Seewölfe Paket 27. Roy Palmer

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Название Seewölfe Paket 27
Автор произведения Roy Palmer
Жанр Языкознание
Серия Seewölfe - Piraten der Weltmeere
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783954399956



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Kutscher musterte ihn kühl und sagte: „Du hast ja ’n Hai verschluckt, Mister Carberry. Das sind waschechte Badjao, keine Mischlinge. Schau dir ihren Gesichtsschnitt und die hellbraune Haut an.“

      „Hä? Und die blonden Haare?“

      „Ausgebleicht von Sonne und Salzwasser, Mann“, erwiderte der Kutscher. „Diese Jungen toben wahrscheinlich den lieben langen Tag im Wasser herum. Bei den Männern sehe ich strohgeflochtene Hüte, und die Frauen werden kaum den ganzen Tag in der prallen Sonne sitzen. Alles klar, Mister Carberry?“

      Der Profos schnitt ein langes Gesicht. Und er hätte so gerne beim Wikinger den Moralapostel gespielt.

      „Du verdirbst einem den ganzen Spaß mit deiner Klugscheißerei“, maulte er.

      Der Kutscher warf ihm nur einen vernichtenden Blick zu, wandte sich zu Hasard und fragte: „Soll ich mich um die Verletzten kümmern, Sir?“

      „Darum möchte ich bitten. Aber ich weiß nicht so recht, wie wir das ihnen erklären sollen. Vielleicht lehnen sie eine Wundbehandlung ab.“

      Er ging mit dem Kutscher zu Igna, dem Alten, und deutete auf dessen Stichwunde in der Schulter. Gestenreich versuchte er Igna zu erklären, daß sich der Kutscher die Wunde ansehen wolle.

      Igna begriff und nickte.

      Der Kutscher betrachtete die Wunde aus der Nähe und sagte zu Hasard: „Ich stelle mir die Sache so vor: Die Kerle sind an die Hütten geschwommen, haben die Plattformen geentert und gewütet. Die Leute wurden ins Wasser gestoßen, zum Teil verletzt. Aber das hatte sein Gutes – die Wunden wurden vom Salzwasser ausgespült. An dieser Messerstichwunde ist das zu sehen. Sie ist völlig sauber und bereits verschorft, keine Entzündung, alles bestens.“

      „Ob du ihm einen Verband anlegst?“

      „Nicht nötig, Sir. Er kennt so etwas nicht, und der Verband würde ihn nur behindern.“

      „Wahrscheinlich hast du recht.“ Hasard nickte. „Aber schau dir auch noch die anderen an.“

      Das tat der Kutscher, und er fand nur eine ältere Frau, die einen tiefen Messerschnitt in der Hüfte hatte, eine üble Wunde, die auch unsauber war. Offenbar war die Frau durch den Sand gekrochen, der sich dabei in die Wunde gesetzt hatte. Die Wunden der anderen Verletzten waren so sauber wie bei Igna und ebenfalls bereits gut verschorft.

      Der Kutscher säuberte behutsam die Messerwunde, bestrich sie mit einer kühlenden Wundsalbe und legte einen Verband an. Die Frau zuckte mit keiner Wimper, aber sie schaute ihn dankbar an.

      Der Kutscher nickte ihr lächelnd zu und kehrte zu Hasard zurück. Da war sein Gesicht wieder ernst.

      Er sagte: „Mir ist etwas aufgefallen, Sir.“

      „Und was?“

      „Hier sind Jungen, junge Männer, Männer in den besten Jahren und alte Männer. Gleiches gilt für die Frauen – mit einer Ausnahme: Ich habe nicht eine einzige junge Frau entdeckt.“

      Hasard spürte ein Frösteln, das ihm über den Rücken lief. Er schaute zu den aufgereihten Toten. Nein, dort entdeckte er auch keine junge Frau.

      „Du meinst …“, sagte er und sprach nicht weiter.

      „Aye, Sir, genau das meine ich“, sagte der Kutscher hart. „Diese Strolche haben die Mädchen und jungen Frauen geraubt.“

      Was hatte Capitán de Figuiera gesagt, als sie bei ihm in der Kommandantur saßen? Er hatte gesagt, daß die Badjao sehr hübsche Frauen hätten – begehrte Lustobjekte für diese holländischen Kerle. Hasard knirschte mit den Zähnen – und fühlte sich hilflos. Verdammt, wo sollte er diese Mörder und Frauenschänder aufspüren – wo, wo?

      Er rief Don Juan heran, der bei einer Gruppe von vier jungen Männern stand und ihnen – wie vorher Carberry – die Handhabung der Axt erklärte.

      „Ja?“ fragte er und blickte in das finstere Gesicht Hasards.

