Seewölfe Paket 27. Roy Palmer

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Название Seewölfe Paket 27
Автор произведения Roy Palmer
Жанр Языкознание
Серия Seewölfe - Piraten der Weltmeere
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783954399956



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die Zähne zu fühlen oder ihn ein bißchen zu kitzeln, damit er uns das verrät, was wir wissen wollen.“

      Ach ja, der Schrat! Dieses Muskelmonster war von Don Juan, Hasard und Dan O’Flynn überwältigt worden. Der Kerl hatte das holländische Lager nach Norden hin absichern sollen. Jetzt befand er sich in der Vorpiek der „Santa Barbara“, doppelt und dreifach gefesselt, denn dieser Kraftmensch war so stark wie mehrere Ochsen. Nur sein Kinn war aus Glas – wie Carberry festgestellt hatte.

      Carberry hob auch sogleich den Kopf und sagte: „Sir, das ist ein guter Vorschlag von Dan. Ich werde das übernehmen und dem lieben Kerlchen verklaren, was anliegt.“

      „Und dann spuckt er dich wieder an, wie?“ sagte Hasard, daran erinnernd, daß der Schrat das schon einmal getan hatte. Aber das war ihm überhaupt nicht bekommen.

      „Soll er“, sagte Carberry großzügig, „Spucke kann man abwaschen. Außerdem tut sie nicht weh – im Gegensatz zu meiner Flosse!“ Und er hob diese „Flosse“, die das gleiche Ankerklüsenformat hatte wie die Pranken Pete Ballies, des Gefechtsrudergängers der Arwenacks.

      Hasard seufzte. „Na gut. Wir können’s ja mal versuchen, den Kerl zu befragen. Aber ich habe nicht den Eindruck, daß der uns was verrät – und ein strenges Verhör lehne ich ab, zumal er uns dann vermutlich anlügt.“

      „Mal sehen“, meinte Carberry.

      Sie begruben die fünf Toten, die Pieter Hendrik Beeveren bei der Auszahlung der Heuer seitens seiner Auftraggeber wieder auferstehen lassen würde, Hasard sprach ein kurzes Gebet, und dann kehrten sie an Bord ihrer Schiffe zurück. Die Gerätschaften nahmen sie mit.

      Inzwischen war die Sonne im Osten aufgegangen. Und es war Old O’Flynn an Bord der „Santa Barbara“, der dem holländischen Waldschrat – sein Name lautete Marten de Groot – einen Aufschub verschaffte.

      Denn Old O’Flynn wies mit düsterer Miene nach Süden und verkündete: „Rauchwolken!“

      Es stimmte. Trotz der Abschirmung hinter der Landzunge waren weit unten im Süden Rauchwolken zu sehen, die aufstiegen und vom Westwind nach Osten getrieben wurden.

      Hasard erstarrte, und sein Gesicht wurde kantig.

      „Verflucht!“ murmelte er erbittert. „Daß ich daran nicht gedacht habe!“

      „Was ist los?“ fragte Don Juan und kehrte aufs Achterdeck zurück. Er hatte gerade zu seiner Schaluppe abentern wollen, die bereits längsseits der „Santa Barbara“ gebracht worden war.

      „Dort unten im Süden“, sagte Hasard, „wo die Rauchwolken aufsteigen, müssen die Pfahlbauten der Badjao liegen – und deren Boote!“

      Auch Don Juans Gesicht verhärtete sich. Er begriff sofort, was Hasard meinte.

      „Mein Gott“, murmelte er, „diese Teufel!“

       3.

      Gegen neun Uhr an diesem Morgen erreichten die „Santa Barbara“ und die beiden Schaluppen jenen Platz, wo die Pfahlbauhütten gestanden hatten. Jetzt waren dort nur noch die verkohlten Stummel der Stützpfosten zu sehen, die knapp aus dem Wasser ragten. Niemand zeigte sich – oder doch. Am Strand lagen Tote aufgereiht.

      Die drei Schiffe gingen vor Anker. Hasard und Don Juan pullten mit einigen Männern an Land. Sie hatten bewußt auf die Mitnahme von Waffen verzichtet.

      Nur Hasard und Don Juan gingen zu den Toten, und sie verbargen nicht ihre Erschütterung angesichts der Tatsache, daß diese Menschen ermordet worden waren. Auch Kinder befanden sich darunter.

      Hasard biß die Zähne zusammen und schüttelte stumm den Kopf. Kinder! Und ältere Frauen und Männer! Diese Schlächter hatten sie abgestochen wie Vieh und dann ins Wasser geworfen. Aber es mußten auch welche überlebt haben. Sie hatten die Leichen geborgen und hier hingelegt.

      Hasard hob den Kopf, als er das Rascheln hörte. Sein Blick fiel auf einen alten Mann, der eine Schulterverletzung hatte. Der Mann war aus dem Buschwerk getreten und stand jetzt da, die Augen auf Hasard gerichtet, ruhige Augen, aber auch traurige Augen.

      Hasard hob die rechte Hand, führte sie zum Herzen und neigte den Kopf. Auch Don Juan vollführte diese Geste, die Freundschaft ausdrücken sollte und um Vertrauen warb.

      Auch der alte Mann neigte den Kopf. Er tat es mit Würde. Dann drehte er sich leicht und rief etwas über die Schulter. Ein paar Kinder, Frauen und Männer verließen zögernd das Buschwerk und blieben hinter dem Alten stehen. Scheu blickten sie zu den beiden fremden Männern, aber dann verlor sich ihre Scheu, und sie begannen zu lächeln, als sie sahen, daß sich diese beiden Männer auch vor ihnen verneigten.

      Hasard trat zurück und rief zur Jolle: „Bringt die Äxte und Messer her, bitte, die wir mitgenommen haben!“

      „Aye, Sir!“ rief Carberry, räumte die Jolle aus und packte alles jenseits des Strandes im Gras auf einen Haufen.

      Hasard winkte dem alten Mann zu und deutete zu den Äxten und Messern. Sie gingen hin. Hasard nahm ein Messer auf und reichte es dem Alten, den Griff ihm zugerichtet.

      „Für dich“, sagte er lächelnd, „und für deine Leute.“

      Der alte Mann begriff, und seine Augen leuchteten auf. Behutsam nahm er das Messer in Empfang, diese Kostbarkeit aus geschmiedetem Metall, das sie nicht kannten, denn ihre ähnlichen Werkzeuge waren scharfkantige Muscheln und mühsam zugeschliffene Steine.

      Carberry winkte den anderen zu, heranzukommen und sich zu bedienen. Er nahm eine der Äxte, schlug ein paar Kerben ringsum in einen handknöcheldicken Mangrovenstamm und drückte ihn dann mit Leichtigkeit um – so zur Demonstration, zu was sie die Äxte benutzen konnten.

      Sie schauten staunend zu. Und dann staunte Carberry, als sein Blick auf zwei etwa zwölfjährige Jungen fiel. Sie hatten schmale Gesichter mit hohen Wangenknochen und fein geformten Nasen – und blonde Haare!

      „Da laust mich doch ein Äffchen“, sagte er verblüfft und drehte sich zu Hasard um. „Sir, hast du das gesehen? Zwei Blondschöpfe!“

      „Schon bemerkt, Ed!“

      „Kapierst du das? Ob der Wikinger hier zugange war – ähem!“

      „Was du schon wieder denkst“, sagte Hasard kopfschüttelnd.

      „Könnte doch sein“, meinte Carberry unerschüttert und bereits scharf darauf, seinem alten Freund Thorfin Njal bei der Rückkehr im Stützpunkt der Cherokee-Bucht zu verklaren, er sei hier auf Wikinger-Nachwuchs gestoßen, gewissermaßen auf Thorfin-Njal-Ableger! Ho-ho! Dem scheinheiligen Schurken würde er was geigen – von wegen kleine Wikingerchen in die Welt setzen und sich dann nicht darum kümmern!

      „Vielleicht weiß der Kutscher darauf eine Antwort“, sagte Hasard und sorgte dafür, ihn holen zu lassen. Er brauchte ihn sowieso, damit er sich um die Verletzten kümmerte. Wie er sah, waren noch alle ihre Wunden unversorgt. Sie schienen sie mit stoischem Gleichmut zu ertragen. So etwas wie einen Medizinmann kannten sie wohl nicht.

      Zur Zeit schnatterten sie alle durcheinander – wie Kinder, denen der Weihnachtsmann gute Gaben gebracht hatte, glücklich über die Geschenke. Daß diese Äxte und Messer von jenen stammten, die über sie hergefallen waren, würden sie nie erfahren. Und das war auch besser so. Vielleicht hätten sie darin einen bösen Zauber gesehen.

      Der Kutscher meldete sich bei Hasard. Er hatte seine „Hebammentasche“ dabei, wie Carberry das Ding getauft hatte, in welchem der Kutscher seine wichtigsten Gerätschaften, Arzneien, Salben und Verbände aufbewahrte, wenn er eine Wundversorgung nicht an Bord vornahm.

      „Sir?“ fragte er. Dabei streifte sein Blick über die Badjao, und er stutzte, als er die beiden Jungen mit dem Blondhaar sah.

      Hasard bemerkte es, lächelte und fragte: „Hast du dafür eine Erklärung?“

      Der Kutscher runzelte die Stirn.

      Carberry