Vor dem großen Knall. Emma Vall

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Название Vor dem großen Knall
Автор произведения Emma Vall
Жанр Книги для детей: прочее
Серия
Издательство Книги для детей: прочее
Год выпуска 0
isbn 9788711465783



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du abends den Platz?«, fragte Svala.

      »Ich wohne doch sowieso in einem der Wagen. Aber bevor noch öfter solche ärgerlichen Sachen passieren, sollten wir nachts wohl wirklich Wachen einteilen, wenn jetzt die Proben anfangen. Wir machen einen Plan, wer wann zuständig ist. Bist du dabei?«

      Die Frage munterte Svala auf. Ihr erster Reflex war allerdings der sonderbare Gedanke: Ich frag mal meine Mutter. Doch sie schluckte die Worte hinunter und sagte stattdessen: »Ja, klar. Wann du willst.«

      Katja hob die Hand und winkte jemandem zu. Der süße langhaarige Junge, den Svala am Vortag gesehen hatte, kam über den schmalen Weg vom Handelsvägen auf sie zu.

      »Hallo, Petter. Gut, dass du kommst. Da können wir gleich über die Beleuchtung sprechen. Kennt ihr euch?«, fragte Katja.

      »Svala.« Svala streckte ihre Hand aus. Er warf ihr einen kurzen Blick zu und lächelte. Aber er schien sie nicht wirklich wahrzunehmen, er war einfach nur freundlich.

      »Hallo. Gehörst du zum Ensemble?«

      »Sie hilft mir«, sagte Katja. »Aber vielleicht willst du ja auch auf der Bühne stehen?« Sie sah Svala aufmerksam an.

      »Vielleicht. Gestern hatte ich das Gefühl, es könnte Spaß machen, aber nur als eine in der Menge.«

      »Klar«, sagte Katja und prustete los. »Ich wollte dir auch nicht gleich die Rolle der Julia geben.«

      »Linn ist bestimmt total super als Julia«, sagte Petter mit einem träumerischen Tonfall. »Sie sieht echt toll aus.«

      Katja versetzte ihm mit der Spitze ihres Stiefels einen Tritt.

      »Keine Chance. Sie ist seit Monaten fest mit Felix zusammen«, sagte sie und zwinkerte Svala zu. Dann schnappte sie ihren Ordner und ging zum Zelt.

      »Wir proben heute Abend um sieben. Komm auf alle Fälle vorbei!«, rief sie Svala über ihre Schulter zu, bevor sie mit Petter verschwand.

      Wieso eigentlich nicht? Warum sollte sie nicht einmal ausprobieren, Theater zu spielen? Lust dazu hatte sie schon lange. Es brauchte ja nicht gleich eine Sprechrolle zu sein.

      Svala schlenderte langsam nach Hause, wo sie sich mit ihren Schulbüchern in die Sofaecke sinken ließ. Ihre Mutter benutzte diesen Raum als Schlafzimmer, Wohnzimmer und Atelier, daher hing ein schwacher Geruch von Terpentin in der Luft. Auch wenn Svala nicht kapierte, wie Aisa in den Farbdünsten schlafen konnte, schien ihre Mutter glücklich zu sein, dass sie bis in die Nacht hinein malen konnte. Manchmal, wenn Svala den Fernseher abgeschaltet hatte und ins Bett gegangen war, legte Aisa eine CD mit gregorianischem Chorgesang auf und stellte sich an die Staffelei. Es war schon vorgekommen, dass sie immer noch malte, wenn Svala morgens aufstand. Dann guckte Aisa nur geistesabwesend hoch und murmelte etwas von Frühstück.

      Gelangweilt nahm Svala das Erdkundebuch und fing an, sich die afrikanischen Staaten mit ihren Hauptstädten einzuprägen. Algerien, Togo, Elfenbeinküste, Angola, Südafrika. Das Auswendiglernen fiel ihr leicht, weshalb die Namen schnell saßen, jedenfalls für den Test, den sie morgen ablegen musste.

      »Idioten!«, brüllte Aisa und warf sich ins Sofa. Svala war so ins Lernen vertieft gewesen, dass sie nicht einmal bemerkt hatte, wie Aisa nach Hause gekommen war.

      »Pass auf meine Papiere auf.« Svala versuchte ihre Sofaecke gegen ihre empörte Mutter zu verteidigen.

      »Abgelehnt! Kannst du dir vorstellen, dass sie meine drei Bilder ›Unrasiert aus dem Dunkel der Fußmatte‹ nicht nehmen wollen?« Aisa zeigte auf den Brief, den sie in der Hand hielt.

      Svala wartete darauf, dass Aisa den Brief vor Wut in Fetzen riss. Stattdessen las ihre Mutter vor, welche Bilder in die Sommerausstellung des Kunstsalons aufgenommen würden – an die hundert Stück hatte man ausgewählt.

