Halbzeitpause. Ben Redelings

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Название Halbzeitpause
Автор произведения Ben Redelings
Жанр Сделай Сам
Серия
Издательство Сделай Сам
Год выпуска 0
isbn 9783895338052



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angesichts der verlogenen Reaktionen: »Ich bin verblüfft über die heuchlerische Haltung des DFB. Ich denke seit einigen Tagen an ein Chanson von Guy Béart, wo der Refrain beginnt: ›Er hat die Wahrheit, drum müssen wir ihn hinrichten.‹«

      Dass Doping unter den Fußballprofis sehr wohl ein Thema war, erzählte Manfred Kaltz bereits im Juli 1982 eher beiläufig: »Auf die Dauer bringt es nichts, wirft man sich vor dem Spiel eine Kapsel ein. Man läuft mehr, hat jedoch kein Gefühl mehr für den Punkt, wo man eigentlich kaputt ist und seine letzten Reserven angreift. Als Profi sollte man lieber die Finger von den Tabletten lassen; lieber mal schlechter spielen ohne Pillen und pausieren, wenn es körperlich nicht mehr geht.«

      Peter Neururer, der knapp zwanzig Jahre nach Toni Schumacher einen neuen Skandal auslöste, als er sagte, dass in den achtziger Jahren vermutlich fast die Hälfte aller Spieler Captagon genommen habe, wusste genau, wie das Aufputschmittel wirkt: »Man sieht den Spielern den Konsum von Captagon an. Die Augen stehen anders. Der Spieler wird nicht mehr müde und neigt auf dem Platz zu Überreaktionen. Das war ein kompletter Wahnsinn, der da gemacht wurde.«

      Wie so etwas in der Praxis aussehen konnte, zeigte der Schotte Willie Johnston. Ihm wurde bei der WM 1978 in einem Doping-Test die Einnahme von Steroiden nachgewiesen. Obwohl er seine Unschuld reklamierte, schickte man ihn nach Hause und belegte ihn mit einer internationalen Spielsperre von einem Jahr. Damals behauptete Johnston, er habe Medikamente gegen Fieber genommen. Später jedoch gab er sein Vergehen zu. Man darf vermuten, dass der Schotte auch anderen Substanzen gegenüber nicht gänzlich abgeneigt war. Seine Rote-Karten-Bilanz spricht jedenfalls Bände: In seiner zwölfjährigen Karriere schaffte es Johnston, beeindruckende zwanzig Mal vom Platz gestellt zu werden.

      Wie ein Mann für einen Moment ein russischer Fußballstar wurde

      Welcher kleine Junge träumt nicht davon, eines Tages im Trikot eines Bundesligisten auf den grünen Rasen eines vollbesetzten Stadions zu laufen, in die Menge zu winken und den Applaus der Fans in sich aufzusaugen. Für Wolfgang Koll, einen Kneipier und Journalisten aus Bonn, ging genau dieser Traum in Erfüllung.

      Anfang der neunziger Jahre veranstaltete die Hamburger Morgenpost zusammen mit einem Radiosender und einigen Unternehmen die abgedrehte Aktion »Halluzi der Stadt-Spuk«. Zwischen Binnenalster und Reeperbahn wurden scheinbar Karpfen aus Gullys gefischt, in Schwimmbädern Urin-Melde-Anlagen installiert, per Funk betriebene Haifischflossen durch die Alster gejagt und U-Bahnen zu Schlafwagen umgebaut. Der Hamburger, der als Erster eine dieser Aktionen enttarnte, konnte per Telefon-Hotline attraktive Preise einheimsen.

      Und da in der Hansestadt der Fußball damals mit zwei Erstligisten gerade florierte, durfte Halluzi natürlich auch ans runde Leder. Die Chance des Lebens für Wolfgang Koll. Von einem alten Freund, der mittlerweile in Hamburg lebte, war er beim Bier dazu überredet worden, bei dieser Aktion mitzuwirken. Und so lief Koll nur wenige Wochen nach diesem Versprechen als Igor Collinski vor 18.631 Zuschauern zum Warmmachen auf den Rasen des Millerntor-Stadions von St. Pauli. Euphorisch war er zuvor vom Stadionsprecher als der überraschende, sensationelle Neuzugang aus Russland angekündigt worden, der topfit direkt in den Kader gerutscht sei. Dem Mann, den das Pauli-Publikum auf dem Feld Verrenkungen machen sah, spannte das hautenge Trikot hingegen deutlich über einer üppigen Wampe. Was die TV-Kameras allerdings nicht davon abhielt, jede Regung des eigenartigen Russen zu verfolgen. Und so filmten sie auch Kolls schnelle Verletzung. Nur wenige Minuten nach dem Start einer großen Karriere musste Igor Collinski auf der Trage besorgter Sanitäter vom Platz befördert werden. Als der Mann mit Bierbauch schließlich auch noch von der Transportgelegenheit krachte, stimmte das gesamte Stadion begeistert applaudierend an: »Halluzi, Halluzi …«

