Halbzeitpause. Ben Redelings

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Название Halbzeitpause
Автор произведения Ben Redelings
Жанр Сделай Сам
Серия
Издательство Сделай Сам
Год выпуска 0
isbn 9783895338052



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Gott«. Na also, klappt doch wunderbar mit der Selbstwahrnehmung!

      Bei so viel Kreativität in der Führungsriege wollten sich die Fans des »Champions of the world« von der Isar nicht lumpen lassen und verfassten eine süß-saure, bitter-böse Anklageschrift gegen ihren Klub – in Form eines realen Ticketangebots bei Ebay: »Wollen Sie Ihre Freunde loswerden? Hassen Sie Ihren Nachbarn? Wollen Sie Ihre Schwiegermutter endgültig gegen sich aufbringen? Hier das perfekte Geschenk: 2 x Eintrittskarten für den Champions-League-Kracher FC Bayern München gegen Maccabi Haifa. Die Plätze befinden sich im Mittelrang, damit man das Drama in Perfektion verfolgen kann, allerdings nicht dabei gefilmt wird, wenn man sich aufgrund der grandiosen Leistungen des ruhmreichen FC Bayern gerade übergeben muss. Wollen Sie verfolgen, wie Haifa den deutschen Rekordmeister an den Rand einer Niederlage bringt, schließlich aber doch 1:0 verliert (89. Minute, van Buyten)? Dann schauen Sie sich das Spiel bei Sky an und genießen Sie einen schönen Abend mit ‘nem gepflegten Vollrausch und dem ein oder anderen guten Spiel in der Konferenz. Sind Sie allerdings Masochist? Quälen Sie sich gerne selbst? Leiden Sie an Bulimie und benötigen ein neues Brechmittel? Dann bieten Sie hier auf diese Karten. Ich werde mir an diesem Abend wohl lieber die Weißheitszähne rausnehmen lassen oder Halma spielen → ist lustiger. Es handelt sich um 2 Eintrittskarten (2 weitere in einer anderen Auktion – sollten Sie noch mehr Freunde loswerden wollen).«

      Das Spiel endete übrigens tatsächlich – nach einer mittelprächtigen Leistung der Bayern – 1:0 für den Rekordmeister. Das Tor ist allerdings in der 62. Minute gefallen und der Torschütze war Ivica Olic. Danach ging es mit dem FCB nur noch bergauf.

      Das fabulöse Lexikon des brasilianischen Fußballs!

      In seiner sechsten Ausgabe stellte Null Acht, das wunderbare »Magazin für Rasenpflege«, ein umfangreiches Lexikon über den brasilianischen Fußball vor. Unter www.nullacht.at kann man es komplett nachlesen. Deshalb hier nur ein Ausschnitt des unter Leitung von Alois Gstöttner entstandenen Lexikons:

      Barbosa, Moacyr (1921–2000): Nicht nur tragische Figur der Weltmeisterschaft 1950 im eigenen Land, sondern tragische Figur des brasilianischen Fußballs schlechthin. Im entscheidenden Spiel gegen Uruguay kassierte er in der 79. Minute den – vermeintlich haltbaren – Siegtreffer aus spitzem Winkel. Torschütze: Alcides Ghiggia. Barbosa dazu selbst 1993 in einem Interview: »In Brasilien ist die Höchststrafe für ein Verbrechen 30 Jahre. Doch ich zahle jetzt schon 43 Jahre für ein Vergehen, das ich nicht einmal begangen habe.«

      Campeonato Brasileiro de Futebol: Die Landesmeisterschaft, häufiger Brasileirão genannt. Der Rekordmeister im erst seit 1971 ausgetragenen Bewerb ist der FC São Paulo. Im Dezember 2008 konnte er sich seinen sechsten Titel, den dritten in Folge, sichern.

      Carregador de Piano (Deutsch Klavierträger): Der schlechteste Spieler einer Mannschaft, das schwächste Glied der Kette.

      Chapéu (Deutsch Hut): Meint einen Heber. Hergeleitet von der halbkreisähnlichen Kurve beim Ziehen des Hutes. Weitere sechs (!) Begriffe zur Umschreibung dieser technisch anspruchsvollen Angelegenheit: »Balãozinho« (Ballönchen), »Lençoís« (Leintuch), »Banho de Cuia« (Cuia-Bad), »Boné« (Kappe), »Bonezinho« (Kapperl) und »Sombrero«.

      Domingues, Milene: Ex-Frau von Ronaldo. Und bei Weitem beeindruckender: Sie jongliert den Ball wie keine andere. Nach 9 Stunden und 6 Minuten wurden – je nach Quelle – um die 55.000 Berührungen gezählt. In der Seleção kam sie ebenfalls zum Einsatz.

      Gasolina (Deutsch Benzin): Spitzname Pelés, bevor er den Thron als Fußballkönig besteigen durfte. Weitere Pseudonyme brasilianischer Profikicker: »Diamante Negro« (Deutsch: Der schwarze Diamant), »Ventilador« (Ventilator), »Astronauta« (Astronaut), »Fuzuê« (Lärm) und »Geada« (Frost). So gut wie alles kann in Brasilien zur Bildung eines Phantasienamens herangezogen werden. Fehlt die Inspiration, wird gerne nummeriert, wie im Falle des Kickers »Centoenoves« (Hundertneun).

