Название | Die Gleichgültigen |
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Автор произведения | Alberto Moravia |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783945386224 |
»Nun gut … dann also bis morgen«, entgegnete Michele, gab ihr die Hand und wandte sich zur Treppe.
Lisa kehrte in den Salon zurück; die anderen drei hatten sich in der Ecke unter dem Lampenschirm versammelt. Die Mutter, die in all ihrer Farbenpracht im vollen Licht saß, sprach von Michele: »Es ist offensichtlich«, erklärte sie ihrem Geliebten, der sich im Sessel zurückgelehnt hatte und sie mit völlig stumpfem Blick ansah, ohne mit der Wimper zu zucken, »dass es ihn sehr viel gekostet hat, sich zu entschuldigen … Er ist nicht von der Sorte, die leicht nachgibt … Er ist stolz.« Ihr Ton wurde herausfordernd. »Stolz und geradeheraus, so wie ich.«
»Daran zweifle ich nicht«, sagte Leo, hob die Augenlider und warf Carla einen langen Blick zu. »Aber dieses Mal hat er gut daran getan nachzugeben.« Alle drei schwiegen. Der Vorfall hatte sich erschöpft. Mit leisen Schritten, als ginge sie das alles gar nichts an, trat Lisa hinzu.
»Sind Sie mit dem Wagen da, Merumeci?«, fragte sie.
Die drei wandten sich um. »Mit dem Wagen«, wiederholte der Mann überrascht. »Ja sicher, mit dem Wagen.«
»Dann fahren Sie mich nach Hause«, sagte Lisa, »wenn es Ihnen nichts ausmacht.«
»Ich bitte Sie, es wird mir ein Vergnügen sein.« Leo erhob sich und knöpfte die Jacke zu. »Dann wollen wir mal«, hob er an, aber innerlich glühte er. Nicht nur, dass er bei Carla nichts hatte ausrichten können, jetzt musste er auch noch Lisa nach Hause begleiten.
Doch die unfassbare Eifersucht der Mutter kam ihm zu Hilfe. Zwischen Leo und Lisa hatte es viele Jahre zuvor eine Liebesbeziehung gegeben, sie wollten sogar heiraten. Dann war sie, bereits Witwe, auf den Plan getreten und hatte der besten Freundin den Verlobten weggeschnappt. Das war eine sehr alte Geschichte, aber … Wenn es den beiden in den Kopf käme, wieder anzubändeln? Sie wandte sich an Lisa: »Nein, geh nicht gleich«, sagte sie, »ich habe mit dir zu reden.«
»Ja gut«, entgegnete Lisa und täuschte Verlegenheit vor. »Aber dann kann Merumeci mich nicht mehr nach Hause begleiten.«
»Oh, darüber machen Sie sich keine Sorgen«, erklärte Leo, und diesmal war es ihm wirklich ein Vergnügen. »Ich kann im Flur warten oder hier. Reden Sie nur mit Ihrer Freundin, ich werde auf Sie warten.« Und mit Blick auf die Tochter fügte er hinzu: »Carla wird mir Gesellschaft leisten.«
Carla erhob sich langsam, nickte mit ihrem großen Kopf und kam näher. »Wenn ich jetzt bei ihm bleibe«, dachte sie, »ist alles aus.« Leo sah sie verschwörerisch an, wie ihr schien, und dieses unterstellte Einverständnis war ihr zuwider. Aber was hätte es genützt, sich zu sträuben? Eine schmerzliche Ungeduld ergriff von ihr Besitz. »Mit allem ein Ende machen«, wiederholte sie für sich und ließ den Blick über den düsteren Salon streifen, wo so viele verheißungsvolle Tage dahingegangen waren. Die Gruppe, die sie um den Lampenschirm bildeten, kam ihr steif und lächerlich vor. Mit all dem hier ein Ende machen, dachte sie wieder, und in ihrer zögerlichen Selbstaufgabe schien sie einer Feder gleich, die ein Treppenhaus hinabtrudelte.
Daher protestierte sie nicht, sprach sie nicht.
»Aber Sie wissen doch nicht, wie lange ich Lisa aufhalten werde«, widersetzte sich die Mutter. »Gehen Sie nur, fahren Sie. Für Lisa werden wir später ein Taxi rufen.« Ihre Stimme war einschmeichelnd, die Stimme der Eifersucht. Leo war freundlich, aber unnachgiebig. »Ich werde warten, was soll’s? Eine Minute mehr oder weniger. Ich warte gerne.«
Die Mutter begriff, dass sie verloren hatte. Sie würde die beiden, Leo und Lisa, nicht trennen können. »Klar«, dachte sie, »er will auf sie warten, um dann mit zu ihr nach Hause zu gehen.« Sie musterte ihre Gesichter. Dieser Gedanke erschien ihr entsetzlich. Sie wurde noch blasser, und die Eifersucht flammte unverhohlen in ihren Augen auf. »Nun gut«, sagte sie schließlich, »dann gehen Sie, warten Sie draußen, ich werde Ihnen Ihre Lisa nicht lange vorenthalten, da brauchen Sie überhaupt keine Sorge zu haben.« Sie machte mit der Hand eine drohende Geste, und um ihre Lippen zitterte ein bitterböses Lächeln. Leo sah sie mit undurchdringlichem Blick an, zuckte mit den Schultern und ging wortlos, gefolgt von Carla, hinaus.
