Название | Mords-Stünzel |
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Автор произведения | Wolfgang Breuer |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783961360222 |
Die Lauber setzte sich in ihren Wagen und machte per Mobilfunk Kontakt mit der Polizeiwache in Laasphe. In kurzen Zügen legte sie dem Kollegen auf der anderen Seite ihr Problem dar. Natürlich hatte der längst vom Mord auf dem Stünzel gehört und war sofort elektrisiert, als Corinna ihn bat, eventuell ein paar Kollegen loszuschicken, die nach einer ‚Vivien im Hubertusweg’ suchen sollten.
„Kollegin, dafür werden wir nicht viele Leute brauchen. Wenn die Wohnstraße stimmt, dann haben wir die Frau schnell gefunden. Der Hubertusweg ist nur eine ganz kurze Querstraße mit wenigen Häusern. Verläuft ‚Zwischen Landwehr’ und ‚Puderbacher Weg’. Ich denke, das hat ein Team in Kürze abgeklopft. Wobei, Du weißt ja, Hausbesuche durch die Polizei sind, besonders an Sonntagen, ungefähr so beliebt wie der berühmte Pickel am Hintern. Aber wir machen das natürlich. So schnell wie möglich.“
Corinna lachte kurz auf, ob des Vergleichs. „Prima, danke Euch. Sagt Ihr bitte Bescheid, ob Ihr fündig geworden seid. Wir würden gerne mit der jungen Frau reden. Sagt Ihr aber bitte noch nichts von dem Mord. Okay!?“
„Selbstverständlich“, beendete Polizeikommissar Jost Gmeiner das Gespräch.
„So, Kollegen, passt bitte auf. Du, Sven, fährst bitte mit Pattrick Born zur Wache und nimmst dann für den Rest des Tages frei. Du musst erstmal zur Ruhe kommen. Schick mir bloß bitte vorher die Fotos von gestern auf mein Smartphone. Damit wir Vergleichsbilder haben.
Und Du, Pattrick, hältst bitte die Stellung in Berleburg und sichtest schon mal, soweit vorhanden, die Personenbefragungen. Okay?“
„Geht klar, natürlich“, antwortete Pattrick, der schon mal die Wagenschlüssel aus der Tasche gepult und sich mit Blick in die Sonne an seinen Wagen gelehnt hatte. „Und was habt Ihr vor? Fahrt Ihr gleich nach Laasphe?“
„Werden wir, sobald wir mit dem Besitzer des Pferdeanhängers gesprochen haben. Der Mann sitzt noch immer da vorne in seinem Auto und weiß nicht so recht, was er machen soll.“
„Alles klar. Dann dampfen wir mal ab. Ciao“, rief Born den beiden Kollegen zu und bedeutete Sven einzusteigen. ‚Der Junge ist ganz schön fertig’, dachte er, als auch er in seinen Sitz gerutscht war. ‚Hoffentlich verkraftet er den Dienst, wenn ständig über den Tod seiner frischen Liebe geredet wird. Vielleicht wären ein paar Tage Urlaub besser für ihn.’ Aber das konnte er natürlich nur vorschlagen. Entscheiden müsste das der Kripo-Chef, Klaus Klaiser, wenn der am Montag aus seinem Kurzurlaub zurückkommen würde. Und so verbot er es sich auch, gegenüber Sven eine solche Möglichkeit anzusprechen.
Sie fuhren raus aus dem Laubwald mit seiner ganzen Pracht der frischen Tausend Grüntöne, auf die schmale Straße hinüber zum Ort und rauf auf die Höhe, von der aus man das halbe Wittgensteiner Land überblicken konnte. ‚Was für ein geiles Panorama’, dachte er für einen Moment. Und dann ging es schon wieder runter in diese lange Linkskurve, die schon Abschleppunternehmer an manchen Wintertagen dazu gebracht haben soll, hier abwartend auf der Lauer zu liegen.
Links im Hang blühte der Ginster in herrlichem Gelb. Und unterhalb der Kurve lagen schwarz-bunte Kühe wiederkäuend in der Sonne. Doch für all das hatte der Kollege auf dem Beifahrersitz keinen Kopf. Er schaute nur immer geradeaus. Mit rot geränderten Augen und leerem Blick. Pattrick hätte wer weiß was dafür gegeben, wenn er ihn mit irgendetwas hätte aufmuntern können. Aber es fiel ihm partout nichts ein. An der Kreuzung mit der B 480 Leimstruth – Bad Berleburg bogen sie rechts ab.
Geradeaus hinter dem Baldenberg, im nur wenige Hundert Meter entfernten Rinthe, hatte die Nachricht vom Tod der Studentin auf ‚Kienhewersch Winnie sei’m Hänger’ Entsetzen ausgelöst. „Das gibt’s doch gar net“, war Helmut Dreisbachs schockierter Kommentar, als sein Nachbar sich bei ihm per Handy meldete. Winnie hatte in der langen Wartezeit auf dem Stünzel schon mal moralische Unterstützung in der Heimat gesucht und sich bei „Mannes“ nebenan gemeldet, um Bescheid zu geben, dass es wohl mit dem gemeinsamen Nachmittag mit Helmut und Ulla nichts werden würde. Aus besagtem Grund.
Helmut wollte nicht begreifen, dass es auf ‚seinem’ geliebten Stünzel ein solches Verbrechen geben konnte. Jahrelang war er als Vorsitzender des Landwirtschaftlichen Kreisvereins maßgeblich verantwortlich für dieses Großereignis gewesen, das in diesem Jahr zum 184. Mal stattgefunden hatte. Niemals hatte es dort ein schwereres Vergehen gegeben, geschweige denn ein Verbrechen. Der letzte Mord, vielleicht war es sogar der erste, der je hier oben stattgefunden hatte, geschah vor fast 340 Jahren. Am 3. März 1678 war das. Zumindest besagte das der ‚Mordstein’ am Rande des Dorfes, das es zu dieser Zeit offiziell noch gar nicht gab.
Und jetzt das! Und ausgerechnet Winfried Stremmel musste das widerfahren. Dem Mann, dem der Krebs vor vier Jahren seine geliebte Frau Brigitte hinweggerafft hatte. Sie hatte ihr Schicksal klaglos ertragen und ihn ermutigt, sein Leben zu leben. Doch für Winnie war eine Welt zusammengebrochen.
Mehr als zwei Jahre hatte er sich förmlich eingegraben, seinen Job aufgegeben und sich nur noch auf seinem Hof und in dessen engerer Umgebung bewegt. Ein Eigenbrötler, wie er im Buche stand. Und der nur noch eines liebte: seine Pferde.
In unendlich mühseliger nachbarschaftlicher Freundschaftsarbeit war es Ulla und Helmut gelungen, ihn wieder aufzurichten. Und ihn davon zu überzeugen, dass das Leben mehr zu bieten hat als Trauer und Abgeschiedenheit. So hatte sich Winnie langsam erholt und wieder Mut gefasst. Und nur so war es möglich, dass er jetzt auch wieder ‚raus’ ging. Auf Feste zum Beispiel. Und zum Stünzel, wo er seinen schönsten Wallach hatte auf der Tierschau prämiieren lassen. Und wo er das tolle Tier letztlich auch verkauft hatte.
„Noch immer en bisselchen mit weichen Knien“ hatte er seinen Zustand beschrieben, als Corinna und Jürgen zu ihm gekommen und ihn um ein paar Antworten gebeten hatten. „Das muss ma doch auch erst ma kapieren. Wenn ma de Hängatür aufmacht un da ’ne Tote findet. Ich dacht’, mich trifft da Schlag.“
Obwohl er das heute schon mehrfach machen musste, zeigte Winnie Stremmel auch Corinna, wie und wo er die Tote gefunden und was er dann getan hatte.
Lauber war sehr daran interessiert, warum er die Frau denn nicht schon am Morgen gefunden hätte, bevor er den Wagen im Dreck festgefahren habe.
„Ja, wie denn?“
„Sie hätten doch nur mal in den Hänger schauen müssen.“
„Ha, Sie sin’ gut. Wofür denn? Ich wusste doch, dass es da drin nix zu holen gibt. Der Luego war doch verkauft.“
„Ja, aber Sie wussten, dass die Seitentür unverschlossen ist.“
„Ach so. Un dann hätte ich nachgucken müssen, ob da net ne Tote drin licht, oder was? So was macht doch keina. … Normalerweise.“
„Nein, natürlich nicht, um nach einer Leiche zu schauen. Aber Sie hätten immerhin nachsehen können, ob alles in Ordnung ist.“
„Mag sein, dass Se Recht haben. Awwa wissen Se, ich schließ’ die Seitentür von dem Hänga nie ab, wenn nix drin is. Damit mir keina das Schloss knackt, falls er da drin was Klaubares sucht.“
„Und wenn da drin einer ein Schäferstündchen hätte halten wollen?“, hatte Corinna Lauber noch gefragt.
Dann wären die zwei nicht lange da drin geblieben und am Morgen mit Sicherheit nicht mehr da gewesen. Bei den Pferdeäpfeln. „Das hält ma so ohne weiteres nämlich net aus. Auch Pferdedung hat ein ganz besonderes Aroma.“ Mittlerweile grinste Winnie sogar. Er hatte seine Souveränität zurückgewonnen. Zum Glück. Weil er sich schon fast ein wenig schuldig vorgekommen war in dieser Sache.
Aber Corinna nahm ihm diese Zuversicht wieder. Weil sie ihm unverhohlen zu verstehen gab, dass ihr das alles zu obskur vorkomme.
„Vergiss es“, flüsterte Jürgen Corinna ins Ohr. „Der Mann ist nie und immer der, den wir suchen. Er hat vor Jahren den qualvollen Tod seiner Frau miterlebt. Niemals würde der jemanden umbringen.“
„Jaaa, jaaa, ist ja schon guuut“, motzte sie genervt zurück und ging mit ihm etwas beiseite, weg von Stremmel. „Ist mir eigentlich