      Uwe Klimaschefski: »Fesselt ihn mit den Seilen!«

      Nach manchen Menschen fragen die Leute noch Jahrzehnte später, was die Person wohl gerade macht. Uwe Klimaschefski ist so jemand, für den sich die Fußballfans auch heute noch brennend interessieren. Sein Hang zum anekdotenreichen Leben faszinierte die Anhänger des runden Leders schon immer. Über seine legendären Sprüche, spektakulären Geschichten und kuriosen Einfälle spricht der ehemalige Trainer auch heute noch gerne. Dem Magazin 11 Freunde hat Klimaschefski noch einmal eine seiner bekanntesten Storys erzählt: Die Anekdote von dem an den Torpfosten gebundenen Platzwart.

      Es war die Zeit, als Uwe Klimaschefski in Homburg Narrenfreiheit besaß und ungestraft bei Rot über die Ampel fahren durfte. Wenn sich damals jemand bei seinem Präsidenten über ihn beschwerte und meinte: »Der Klima hat uns als Arschlöcher bezeichnet!«, dann hat der Homburger Vorstandsvorsitzende keine langen Reden geschwungen, sondern kurz und knapp gesagt: »Ja und? Ihr seid doch auch Arschlöcher!«

      Nur ein einziger Unerschrockener leistete dem Trainer von Zeit zu Zeit etwas Widerstand. Der Platzwart und gleichzeitige Besitzer der Vereinsgaststätte verwehrte Klimaschefski an einem Rosenmontag die Übungseinheit auf dem Rasenplatz. Stattdessen sollte die Mannschaft auf den Hartplatz ausweichen, der laut Klimaschefski, »tatsächlich so hart« war, dass man dort »ohne große Probleme einen Jumbo« hätte landen können. Doch als der Trainer bemerkte, dass der Platzwart »bereits voll wie ein Eimer« war, schickte er seine Jungs dennoch auf den Rasen. Das passte dem Mann, den alle nur »Brüder« nannten, überhaupt nicht. Unaufhörlich wies er den Trainer durch Zwischenrufe darauf hin, dass er auf dem falschen Platz gelandet sei: »Klimaaa, du Idiot! Runter vom Rasen!«

      Irgendwann wurde Klimaschefski die Sache zu blöd und er wies einen jungen Spieler an, Sprungseile zu holen. Dann versammelte er die Mannschaft am Mittelkreis und sagte: »Ihr geht jetzt runter, nehmt ihn gefangen und fesselt ihn mit den Seilen.« Der wehrlose Platzwart wurde an einen Torpfosten gebunden und mit Bällen, die man an der Strafraumgrenze positioniert hatte, beschossen. Klimaschefski erinnert sich: »Der hat einige Bälle vor den Sack bekommen, aber einknicken ging ja nicht, dafür hatten ihn die Jungs zu gut festgebunden.«

      Der ganze schaurige Spuk endete nach knapp fünfzehn Minuten. Die Frau des Platzwarts kam mit einem Brotmesser aus der Vereinsgaststätte gestürmt und schnitt ihren Mann vom Pfosten los. Heute wohnt Brüder gleich bei Klimaschefski um die Ecke. Dass er beim freundlichen Grüßen immer noch leicht den Kopf einzieht, ist allerdings ein Gerücht.

      Der unerfüllte Traum vom Fußballprofi: Recardo Egel

      Kennen Sie Recardo Egel? Nein? Kein Problem. Denn er ist einer der vielen vergessenen Namen, für die einmal der Fußball-Himmel ganz nah schien. Doch Otto Rehhagel hat es damals leider nicht geschafft.

      Als der junge Erfurter im Sommer 1990 seine Familie verließ, um als Sechzehnjähriger im Werder-Fußball-Internat auf die Zeit als Profi vorbereitet zu werden, da war er noch voller Hoffnungen. Er glaubte an den Bremer Trainer, weil dieser »aus unbekannten Spielern schon Stars gemacht« hatte und Egel diese Vorbilder Tag für Tag live auf dem grünen Rasen bewundern konnte. Gunnar Sauer, Marco Bode, Dieter Eilts und Günter Hermann hatten in denselben Betten geschlafen wie nun er.

      Und eigentlich hatte das Projekt Fußballprofi unter keinem schlechten Stern gestanden. Schließlich brachte Recardo Egel eine Vielzahl guter Voraussetzungen mit nach Bremen. Er war 1,87 Meter groß, kräftig gebaut, hatte eine langjährige Vorausbildung in der Kinder- und Jugendsportschule in Erfurt genossen und sowohl sein Vater, ehemaliger Spieler von Rot-Weiß, als auch seine Mutter, erfolgreiche Fünfkämpferin der DDR, hatten ihn sportlich vorgeprägt. Und dann kam da noch das für einen angehenden Fußballprofi nahezu perfekte Äußere des jungen Mannes hinzu: Seine blondierten Haare, die aufwändig zu einer Vokuhila-Frisur verarbeitet worden waren, und später als Generationen-Muster Idolen wie Thomas Doll, Olaf Bodden und – in Perfektion – Mike Werner zur Verfügung standen, fielen auf.

      Auch sein Name hätte eigentlich ein gutes Omen sein müssen, wie Recardos Mutter Heidi Egel einmal in einer zweiseitigen Story der Sport Bild verriet: