhänger.
„Und trotzdem!“, fuhr sie Winter an. So, als wollte sie sagen: ‚Wer führt denn hier die Ermittlungen? Du oder ich?’ „War doch in Ordnung, ihm ein wenig auf den Zahn zu fühlen. Verdächtig ist nun mal verdächtig“, glimmte sie nach.
Jürgen schaute konsterniert drein. „Aber wieso ist der Mann denn verdächtig? Weil er uns gemeldet hat, dass in seinem Pferdeanhänger eine tote Frau liegt? Wenn er der Täter wäre, hätte er mit dem Leichnam längst abhauen können. Kein Hahn hätte nach dem Mädel gekräht, das er längst irgendwo hätte einbuddeln können, bevor es überhaupt vermisst gemeldet worden wäre.“
Keine Reaktion mehr von der Kollegin. Er sah nur ihre Halsschlagadern immer weiter hervortreten. ‚Au weia, das kann heiter werden’, dachte er sich.
„In Ordnung Herr Stremmel, Sie können dann nach Hause fahren. Danke“, hatte sie noch knapp nachgelegt und dann abgedreht.
„Vielen Dank, dass Sie sich so viel Zeit genommen haben und sorry, dass Sie warten mussten“, schob Jürgen Winter hinterher. „Machen Sie’s gut.“ Er reichte Winnie die Hand und ging dann auch zum Mondeo rüber, in dem die Kollegin gerade mit hochrotem Kopf Platz genommen hatte.
„Was ist los? Wolltest Du mir die Schau stehlen? Oder was sollte das jetzt?“, empfing sie ihn spitz.
„Was sollte WAS jetzt?“
„Na, die große Verabschiedung mit Entschuldigung und so.“
„Äääh …, verstehe ich jetzt nicht. Ein wenig Höflichkeit schadet doch wirklich nicht. Uns, der Polizei, schon mal gar nicht.“ Winter war angefressen. Was war bloß los mit dieser Kollegin, fragte er sich, während er sich setzte und anschnallte.
„Und Du entscheidest, was und wer höflich ist? Ja?! Du sagst mir, wie ich mich zu verhalten habe. Das ist ja stark. Danke für die Belehrung, Herr Polizeikommissar.“
„Gerne, Frau Kollegin. Kannst ab sofort alles selbst entscheiden. Auf mich wirst Du verzichten müssen. Ich habe nämlich keine Lust, in brennender Luft zu arbeiten.“ Stinksauer stieg Jürgen Winter wieder aus und knallte die Beifahrertür von Corinnas Wagen zu.
Drinnen tobt eine Furie, hatte er den Eindruck. So war ihm die Kollegin noch nie begegnet. Was sie da drinnen schrie und warum sie ständig mit dem Finger auf ihn zeigte, wurde ihm nicht klar. Schließlich startete sie mit wutverzerrtem Gesicht ihren Mondeo und ließ ihn mit einem Riesensatz nach vorne anfahren. Dann raste sie los, dass die Steine auf dem Weg nur so spritzten. In Nullkommanix war sie um die nächste Wegbiegung verschwunden.
„Na klasse!“, brüllte Winter in den Wald hinein. „Das haben wir ja prima hingekriegt!“ Wie ein kleiner Junge, allerdings mit wesentlich mehr Schmackes, schoss er Steine auf dem Weg vor sich her, während er sich langsam per pedes in Richtung des Dorfes aufmachte. Was sollte er jetzt machen? Fußstreife laufen bis Berleburg, oder was? Er war nämlich ohne Auto. Er hatte vor einiger Zeit zwei Kollegen losgeschickt, um bei einem Frühschoppen zu schlichten. War per Funk gekommen.
„Suuuuuper gemacht, du Pfeife!“, schalt er sich. „Sieht gewiss klasse für die Leute aus, wenn ich so in Uniform durch die Gegend latsche. Das suggeriert Sicherheit.“
Er war gerade am Rand des Festplatzes an einer Dreiwegegabelung vorbei gekommen, da hörte er, wie ihm ein Wagen entgegen kam. Mit Vollgas. Dem Motorengeräusch nach konnte das nur Corinna sein. Der wollte er jetzt nicht noch mal begegnen. Daher verschwand er nach links hinter einer Art hoher Hecke in einem kleinen Wiesengelände und stolperte derart, dass es ihn fast hingehauen hätte. Zum Glück konnte er sich an einem Ast festhalten und durch das Gesträuch nach draußen Ausschau halten. Der Wagen war jetzt bedeutend langsamer und blieb fast stehen. Und dann konnte er sie sehen. Corinna, die mit verheulten Augen aus dem offenen Beifahrerfenster schaute und rief: „Ich habe gehört, hier rennen versprengte Polizisten herum, die nicht heim kommen!“
‚Das sollte jetzt wohl lustig sein’, dachte Winter. ‚Klang es aber nicht.’ Was sollte denn dieser Blödsinn? War die Frau nun total übergeschnappt? Er rührte sich nicht und blieb mucksmäuschenstill.
