Vor dem großen Knall. Emma Vall

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Название Vor dem großen Knall
Автор произведения Emma Vall
Жанр Книги для детей: прочее
Серия
Издательство Книги для детей: прочее
Год выпуска 0
isbn 9788711465783



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Leuten aus dem Weg zu gehen, aber dann blieben nicht mehr viele in der Klasse übrig. Matilda wurde völlig von ihrem neuen Freund vereinnahmt. Und die pflichtbewussten, ordentlichen Streber konnte Svala nicht ausstehen.

      Dann waren da noch die Mädchen aus Dalen. Gleich an ihren ersten Tagen in der Schule hatte es schon Ärger mit ihnen gegeben. Svala warf Nesima einen Blick von der Seite zu. Mit ihren dunklen Haaren sah sie echt süß aus, aber als sie Svalas Blick bemerkte, starrte sie wütend zurück. Svala hatte ihr nie etwas getan, aber Nesimas aggressive Art provozierte sie. Sie hatte Lust, es ihr mit gleicher Münze heimzuzahlen.

      »Warum bist du überhaupt hier, wenn du alles so öde findest und du es nicht aushalten kannst?«, hatte Mia Nesima während einer Pause einmal in herablassendem Ton gefragt.

      Nesima hatte zuerst nicht geantwortet.

      »Mein Bruder hat mich gezwungen«, sagte sie schließlich. »Er hat gemeint, hier gibt es gute Leute. Aber da hat er sich schwer getäuscht«, sagte sie trotzig und Svala hatte das Gefühl, dass Nesima dabei ausgerechnet sie mit ihrem Blick durchbohrte.

      Ein schwacher Brandgeruch erfüllte die Turnhalle, in der an manchen Stellen rußige Flecken zu sehen waren. Katja stand regungslos in der Mitte. Um sie herum sammelten sich die Neuntklässler. Emilie ließ Kaugummiblasen zerplatzen. Hasim, Ali und Sozan hatten sich oben auf die Sprossenwand gesetzt. Svala suchte den Raum nach Matilda ab. Sie hockte gelangweilt auf einer Bank an der Wand. Magnus Smedjegård und Britt Magnell standen mit verschränkten Armen im Eingang und warfen einander missbilligende Blicke zu. Katja machte nicht die geringsten Anstalten, das Wort zu ergreifen oder für Ordnung zu sorgen. Nesima und Fatimah hatten einen Kasten geholt, auf dem sie saßen und tuschelten. Britt Magnell klatschte ungeduldig in die Hände, damit es ruhiger wurde, aber Katja machte eine abwartende Handbewegung, stand weiter ganz still in der Halle und beobachtete den Trubel.

      Erstaunt bemerkte Svala, wie sich der Lärm beruhigte und sich Stille über den Saal legte. Alle Augen waren auf Katja gerichtet, die immer noch schweigend dastand. Nachdem fast eine Ewigkeit vergangen war, hob sie ein wenig den Kopf und ließ ihren Blick einmal in die Runde durch die Turnhalle wandern.

      »Willkommen! Wir werden zusammen Theater spielen. Ich verlange von euch völlige Konzentration. Hier drinnen herrschen für jeden von euch dieselben Bedingungen, auch für die Lehrer. Die Ansagen mache ich«, verkündete Katja und ließ ihren Blick auf der stocksteifen Gruppe in der Tür ruhen. Mit einem Lächeln wandte sie sich dann an die Jugendlichen.

      »Die Lehrer sind keine Lehrer mehr und ihr seid keine Schüler mehr. Gemeinsam sind wir eine Theatergruppe. Wir arbeiten mit Szenen aus einem Stück, das ich auch im Margaretapark aufführe. Ihr habt bestimmt alle das Zelt gesehen. Wer auch seine Abende und Wochenenden fürs Theater einsetzen will, kann gern in den Park kommen.«

      »Müssen wir da denn auch mitmachen?«, rief ein Junge aus Svalas Parallelklasse.

      »Hast du einen guten Grund, warum du nicht dabei sein willst?« Katja sah ihn aufmerksam an.

      »Wir wollen aufs Gymnasium wechseln und können unser Abschlusszeugnis nicht riskieren.«

      Alles rief »Buh«, und auf dem Gesicht des Jungen erschienen zwei rote Flecken, woraufhin er seinen Kopf hängen ließ. Katja mahnte alle zur Ruhe.

      »Das Theater ist gewissermaßen Teil des Unterrichts. ›Romeo und Julia‹ ist ein klassisches Drama, das für verschiedene Fächer nützlich ist. Und für das wahre Leben. Ich glaube nicht, dass du dir Sorgen machen musst.«

      Svala beobachtete, wie die Lehrer vielsagende Blicke wechselten. Ali drückte einem Mitschüler, der unter ihm in der Sprossenwand saß, seine schmutzigen Turnschuhe ins Haar. Nesima und Fatimah steckten schon wieder die Köpfe zusammen und tuschelten.

      Katja forderte alle auf, sich hinzustellen.

