Название | Bea, beate und Be |
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Автор произведения | Hans-Caspar von Zobeltitz |
Жанр | Книги для детей: прочее |
Серия | |
Издательство | Книги для детей: прочее |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9788711488522 |
An Schellberg dachte Be und lächelte schmerzlich. Was wusste Bea von ihr?
Beate erklärte die Malerei für Unsinn. „Sie hält dich nur von deinen Arbeiten ab. In anderthalb Jahren willst du ins Abitur steigen, da hast du meines Erachtens jede Stunde nötig.“ Be trotzte auf. „Ich glaube, du konntest bisher mit meinen Zeugnissen zufrieden sein.“ — „Du bist gross genug, um zu wissen, was du tust. Und da Bea es für richtig hält ...“ Das war ja stets ihr ausschlaggebender Satz.
So kam Sophus fast täglich ins Haus. Er zögerte die Arbeit hin, stand oft hinter der Staffelei und blickte, ohne zu malen, auf Be, die ihre Stoffe faltete und steckte. Bis sie seine Augen fühlte und rief: „Du sollst nicht so hersehen, Sophus.“ Er log: „Ich seh gar nicht dich an, sondern auf das, was du tust. Du hast Talent, Mädel.“
Zu Weihnachten war das Bild fertig. Er hatte nicht erlaubt, dass sie es während der Arbeit betrachtete. Nun stand sie davor. „Fein, Sophus. Aber du hast geschmeichelt. So hübsch bin ich nicht.“ — „Du bist hübscher, Be.“ — „Du sollst keinen Unsinn reden, verstehst du, sonst ist es aus mit unserer Freundschaft.“ Er schenkte ihr das Bild. Sie freute sich, obgleich sie nie daran gezweifelt hatte, dass er es ihr schenken würde. Einen Kuss gab sie ihm. Er zog sie an sich. Gleich machte sie sich los. „Brav sein, Sophus.“
Über das Fest fuhr er zu seinen Eltern und blieb fast den ganzen Januar fort. Briefe kamen von ihm, er hatte einen Porträtauftrag in der Nachbarschaft von Grölichberg erhalten, eine alte Dame malte er und bat nun: „Besorge mir einen Brokatstoff. Goldgrund mit Farbflecken drin. Er muss zu silbergrauem Haar und sehr frischem Teint passen und zu noch vollen Schultern. Du wirst schon das Richtige finden.“ Sie fuhr sofort in die Stadt, durchsuchte die Läden, wählte lange und war stolz, als er schrieb: „Genau das, was ich wollte. Ausgezeichnet. Ich wusste ja, dass man sich auf dich verlassen kann. Wir sollten zusammen arbeiten, dann könnte etwas aus uns werden.“ Und im nächsten Brief stand: „Ich habe Pläne, Be, grossartige Pläne. Und Sehnsucht nach dir.“
Als er zurückkam, war er erregt, besessen von seinen neuen Gedanken. „Wir machen zusammen einen Laden auf, einen Modeladen. Nicht gleich, später. Nach deinem Abitur, denn vorher lassen sie dich ja doch nicht los. Du entwirfst die Kleider. Ich zeichne die Frauen, wie sie in ihnen aussehen werden. Das wird ziehen. Wir werfen unseren Geschmack zusammen. Du musst natürlich erst auf eine Modeschule, den technischen Kram lernen. Aber da wird ein halbes Jahr genügen.“ Sie liess ihn ausreden, denn es gefiel ihr, was er sagte. Aber dann winkte sie doch ab. „Ist ja Unsinn, Sophus. So was kostet Betriebskapital. Woher sollen wir das nehmen? Bei uns ist es schon lange knapp, Beate spart, wo sie kann, das merke ich längst. Und dann: ich soll doch Medizin studieren.“ — „Hast du Neigung dazu, wirkliche Neigung?“ — „Darauf kommt es doch nicht an. Vater ist Arzt, ich werde Ärztin. So steht es fest.“ Es klang nicht sehr überzeugend, wie sie es sagte. Sie musste wieder an Schellberg denken und an das ‚So‘, an dies langgezogene, ablehnende ‚So‘, das seine Antwort gewesen, als sie ihm von ihrer Arztzukunft sprach.
Sophus war ein Starrkopf. Er liess nicht locker, nicht im Frühling, nicht im Sommer; immer wieder brachte er seinen Plan vor. Er holte sich Detta zu Hilfe, und sie war sofort auf seiner Seite. Gemeinsam fiel es ihnen nicht schwer, Be zu überzeugen, wenn sie sich auch noch nicht ganz ergab; die Scheu vor dem Willen der Mutter hielt sie von der letzten Entscheidung zurück.