„Nun komm, Jürgen, mach’s mir nicht so schwer“, schniefte sie. „Ich will mich entschuldigen.“ Wieder Schniefen. „Ich hab’ Mist gebaut, großen Mist. Tut mir leid.“
Er rührte sich nicht. ‚Nix da. Jetzt sollst Du braten, Du Miststück.’
„Jürgen, bitte, komm da raus. Ich hab’ Dich doch um die Ecke verschwinden sehen. Ich will mich in aller Form bei Dir entschuldigen. Das war Riesenbockmist, den ich da gebaut habe. Ich glaub’, das geht mir immer so, wenn ich einen Fall mit einem Toten habe. ‚Mein Fall’, überkommt es mich dann immer. ‚Da rührt mir keiner drin rum. Da hab’ nur ich zu sagen.’ Das ist irgendwie …, ich kann’s nicht erklären. Das …, das ist irgendwie manisch.“
„Da wirst Du noch reichlich dazu … lernen müssen“, wollte er noch sagen. Aber da lag er schon auf dem Bauch. Denn als er mit Schwung hinter der Hecke vor und um die Ecke wollte, war er wieder an etwas hängen geblieben, das da am Boden lag. „Scheißast!“, motzte er, als er wieder aufstand und das Teil in der Hand hielt. Doch beim näheren Hinsehen bemerkte er, dass unter dem belaubten Ast noch etwas lag. Sah aus wie ein Männerbein in Jeans und Sportschuhen.
„Hallo!“, rief er, während er weitere Äste von dem Mann herunterzog, „meinen Sie nicht auch, dass es sich daheim zig Mal besser schlafen lässt?“ Doch der Angesprochene konnte ihn nicht mehr hören. Sein Schädel war zerschmettert, sein Mund stand weit offen und war mit Blut gefüllt. Auch aus Nase und Ohren quoll es heraus.
„Scheiße!“, brüllte Jürgen Winter. „Scheiße, Scheiße, Scheiße! Corinna, komm’ her! Ganz schnell! Komm bitte, komm’, komm’, komm’!“ Sein Geschrei hatte etwas Panisches und versetzte die Kollegin in pures Entsetzen. Schnell sprang sie aus dem Wagen, kam herum und stand, die rechte Hand auf der Waffe am Gürtel, direkt vor der aufgedeckten Männerleiche.
Corinna Lauber brachte keinen Ton heraus, schüttelte nur den Kopf. Fassungslos stierte sie auf den Toten. Zunächst unfähig, irgendetwas zu sagen. Aber dann fing sie sich und verstieg sich in ganz eigentümliche Formulierungen: „Wer, um alles in der Welt, tobt sich denn hier auf diesem wunderschönen Fleckchen Erde in so widerwärtiger Weise aus? Warum bringt er denn auf einem so tollen Fest wahllos Menschen um?“
Jürgen war traurig und wütend. Kleine Spuckefetzen flogen durch die Luft, als er rief: „Diese miese Kreatur kriegen wir, verdammt noch mal! Das schwör’ ich Dir!“
Als sie wieder halbwegs klar denken konnte, war die Kollegin zum Wagen rübergelaufen und hatte per Funk alle notwendigen Dienststellen über den neuerlichen Leichenfund informiert. Spurensicherung, Rechtsmedizin und natürlich alle verfügbaren Kräfte aus Berleburg. „Und bitte, lasst jemanden ein paar Pizzas und was zu trinken mitbringen. Das wird Überstunden geben hier.“
Kurz darauf stand sie wieder neben Jürgen Winter, vor der Leiche. Sie hatte ihr Smartphone in der Hand.
„Das ist kein schönes Souvenier“, schaltete sich Jürgen ein. „Lass doch die SpuSi die Fotos machen. Die haben sowieso immer die besseren Bilder.“
„Ich will gar net fotografieren“, wehrte sie sich. „Ich will Svens Fotos von den Bekannten mit unserem Mann vergleichen. Ich habe nämlich einen bösen Verdacht.“ Und dann riss sie die Augen auf und rief: „Tatsächlich! Hier, guck, das ist der Junge, der von vorne gesehen links von der Kathrin gesessen hat. Den erkennt man sofort. Obwohl sein Gesicht so entstellt ist. Außerdem hat er dieselben Klamotten an.“
Corinna stierte auf das Smartphone.
„Nicht zu fassen, einfach nicht zu fassen“, wiederholte sich der Kommissar ständig, während er wie ein Löwe in dem von Hecken umgebenen