      »Erst einmal wärmen wir uns auf.«

      »Ey, ist das Theater oder Sport?«, rief jemand und alle kicherten.

      Svala stellte sich mitten in die Halle. Immer mehr Leute schlossen sich an. Katja winkte die Lehrer heran, die sich unsicher aus dem Eingangsbereich näherten.

      Hasim, Ali und Sozan hingen immer noch in der Kletterwand. Katja startete eine wilde und lustige Polonaise, der sich mal verlegen, mal mit lautem Lachen immer weitere Teilnehmer anschlossen. Svala stellte fest, dass es ihr großen Spaß machte. Als sie einen Blick zur Sprossenwand warf, sah sie, wie die drei da oben nur mit Mühe ihre coole Haltung bewahren konnten. Man sah ihnen an, dass sie gern mitmachen würden, doch ihr Stolz ließ es nicht zu.

      In der darauffolgenden Stunde hatten sie Mathematik bei Göran Svanberg. Svala hasste seinen Unterricht. Er hatte Mundgeruch und ließ seinen Frust immer an den Schülern aus, die sich nicht wehren konnten. Außerdem kam er den Mädchen immer viel zu nahe, wenn er die Rechenaufgaben kontrollierte. An Svala traute er sich nicht heran, auch nicht an Matilda. Einmal hatte Matilda ihm geradewegs ihren Ellbogen in den Bauch gerammt, und ein andermal hatte Svala ihm direkt ins Gesicht gesagt, er solle gefälligst mehr Abstand halten. Deshalb hatten beide keine gute Note in Mathe.

      Zu Nesima und Fatimah war er richtig gemein. Er machte gehässige Kommentare und verspottete die beiden wegen ihrer alten Grundschule.

      »Na, kleine Nesima«, sagte Svanberg jetzt gerade höhnisch. »Hast du endlich ein bisschen Algebra verstanden? Darf ich mal deine Aufgabe sehen?«

      Dann stellte er sich unangenehm dicht neben Nesima und Svala sah, wie Nesima sich so weit zur Seite lehnte, dass sie fast von ihrem Stuhl fiel. Svala stand auf, ging lässig nach vorn, um ihren Bleistift anzuspitzen, und stieß dabei Svanberg an, der total gekrümmt an Nesimas Tisch stand. Er verlor die Balance und landete unter dem schadenfrohen Gelächter der Schüler mitten im Klassenzimmer auf dem Hintern.

      »Oh, Entschuldigung«, sagte Svala mit Unschuldsmiene. »Ich hab Sie gar nicht gesehen. Ich war so in die Aufgabe vertieft.«

      Svanberg sah sie wütend an, als er sich aufrappelte. Svalas Blick traf sich mit Nesimas. Sie sah, wie ein zaghaftes Lächeln über deren Gesicht huschte, bevor sie sich wieder über ihr Mathebuch beugte.

      Svala setzte sich zurück auf ihren Platz. Sie war heute nur zur Hälfte anwesend. Gestern im Zelt hatte es Spaß gemacht. In der Gruppe war das Improvisieren gar nicht schwierig. Wenn man dagegen wie Linn allein auf der Bühne stand, war es bestimmt viel schwerer. Svala hatte gestern ihren Freund gesehen. Er hatte eher dunkle Haut und sah etwas indisch aus. Linn hatte ihn während der Probe die ganze Zeit über verliebt angeguckt und in der Pause hatten sie bei den Wagen zusammengesessen und sich geküsst.

      Heute Abend würde Svala wieder in den Park gehen.

      Die Hip-Hop-Tänzerin

      Aisa hatte Pfannkuchen gebacken, so wie früher, als Svala noch klein war. Damals konnte Svala sich nichts Besseres vorstellen, aber heute Abend schlang sie das Essen herunter, gab Aisa rasch einen Kuss und zog sich die Jacke an.

      »Du willst doch nicht schon wieder zum Theater?«, fragte Aisa. »Was ist mit deinen Hausaufgaben? Denk dran, dies ist dein letztes Schuljahr vor dem Gymnasium und du hast nur noch einen Monat.«

      Svala lächelte sie an.

      »Keine Sorge. Die Erdkundearbeit ist gut gelaufen, ich hab bestimmt fast alles richtig.«

      »Und Mathe?«, fragte Aisa, die wusste, dass dieses Fach Svalas wunder Punkt war.

      »Du weißt doch, dass ich Svanberg nicht ausstehen kann«, antwortete Svala. »Seit ich ihn in der Siebten angeschrien habe, weil er mich betatscht hat, hat er mich auf dem Kieker.«

      »Hast du damals nicht etwas übertrieben?« Svala spürte Aisas fragenden Blick und merkte, wie die Wut in ihr hochkochte.

      »Glaubst du ihm etwa mehr als mir? Nur weil das Ekelpaket sich bei den Eltern einschleimt. Du kapierst gar nicht, wie ekelhaft der Typ ist! Heute hat er ein Mädchen aus der Dalen-Siedlung angegrabscht. Und so was verteidigst du auch noch?«

      Svala knallte die Tür hinter sich zu und marschierte