DAS DING AUS DEM SEE. Greig Beck

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Название DAS DING AUS DEM SEE
Автор произведения Greig Beck
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783958355361



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bis zu dem Absatz führten, auf dem er stand. Er war zwar nicht gerade ein Naturbursche, aber sie sahen nicht wie etwas aus, das er schon einmal im Leben gesehen hatte. Sie hatten einen Abstand von ungefähr sechzig oder neunzig Zentimetern und waren parallel, so als wären die Beine des Lebewesens weit abgespreizt gewesen. Außerdem mussten sie spitz zulaufen, was ihn eher an ein Insekt oder Krustentier erinnerte als an ein Landsäugetier.

      Marcus versuchte zu enträtseln, um was es sich dabei handeln konnte, doch ihm war klar, dass ihm keine Zuordnung gelingen würde. Er kratzte sich nachdenklich am Kinn. Winzige Hufe oder Pfoten an äußerst dünnen Beinen. Oder vielleicht etwas wie ein Storch. Diese Idee verwarf er allerdings sofort wieder, weil es dafür eindeutig die falsche Jahreszeit war.

      Es machte ihm nichts aus, wenn sich die Tierwelt auf ihr Gelände vorwagte, solange es keine Bären oder Wölfe waren, oder etwas, das ihnen gefährlich werden konnte. Er gab es schließlich auf, eine Antwort zu finden, nahm sich aber vor, Yuri später danach zu fragen.

      Rauch waberte über das offene Gelände und er sah, dass der große Russe gerade einen Rost über der offenen Flamme platzierte und eine metallene Kaffeekanne in die Mitte schob. Sie hatten wohlweislich einige Vorräte mitgebracht und besaßen daher für den Augenblick reichlich Eier, Speck und Brot zum Rösten, und er freute sich schon sehr auf das herzhafte Frühstück.

      Yuri hatte außerdem einen Tank mit Dieseltreibstoff für den Generator mitgebracht. Eine seiner vielen Aufgaben bestand darin, diesen zum Laufen zu bringen, damit sie hier Strom hatten. Wenn der Generator erst mal funktionierte, würde er aber trotzdem noch ein Notstromaggregat kaufen. Wenn nicht, müsste er zwei bestellen – das war auch bereits im Budget eingeplant, denn es war eine absolute Notwendigkeit. Wenn er ein funktionsfähiges und zuverlässiges Labor haben wollte, dann konnte er nicht das Risiko eingehen, dass der Strom ausfiel. Denn wenn das geschah, würden all seine Proben, Fischeier, Sprotten und alles andere, das er bei kontrollierter und konstanter Temperatur aufbewahren musste, zerstört werden.

      Er ging auf das Feuer zu, und Yuri sah auf und grinste.

      »Dobroye utro

      »Dir auch, Großer«, antwortete Marcus.

      Yuri schob noch zusätzliche Scheite ins Feuer, was die Kanne schnell zum Kochen brachte und die Luft mit dem köstlichen Geruch von dunklem und starkem, russischem Kaffee füllte.

      Er hoffte, dass Yuri etwas warten würde, bis die Flammen ein wenig heruntergebrannt waren, bevor er etwas in der gusseisernen Pfanne briet, aber Kaffee war immer der erste Punkt auf seiner Tagesordnung.

      Der Geruch zog offenbar auch die anderen Männer an, denn vom ganzen Gelände her kamen jetzt Dimitri, Pavel und sein Sohn Nikolai, sowie Leonid heran.

      Sie setzten sich, jeder mit einem Kaffee, um das Feuer, und Marcus machte sich daran, die Aufgaben des Tages zu verteilen. Yuri würde den Generator überprüfen, die Männer würden nachsehen, welche Arbeiten an den Hütten vorgenommen werden mussten, und Leonid bekam die Aufgabe, weitere Bereiche des Mühlenkomplexes zu säubern.

      Innerhalb der nächsten zehn Minuten schob Yuri mehrere Stahltöpfe auf das Feuer, schlug Eier auf und briet Speckstreifen in Entenfett in der Pfanne. Marcus wusste nicht, ob es an der belebenden Luft lag, aber der Geruch war absolut betörend und ließ ihm das Wasser im Mund zusammenlaufen.

      Das Brot wurde kurzerhand auf Stöcke gespießt und zum Rösten nah ans Feuer gehalten. Dimitri holte währenddessen ein großes Glas bernsteinfarbenen Honigs hervor, den er selbst während des Sommers von einem Bienenstock in der Gegend gesammelt hatte. Darin trieben eine Honigwabe, Zweige und etwas, das wie die sterblichen Überreste von Bienen aussah, die ein wenig zu langsam gewesen waren, um seiner Tüchtigkeit zu entkommen.

