Vor dem großen Knall. Emma Vall

Читать онлайн.
Название Vor dem großen Knall
Автор произведения Emma Vall
Жанр Книги для детей: прочее
Серия
Издательство Книги для детей: прочее
Год выпуска 0
isbn 9788711465783



Скачать книгу

Jan im Stadtteil Södermalm gewohnt. Aisa lebte damals auf Island und Jan war mit seinem ersten Hilfstransport nach Bosnien unterwegs.

      Katja zog Svala mit sich zu einem schäbigen alten Gartenstuhl, der vor einem Zirkuswagen stand. Svala setzte sich auf die Wagentreppe und sah sich um.

      »Ich würd gern mitmachen«, sagte sie, als ihr Blick auf einen süßen Jungen fiel. Er war dunkelhäutig, nicht größer als sie selbst, und hatte dicke, glänzende schwarze Haare. Er sah aus wie ein Indianer.

      »Super Einfall von eurer Rektorin, in der Schule Theater zu spielen. Sie sieht total trutschig aus, aber sie hat’s echt drauf. Leider scheinen nicht alle Lehrer vom Theaterprojekt angetan zu sein. Sie haben was dagegen, dass sich jemand in ihren Unterricht einmischt.«

      »In der Turnhalle, wo ihr arbeiten sollt, hat es ein Feuer gegeben.«

      »Ich hab’s gehört, aber es ist wohl nicht so schlimm gewesen. Jetzt müssen wir alle mit einbeziehen, damit niemand auf die Idee kommt, uns zu sabotieren«, erklärte Katja.

      »Weiß man, wer es war? Ich hab gehört, dass ein paar Lehrer den Kids aus Dalen die Sache in die Schuhe schieben.«

      »Das ist mal wieder typisch! Aber gerade die müssen wir mit ins Boot holen, damit es keine Kämpfe zwischen rivalisierenden Gangs gibt wie im Stück. Im Moment sind hier, wie es aussieht, eher Jugendliche aus Alt-Enskede.«

      Katja zeigte auf die Interessierten, die über das Gelände spazierten und zuschauten, wie das Zelt aufgebaut wurde. Der vertraute Margaretapark verwandelte sich mit dem blau-weiß-rotgestreiften Zelt, den bunten Wimpeln und den fünf Zirkuswagen in einen Zirkusplatz. In einem der Wagen wohnte Katja. Drei andere waren als Garderoben für die Schauspieler vorgesehen und im fünften wurde gekocht.

      »Französisch!«, schrie Svala plötzlich auf. Die Zeit war wie im Flug vergangen. »Ich komm nach der Schule wieder«, rief sie und rannte zum Unterricht, den sie mit fünf Minuten Verspätung erreichte.

      Magnus Smedjegård musterte sie von oben bis unten.

      »Wenn ihr glaubt, ihr könnt wegen des Theaters fehlen, dann habt ihr euch gewaltig geirrt«, sagte er und startete die Stunde mit einem unangekündigten Test. Fatimah war als Erste fertig. Sie sprach fließend Französisch, weil sie aus Algerien stammte, aber Smedjegård meckerte ständig an ihrem arabischen Akzent herum. Ihre schriftlichen Arbeiten dagegen waren tadellos.

      Partir, partant, parti ... Svala schrieb die Verben hin, aber mit den Gedanken war sie wieder im Park. Sie fühlte sich zwar noch zu schüchtern, um selbst im Rampenlicht zu stehen, aber sie wollte unbedingt beim Theater mitmachen und Katja helfen.

      Und wie von selbst wanderten ihre Gedanken weiter zu dem Jungen mit den schwarzen Haaren. Wie er wohl heißen mag, überlegte sie und nagte dabei an ihrem Stift.

      Nach Unterrichtsschluss ging sie auf ihrem Heimweg an der Turnhalle vorbei. Es roch immer noch nach Rauch und die Absperrungen waren noch da, auch wenn die Feuerwehr abgezogen war. Was waren das für Idioten, die in der Turnhalle Feuer gelegt hatten?

      Graffiti auf dem Zirkuswagen

      Am nächsten Tag ging Svala direkt nach der Schule in den Park. Es war kühl, aber sonnig. Katja hatte sich in ihren alten Gartenstuhl zurückgelehnt und faulenzte. Doch nur auf den ersten Blick. Zwischen ihren Augenbrauen hatte sich eine steile Falte gebildet, während sie verärgert im Textbuch blätterte.

      Nach dem Inferno am Vorabend, als fünfzig Personen zur Probe erschienen waren, war es im Park ruhig. Von der Schule waren allerdings nur wenige Leute gekommen. Svala hatte bei dieser Gelegenheit eine ganz neue Katja kennengelernt. Ruhig und bestimmt hatte sie das Kommando übernommen, und sobald sie ihre Stimme nur ein klein wenig erhob, hatten alle zugehört. An diesem Abend sollten sie zu verschiedenen Themen improvisieren.

      Svala hatte die meiste Zeit über am Rand gesessen und zugeschaut. Sie wäre zwar gern dabei gewesen, aber sie wusste auch, dass sie sich komisch vorgekommen wäre. Die eine Svala wollte auf der Tribüne sitzen bleiben und kritische Beobachterin sein, während die andere Svala liebend gern auf der Bühne improvisiert und eine lebende Statue oder was auch immer verkörpert hätte.

      Svala fühlte sich oft wie zwei verschiedene Personen. Eine, die beobachtete und registrierte, und eine andere, die eine Sache in Angriff nahm und dabei sein wollte. Allzu oft siegte die Zuschauerin. So wie gestern Abend. Svala hatte für die anderen immer eine Ausrede parat, warum sie lieber am Rand saß – aber sich selber konnte sie nur schwer anlügen.

      Svala setzte sich auf die Treppe zum Zirkuswagen und wartete darauf, dass Katja das Gespräch eröffnete.

      »Diese verdammten Kids«, sagte Katja unvermittelt und seufzte.

      »Was ist denn los?«, fragte Svala vorsichtig.

      »Komm mal mit.«

      Katja sprang auf und zog Svala hinter sich her zu dem Zirkuswagen, der am äußersten Ende der Reihe stand und allmählich zum Schminkwagen umfunktioniert werden sollte. Über seine gesamte Rückseite stand mit großen schwarzen Buchstaben: Hier fögln Nutten und Schwuhle. Das Ganze war mit einem Tag signiert, den Svala noch nie gesehen hatte.

      Der Wagen hatte gerade erst einen frischen Anstrich in einer fröhlichen roten Farbe bekommen. Und jetzt leuchteten ihnen die Worte in der schwarzen Schrift entgegen.

      »Soll ich probieren, ob es abgeht?«, fragte Svala.

      »Lass es uns zusammen versuchen.«

      Schweigend schrubbten sie mit diversen Chemikalien, ohne dass die Farbe verschwand. Stattdessen sah nun alles noch schlimmer aus.

      »Immerhin haben sie den Wagen nicht abgefackelt, wie sie es mit der Turnhalle versucht haben«, sagte Svala.

      Katja verwuschelte ihr liebevoll das Haar.

      »Das nenn ich positives Denken.« Dann wurde sie ernst. »Wir müssen es wegschleifen. Ich hab letzte Nacht keinen Ton gehört, der Täter muss verdammt still gewesen sein.«

      »So was rufen uns die Typen aus Dalen nach«, sagte Svala schließlich. »Schwule Sau, Schwedennutte und solche Sachen.«

      »Und das lasst ihr euch gefallen?« Katja rümpfte die Nase und Svala zuckte mit den Schultern.

      »Was können wir denn machen?«

      »Ich muss mehr Kids aus Dalen einbeziehen und nicht nur diejenigen aus dem Schulprojekt. Ist doch klar, dass sie sich ausgegrenzt fühlen. Eigentlich hätte ich das Zelt mitten in Dalen aufbauen sollen. Ich hab eine Gruppe von dort gesehen, die supergut tanzen kann. Wenn ich die bloß mit ins Boot holen könnte.« Katja sah Svala nachdenklich an.

      »Zwischen den Leuten aus Dalen und uns aus Enskede hat es immer gekracht. Mein Bruder Pétur hat ständig was auf die Fresse gekriegt, als er hier gewohnt hat. Er ist andauernd verprügelt nach Hause gekommen. Ich pass immer auf, wenn ich spät noch unterwegs bin.«

      »Rivalität und Angst, genau wie in ›Romeo und Julia‹. Dass dieses Drama sich ständig wiederholt, auch nach Hunderten von Jahren noch.« Katja lächelte traurig, bevor sie deklamierte:

      »Zwei Häuser in Verona, würdevoll,

      Wohin als Szene unser Spiel euch bannt,

      Erwecken neuen Streit aus altem Groll,

      Und Bürgerblut befleckt die Bürgerhand.

      Das ist aus dem Prolog zu ›Romeo und Julia‹«, erklärte sie.

      »Ich weiß, es hört sich schrecklich an, wenn ich so rede«, sagte Svala schnell. »Wo ich auf antirassistische Demos gehe und meine Mama selber eingewandert ist. Aber das Sexgerede von diesen Typen nervt total. Sie sind überhaupt nicht so wie Ervin aus Kroatien, der Freund von meinem Bruder.«

      »Glaubst du nicht, dass sie sich in deiner Schule außen vor fühlen? Du findest ja selbst die Stimmung da nicht so toll«, sagte Katja. »Was denkst du, wie es für sie ist?«

      Mit einer