      „Die Kerle haben die jungen Frauen geraubt“, sagte Hasard. „Dem Kutscher ist das aufgefallen, und es stimmt, hier sind nur kleine Mädchen und ältere Frauen. Du weißt, was der Capitán in Davao uns berichtete.“

      Don Juan blickte sich um, und seine Lippen wurden zu einem schmalen Strich. Dann schaute er Igna an, der sie bereits beobachtete, sehr aufmerksam und auch fragend.

      Er wies zu einem kleinen Mädchen, das etwa acht Jahre alt sein mochte. Es war nackt, bis auf eine Muschelkette um den Hals, ein schlankes Kind mit hübschem Gesicht und dunklen, warmen Augen, die zu ihm hochschauten. Dann trat er zu ihr und legte ihr die Hand auf den Kopf, hob aber die Hand und deutete damit an, daß das Mädchen jetzt größer geworden sei – so groß wie eine junge Frau, die mit dem Wachstum auch ihre weiblichen Formen angenommen hat.

      Dann schwenkte Don Juan die Hand zu den älteren Frauen, schüttelte verneinend den Kopf, zuckte mit den Schultern und zeigte wieder über dem Kopf des kleinen Mädchens die andere Körpergröße an, jene einer jungen Frau. Und er blickte sich erneut um und schüttelte den Kopf. Und dann schaute er Igna fragend an.

      Igna hatte die Zeichensprache verstanden. Der große, schlanke Fremde mit den grauen Augen und dem festen Kinn wollte wissen, wo die Frauen seien, die keine kleinen Mädchen mehr waren, aber auch noch nicht alte Frauen.

      Er nickte und winkte Don Juan an den Sandstrand. Hasard und der Kutscher folgten. Igna hockte sich hin, glättete den Sand und zeichnete mit dem Finger geschickt drei Boote in den Sand, Auslegerboote mit einem vorderen Dreibeinmast und etwa mittschiffs einem einzelnen Mast. Und über die drei Boote zeichnete er unverkennbar acht Frauen, die er mittels Strichen mit den Booten verband.

      Dann stand er wieder auf, deutete auf die Zeichnung und wies nach Süden. Zur Bekräftigung seiner Zeichnungen zeigte er die linke Hand mit den fünf ausgespreizten Fingern, und daneben hielt er die rechte Hand mit Daumen, Zeigefinger und Ringfinger und deutete mit beiden Händen wieder südwärts.

      „Acht Frauen“, sagte Don Juan. „Und die Hunde sind mit drei Auslegerbooten nach Süden abgehauen. Soweit dürfte das klar sein.“

      „Nur – wohin?“ sagte Hasard, wandte sich zu Carberry um und setzte hinzu: „Ed, pull zur ‚Santa Barbara‘ hinüber und laß dir von Ben die Karten vom Golf und den Inseln hier im Süden geben.“

      „Aye, Sir.“ Carberry wuchtete die Jolle ins Wasser, sprang hinein und zog mit kräftigen Schlägen ab.

      „Du glaubst, er begreift unsere Karten?“ fragte Don Juan.

      „Wir müssen es zumindest versuchen“, erwiderte Hasard. „Er ist ein kluger Mann. Vielleicht weiß er, wohin sich dieses Lumpenpack verzogen hat, und kennt deren Stützpunkt.“

      „Acht Frauen“, wiederholte Don Juan noch einmal, und es klang wie ein Knurren. „Und wir beschleichen inzwischen ein verlassenes Lager. Zu diesem Zeitpunkt sind diese Bastarde über die Badjao hergefallen, haben sich Boote besorgt, hier gemordet und die Frauen geraubt. Warum haben wir nicht an diese Möglichkeit gedacht? Wir sind doch hier vorbeigesegelt und haben die Auslegerboote gesehen, verdammt noch mal! Und dann erzählt uns de Figuiera noch, daß die Kerle Frauenraub betreiben. Wir hätten das ins Kalkül ziehen müssen, aber wir haben’s nicht getan. Wie Stümper haben wir uns aufgeführt.“

      „Hör auf mit den Selbstvorwürfen“, sagte Hasard. „Es ist passiert und nicht mehr zu ändern. Wenn ich noch vor ein paar Stunden erwog, die Aktion abzubrechen – in der Ansicht, wir hätten genug getan –, dann kannst du dich jetzt darauf verlassen, daß ich nicht aufgebe, und wenn ich die ganzen Inseln umkrempeln muß!“

      Carberry brachte die Karten. Hasard breitete sie aus, legte sie auf den Boden und beschwerte die Ränder mit Steinen. Interessiert beugte sich Igna vor und betrachtete die Karten. Hasard ordnete sie nach der Kompaßrose ein, nahm ein Stöckchen und fuhr mit ihm von Norden nach Süden die westliche Küstenlinie ab bis etwa zu dem Punkt, an dem sie sich befanden und jetzt die drei Schiffe ankerten. Dort legte er ein kleines Steinchen hin, zeigte zu den verbrannten Stummeln