      Das Frühstück dauerte länger als erwartet, und Marcus stellte fest, dass er die Gruppe der Männer, die fortan mit ihm arbeiten würde, wirklich mochte. Denn alle schienen Erfahrung, Sinn für Humor, sowie gute Verbindungen zur hiesigen Jakut-Gemeinde zu haben, was äußerst wertvoll war, da er mit all seinen Nachbarn auf gutem Fuß stehen wollte.

      Eine Sache, die Marcus tun wollte, solange das Wetter noch mitspielte, war, zu den aufragenden Felshügeln zu gehen, die ein paar Kilometer die Küste hinauf standen. Er hatte vor, sie zu besteigen, um in der Vogelperspektive auf den See blicken zu können, und auf diese Weise vielleicht einige Möglichkeiten für Gehege-Standorte bestimmen zu können. Wonach er Ausschau halten würde, wäre eine nahe gelegene aber geschützte Stelle. Dann könnten er und Yuri aufs Eis gehen, ein Loch hineinschneiden und die Tiefe mittels Kameras und Wasser-Topologie-Kartierung überprüfen.

      Nach weiteren zwanzig Minuten war das Frühstück schließlich beendet und die Aufgaben für sein Team verteilt, daher packte Marcus einen Rucksack und machte sich gerade bereit, aufzubrechen als Yuri ihn stoppte.

      »Bitte, lass mich mitkommen.« Er hob seinen Mantel an, um den Revolver an seiner Hüfte zu präsentieren. »Bären«, sagte er knapp.

      »Danke, aber mir passiert schon nichts. Außerdem hat es höchste Priorität, unseren Generator zum Laufen zu bringen … und das ist nun mal deine Aufgabe, Mister.« Er wollte sich wieder umdrehen, spürte aber, wie sich die Hand des großen Russen auf seine Schulter legte.

      »Dann nimm wenigstens einen der anderen Männer mit, bitte, Marcus.«

      In Yuris Gesicht war echte Sorge zu lesen und das beunruhigte ihn genug, um ihn nachdenklich werden zu lassen. »Bären, hm?«

      Er seufzte und dachte sich, dass ein einheimischer Führer ja nicht schaden könnte. Er drehte sich um und sah, dass Pavels Sohn Nikolai gerade eine neue Kanne Kaffee auf den Rost über den noch heißen Kohlen schob. Angesichts seiner Absicht, den jungen Mann zu seinem Labortechniker auszubilden, was eine ungemein wichtige Rolle war, würde es bestimmt nicht schaden, ein intensiveres Vorstellungsgespräch mit ihm zu führen.

      »Nikolai, hast du Lust, heute ein bisschen Wandern zu gehen?«

      Der junge Mann nickte begeistert. »Klar, ich liebe Wandern. Wann denn?«

      »Jetzt«, antwortete Marcus grinsend. »Zu den hohen Felswänden entlang der Küste.«

      »Die kenne ich.« Nikolai hielt einen Finger in die Höhe. »Einen Moment bitte.«

      Er eilte davon, vermutlich, um seinem Vater kurz Bescheid zu sagen und seine eigene Ausrüstung zu holen. Innerhalb weniger Minuten kam er mit einem gepackten Rucksack zurück, in den er jetzt hineinspähte.

      »Ich habe Cracker, Dörrfleisch und eine zusätzliche Wasserflasche für uns eingepackt.« Er grinste.

      »Gut gemacht.« Marcus entdeckte außerdem, dass ihm ein fünfundzwanzig Zentimeter langes Jagdmesser vom Gürtel baumelte. Vielleicht hatte Yuri die Geschichte über die Bären ja doch nicht nur erzählt, um ihm einen Schrecken einzujagen.

      Marcus sah auf die Uhr, es war kurz vor acht. Er winkte Yuri zu und sagte: »Wir sind am Nachmittag wieder zurück. Wenn wir bei Anbruch der Nacht allerdings noch nicht da sind, schick bitte einen Suchtrupp los.« Er grinste wegen seines Scherzes, aber Yuri blickte ihn nur düster an.

      »Habt viel Glück.« Yuri winkte und beobachte sie solange, bis sie den gesamten Mühlenkomplex überquert hatten und aus seiner Sichtweite verschwunden waren.

      KAPITEL 06

      Marcus und Nikolai waren ungefähr vier Stunden marschiert, als Marcus anhielt, um einen Schluck aus seiner Feldflasche zu nehmen. Selbst zur Mittagszeit betrug die Temperatur nur ungefähr zehn Grad, was für diese Jahreszeit extrem mild war, aber die Kälte entzog der Luft außerdem die Feuchtigkeit, und Flüssigkeitsmangel wurde deshalb rasch zu einem Problem.

      Er nahm mehrere große Schlucke, wobei er sich bemühte, nicht zu viel zu trinken, weil er an den langen, anstrengenden Rückmarsch dachte. Das schnelle Tempo hatte ihn zum Schwitzen gebracht, sodass er sich unter den Armen und im Kreuz unangenehm feucht fühlte.

      Die Landschaft war nicht allzu uneben, sondern ziemlich flach, solange sie dem