Detta hing sich jetzt eng an Be. Sie nutzte ihr Wissen aus. „Diesmal muss ich das verfluchte Examen schaffen.“ Be paukte mit ihr, sah ihre Arbeiten durch. Dafür lud Detta sie auf Wochenend in ihren Wagen und oft Sophus dazu. Sie lagen am Wasser, sie schwammen. Detta und Be hatten ihr Zelt und Sophus baute sich eine Hütte aus Schilf daneben, in die er seinen Schlafsack schob. Aber bevor sie zur Ruhe gingen, lagen sie nebeneinander, sahen in den Mond oder in das Kochfeuer, das sie angezündet hatten und redeten. Sie philosophierten ins Halbdunkel hinein, wie nur Jugend philosophieren kann, die Liebe, Unendlichkeit, Gott, Welt, Vaterland, Freiheit, Macht, Willen, Treue, Hass in grossen Worten ineinandermischt, sich begeistert, sich aufwühlt, sich streitet und wieder verträgt und dabei echt und leidenschaftlich empfindet. Sie sprachen, sie glaubten an sich und ihre Worte. Oft schob sich Sophus dann dicht an Be heran, griff nach ihrer Hand, küsste ihre Fingerspitzen. Oder er bettete seinen Kopf dicht neben den ihren, dass sein blondes Haar ihr braunes berührte. Dann kam es vor, dass sie die Gesichter zueinander wandten und sich in dem unsicheren Lichte lange ansahen. In ihren Augen wurde ein Leuchten wach, sie spürten den Atem des anderen, der wärmer war als die warme Sommernacht. Sie zitterten beide. Sie liessen Detta sprechen, bemühten sich, ihr zuzuhören, aber dachten nur an sich. Leise flüsterte Sophus dann wohl: „Kleine Be“ oder „Ich hab’ dich lieb, Be.“ Be hörte es und schloss die Augen. Einmal stand Detta auf und ging bis ans Seeufer; ein Geräusch war auf dem Wasser gewesen, Fische waren gesprungen oder eine Ente war eingefallen. Sie lauschten, wie die morschen Zweige unter ihren Schuhen knackten, sie verfolgten ihre Schritte, die sich mehr und mehr entfernten. Sophus richtete sich ein wenig auf und beugte sich über Be, er senkte langsam seinen Mund zu ihren Lippen. Sie schlang die Arme um seinen Hals und zog ihn zu sich. Sie küssten sich. Aber schon machte sich Be wieder frei. „Wo bist du denn, Detta?“ rief sie laut. — Als sie am nächsten Morgen in den See hinausschwammen, sagte sie: „Das darfst du nicht wieder tun, Sophus.“ Und als er etwas erwidern wollte, schnitt sie sein erstes Wort ab: „Nein — nein. Es ist nicht gut. Nicht für mich. Nicht für dich.“
In diesem Sommer war sie nur wenige Tage beim Vater; Detta sollte mit ihrem Wagen kommen und sie abholen. Sie wollten gemeinsam durchs Frankenland fahren. Be hatte sich das gewünscht: Rothenburg und Amorbach, Bamberg, Nürnberg, Bayreuth, Städte und Flecken, das Maintal und die Berge, Schlösser und Kirchen, Burgen und Museen. Und Detta wollte zum Schluss auf die Wasserkuppe, wenn die Flugtage in der Rhön begannen. Schellberg war nicht auf Hochfried. „Er hat sich erst zum Herbst angesagt“, berichtete Doktor Bürgler, als Be fragte. Sie lief nicht durch den Wald, sie blieb im Haus, war ruhiger als früher. Der Vater merkte es. „Drückt dich was, Mädel?“ — „Ja, Vater, die Zukunft. Ostern mache ich mein Abitur.“ Er nahm ihren Arm, führte sie in sein Arbeitszimmer, setzte sich ihr gegenüber. „Hast du Angst vorm Examen?“ Sie lächelte. „Das nicht.“ Gleich wurde ihr Ausdruck wieder ernst. „Aber hinterher — ich möchte nicht Medizin studieren.“ — „Was dann?“ — „Überhaupt nicht studieren. Ich will was Praktisches anfangen. Arzt — Ärztin: das ist mir im Grunde fremd. Wenn ich irgend etwas dafür in mir spürte, würde ich doch hier schon ins Labor laufen, würde dich ausgepresst haben mit Fragen. Nichts fühl’ ich, nichts. Ich könnte mich dazu zwingen. Aber das hat doch keinen Sinn.“ Er unterbrach sie nicht. Sie wird mir schon sagen, was sie will, dachte er. Da fuhr sie auch schon fort: „Lernen, was zum Studium erforderlich — das könnte ich natürlich. Das macht mir keine Sorge. Ich kenne meinen Kopf. Aber ein Arzt ohne das Gefühl innerer Berufung, das wird doch nichts Ordentliches. Und nun gar eine Ärztin. Es sitzen genug Ärzte ohne Brot da, ohne Praxis, aber mit Schulden für ihre Instrumente, für ihre Einrichtung. Soll ich ihre Zahl vermehren? Soll ich ihnen als Frau Konkurrenz machen?“ Und nun entwickelte sie ihm Sophus’ Plan, ohne dessen Namen zu nennen: Modeschule, ein halbes Jahr Arbeit in einem Geschäft und dann versuchen, sich selbständig zu machen. Sie sprach sich in Eifer. Er sah sie an: wie sie Beate gleichen kann. — Beate, als sie noch jung war — damals, als sie verlobt waren, als sie heirateten, vorm Kriege. Es war ihm wie etwas Entschwundenes, Verlorenes. „Hast du schon mit deiner Mutter darüber gesprochen?“ — „Das ist es ja, Vater, davor hab’ ich Angst.“ Nun sah sie ihn an, hoffte, dass er ihr eine Brücke bauen würde; aber es erfolgte nichts. So raffte sie sich noch einmal auf: „Könntest du nicht an Beate schreiben?“ — „Ich an deine Mutter? — Nein, Kind, das geht nicht.“ — Heftig wehrte er sich. „Nein — nein; wir verkehren seit Jahren doch nur durch unsere Anwälte.“ — „Auch, wenn es sich um mich handelt?“ — „Auch dann.“ Er sagte die zwei Worte stockend, er fühlte wohl, dass ein Vorwurf, ein berechtigter Vorwurf in ihrer Frage lag.
Sie wagte nicht, gleich weiter zu reden, zu bohren. Zum erstenmal empfand sie die tiefe Kluft zwischen den Eltern und war beschämt, dass sie noch nie vorher über diese zerschlagene