      Der damalige Hansa-Coach und frühere Trainer des Bonner SC, Erich Rutemöller, schaute Koll tief in die Augen. »Mensch, was machst du denn hier?«, fragte er Igor Collinski unten in den Katakomben und man sah Rutemöller deutlich an, dass er den Mann im Trikot vor sich, der eine leichte Bierfahne aussendete, irgendwoher kannte. Vielleicht hätte Koll den Schlachtruf aus gemeinsamen Tagen beim Bonner SC (»Wir brauchen keinen Rudi Völler, wir haben Erich Rutemöller«) anstimmen sollen, doch er sagte nur: »Ich muss jetzt raus!« Und dann erfüllte er sich als Igor Collinski für wenige Minuten den Traum aller fußballbegeisterten Kinder.

      Legenden der Bundesliga

      Als Ewald Lienen Trainer beim 1. FC Köln war, befragte man vor einem Spiel gegen den FC Schalke 04 eine Wahrsagerin, wie sie den Coach einschätzen würde. Und Medusa, die angeblich Alfred Biolek und Michail Gorbatschow zu ihren Kunden zählte, legte sich fest: »Der wird früher oder später überall scheitern. Ein großer Kämpfer zwar, doch er steht sich oft selbst im Weg. Dieser Mann findet keine Ruhe, weil er alles 1.000-prozentig machen will. Er gibt sich nie zufrieden, schafft sich dadurch viele Feinde. Er kann einfach keine Fehler verzeihen.« Dass Lienen Trainer ist, wusste Medusa übrigens angeblich nicht, denn von Fußball »verstehe sie leider gar nichts«.

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      In seinen Anfängen als Spieler war Ewald Lienen durchaus ein Spezialtyp. Seine Frau Rosi versuchte in einem Interview ein wenig seine Außenwirkung geradezurücken: »Viele Fans wollen nicht begreifen, weshalb mein Mann keine Autogramme schreibt. Die halten das für Arroganz. So ein Unsinn. Der Ewald setzt sich halt lieber hin und quatscht mit den Leuten ihre Probleme aus.« Wobei man sich das dann tatsächlich mal bildlich vor Augen führen sollte. Ein Fußballprofi, dem man mit all seinen Alltagssorgen kommen kann – frei nach dem Motto: »Du, Ewald, ich hätte da noch so eine Sache aus meiner Kindheit, die müsste ich unbedingt mal mit jemandem ausdiskutieren …«

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      Mitten im Interview klingelte das Telefon. Und Frau Rosi verriet: »Das war Ewald, der macht sich Gedanken um seine Kohlenhydrate. Er geht jetzt ein Steak essen.« Herrlich!

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      Ein anderer Stratege der damaligen Zeit war der Stürmer Manni Burgsmüller. Als der gebürtige Essener 1985 von Oberhausen zu Borussia Dortmund zurückkehren sollte, machte Burgsmüller ein kleines Geheimnis aus den Verhandlungen mit den Schwarz-Gelben. Einem Journalisten, der ihn direkt auf den möglichen Transfer und einen Kontakt zu Borussen-Präsidenten Reinhard Rauball, der sein Geld als Rechtsanwalt verdient, ansprach, entgegnete er: »Eine Verkehrssache, wegen zu hoher Geschwindigkeit.« Als die Umstehenden kollektiv lächelten, ergänzte Burgsmüller schelmisch grinsend: »Ja, okay, wir haben uns unterhalten.«

      Logik

      »Ich habe ihn ausgewechselt, weil ich einen anderen Spieler einwechseln wollte. Da musste ich einen auswechseln.« Trainer Ewald Lienen

      »In meinem Alter muss ich darauf achten, in einen Verein zu kommen, wo es Medikamente umsonst gibt.« Josef Hickersberger zu seinen Vertragsgesprächen mit Bayer 04 Leverkusen

      »Ein auswärts erzielter Punkt zählt immer.« Willi Schulz

      »Muss ich das jetzt als Frage verstehen oder die Antwort so beantworten, wie Sie sie in Ihre Frage reingelegt haben? Sie haben Ihre Frage so gestellt, dass ich das Gefühl haben muss, als wenn ich das, was Sie gerade gesagt haben, vorher schon gesagt hätte. Das habe ich aber nicht gesagt. Dem was ich gesagt habe, möchte ich nichts hinzufügen.« Erich Ribbeck

      »Reinhold Völker, der Spielausschussvorsitzende des FV Horas, sagte ahnungsvoll in der Pause: ›Das Spiel ist noch nicht zu Ende.‹ Er sollte Recht behalten.« Fuldaer Zeitung

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      »Keine Angst vor dem Spiel am Sonntag. Wenn der Gegner was taugen würde, müsste er nicht in der Kreisklasse spielen.« Unbekannter Kreisklassen-Fußballtrainer zu seiner Mannschaft

      »Beim 1:1-Unentschieden zwischen Motor Diamant und Aufbau erzielten jeweils die Gegner die Tore.« Freie Presse

      »Wenn sie zu Hause einen