Im Flur legte er, als wenn es nichts wäre, den Arm um die Taille des Mädchens. Sie bemerkte es, widerstand aber der Versuchung, sich ihm zu entwinden. »Das ist das Ende«, dachte sie, »das Ende meines alten Lebens.« Im Schatten glänzten die Spiegel und reflektierten im Vorbeigehen ihre aneinandergerückten Gestalten.
»Hast du bemerkt«, sagte sie laut. »Mama ist eifersüchtig auf Lisa …« Anstelle einer Antwort drückte der Mann ihre Flanke mit dem Arm fester an seinen harten Körper. So vereint traten sie ins Vestibül, einen engen Raum mit hohen, weißen Wänden und einem Fußboden mit Rautenmuster.
»Wer weiß«, fügte sie herablassend hinzu, als habe es keine weitere Bedeutung, »wer weiß, ob das nicht berechtigt ist.« Diesmal blieb der Mann stehen und wandte sich ihr zu, ohne sie loszulassen.
»Weißt du«, sagte er mit einem dümmlichen, plump erregten Lächeln, »auf wen sie eigentlich eifersüchtig sein sollte? Auf dich … ja, auf niemand anderes …«
»Jetzt haben wir’s«, dachte sie. »Auf mich? Wieso?«, fragte sie mit klarer Stimme. Sie schauten sich an. »Wirst du zu mir kommen?«, fragte Leo sie in fast väterlichem Ton. Er sah, wie sie den Kopf senkte und weder Ja noch Nein zu antworten schien. »Das ist der richtige Augenblick«, dachte er. Schon zog er sie an sich und war drauf und dran, sich hinterzubeugen und sie zu küssen, als Stimmen im Flur ihn warnten, dass die Mutter im Anmarsch war. Er erstickte beinahe vor Wut; das war jetzt das zweite Mal an diesem Tag, dass seine Geliebte im entscheidenden Moment alles verdarb. »Soll sie doch der Teufel holen«, dachte er. Man konnte ihre Stimme hören; sie war mit Lisa im Flur ins Gespräch verwickelt. Obwohl sie noch nicht an der Tür erschien, machte Carla, die jetzt unruhig geworden war, Anstalten, sich ihm zu entziehen. »Lass mich«, sagte sie, »Mama kommt.« Rasend schaute Leo sich um, sah zur Tür und konnte sich doch nicht dazu entschließen, diese biegsame Taille loszulassen. Da fiel sein Blick auf einen Vorhang rechts im Vestibül, hinter dem sich ein Ausgang verbarg. Er streckte den Arm aus, löschte das Licht. »Komm«, flüsterte er in der Dunkelheit und versuchte Carla in dieses Versteck zu zerren. »Komm da hinein, wir spielen deiner Mutter einen Streich.« Sie begriff nicht, widersetzte sich; ihre Augen leuchteten im Halbdunkel. »Wieso denn … wieso?«, wiederholte sie. Aber am Ende gab sie nach. Sie traten hinter den Vorhang und pressten sich in die Türnische. Leo schlang wieder seinen Arm um die Taille des Mädchens. »Jetzt wirst du sehen«, flüsterte er; aber Carla sah nichts. Aufrecht und steif stand sie da und schloss die Augen in der nachtschwarzen Dunkelheit hinter dem schweren, staubigen Vorhang und ließ es geschehen, dass Leos Hand über ihre Wangen und ihren Hals strich. »Jetzt wirst du sehen«, wisperte er; der Vorhang erzitterte von oben bis unten, und sie spürte, wie die Lippen des Mannes sich auf ihre Brust zu einem innigen Kuss von kurzer Dauer drückten und plump bis zu ihrem Kinn glitten, um schließlich auf ihrem Mund zu verweilen. Die Stimmen kamen näher, Leo schnellte wieder hoch. »Da ist sie«, flüsterte er, und sein Arm drückte sie in der Dunkelheit mit einer intimen und vertraulichen Kraft an sich, mit einer Sicherheit, die ihm zuvor gefehlt hatte.
Die Glastür öffnete sich; Carla schob den Vorhang ein wenig zur Seite und sah hindurch. Im erleuchteten Rahmen der offenen Tür schien die Gestalt der Mutter mit ihren tiefen Schlagschatten Erstaunen und Unverständnis auszudrücken: »Aber hier sind sie nicht«, rief ihre vertraute Stimme, und Lisa, die nicht zu sehen war, fragte vom Flur aus: »Wo sind sie denn hingegangen?«
Die Frage blieb ohne Antwort. Der Kopf der Mutter war angespannt, streckte sich vor, um das Vestibül auszukundschaften. Der Schatten ließ ihre Züge schärfer hervortreten und machte aus dem weichen, stark geschminkten Gesicht eine steinerne Maske pathetischer Verwirrung. Jede Falte, der offene Mund, starrend vor Schminke, die weit aufgerissenen Augen, das ganze Gesicht schien zu schreien: »Leo ist nicht mehr da …, Leo hat mich verlassen …, Leo ist gegangen.« Carla betrachtete sie mit einer Mischung aus Mitleid und Neugier. Sie spürte die Angst, die hinter dieser Maske zitterte, und sie glaubte schon das Gesicht