      »Das war ein Riesenfehler von ihnen«, sagte Aisa.

      Dann lachte sie, als wäre ihr ein genialer Einfall gekommen, und streichelte zärtlich den Brief.

      »Mein Triptychon soll in einer eigenen Ausstellung strahlen. Und diesen Brief werde ich dann auf die Rückseite kleben. Was lernst du da übrigens?«

      »Erdkunde. Es geht um Afrika.«

      »Lass mal sehen.« Aisa nahm ihr die Zettel mit den Übungsaufgaben aus der Hand.

      »Spinnt der, euer Lehrer? Sollt ihr das alles völlig ohne Zusammenhang lernen? Und warum bitte schön sehen die Länder so aus?« Sie deutete aufgebracht auf die schnurgeraden Staatsgrenzen.

      »Hat der Lehrer kein Wort zum Kolonialismus gesagt? Wie die reichen Länder Afrika ausgesaugt haben? Die EU-Länder, die heute eine Festung um ihre zusammengeraubten Reichtümer angelegt haben? Ihr könnt doch nicht einfach nur Fakten nachbrabbeln, ohne den Zusammenhang zu verstehen.«

      Aisa kochte vor Wut und wollte den Erdkundelehrer sofort anrufen.

      »Hör auf, Pétur hatte ihn auch in der Neunten und da hat er dieselben Tests geschrieben. Glaubst du, du kannst mit deinem Anruf irgendwas ändern?«

      Svala zog wütend die Augenbrauen zusammen. Wenn Aisa ihn anrief, würde ihr Erdkundelehrer sauer werden. Inzwischen konnte sie immerhin die Namen aller Länder und die meisten Hauptstädte, auch wenn sie keine Ahnung über ihre Regierungsformen, ihre Traditionen oder Kulturen hatte.

      »Diese Schule!«, sagte Aisa mit einem resignierten Seufzer. »Hoffentlich finden wir nach diesem sinnlosen Unterricht ein Gymnasium, das Wert auf Bildung legt und auf die Fähigkeit, Zusammenhänge zu erkennen.«

      Aisa erhob sich ungeduldig vom Sofa.

      »Ich ruf in der Buchhandlung an. Jetzt soll Ulla die Chance bekommen, den Bewohnern von Enskede außer ihren Büchern auch noch echten Kunstgenuss zu bieten.«

      Svala malte sich aus, wie die drei Kunstwerke im Schaufenster von Ullas Laden hingen und allen Passanten ins Auge fielen. Sie wusste nicht recht, ob sie es peinlich finden sollte oder witzig. Sie wusste nur, dass ihre Mutter es garantiert schaffen würde, Ulla zu überreden, dass sie ihre neueste Werkfolge in der Buchhandlung würde ausstellen können – eine alte, abgewetzte Fußmatte, die Aisa zerschnitten und auf drei Bilder mit behaarten Frauen verteilt hatte. Das Ganze war unbeschreiblich und nicht gerade Aisas schönstes Kunstwerk. Trotzdem war Svala stolz, dass sie eine Mutter hatte, die sich etwas traute.

      Allerdings machte Aisa, seit sie von ihrer Auszeit auf Island zurückgekehrt war, ein total übertriebenes Theater um ihre Projekte. Svala ging das auf die Nerven, und manchmal dachte sie, dass sie und Pétur es eigentlich richtig gut gehabt hatten, als sie noch alleine wohnten.

      Katjas erster Auftritt

      »Ihr wisst ja, dass ihr heute einen Test schreibt«, sagte Krister, der Erdkundelehrer, der mit seinen hängenden Wangen Ähnlichkeit mit einem müden Hamster hatte.

      Svala sah sich um. Sie beobachtete, wie sich Mickan von Jasmin helfen ließ, die ihr die Lösungen zuflüsterte. Krister nahm keine Notiz davon. Sofia und Emelie kupferten alles aus dem Erdkundebuch ab, das sie auf dem Schoß liegen hatten. Selbst wenn der Test total sinnlos war, konnte Svala es nicht ausstehen, wenn geschummelt wurde. Außerdem fand sie es nervig, dass sie Stunden damit zugebracht hatte, Ortsnamen einzupauken, die die anderen einfach nur abschrieben. Warum war Krister das alles egal? Wollte er einfach nur die Stunde rumkriegen?

      Svala musterte ihren Lehrer. Womit beschäftigte er sich außerhalb der Schule? Was für ein Leben führte er? Im Klassenzimmer machte er immer nur einen schlappen Eindruck. Svala biss die Zähne zusammen. Sie wollte in ihrem Abschlusszeugnis eine Eins in Erdkunde haben, egal wie dämlich die Klassenarbeit war.

      Als sie die Ortsnamen in die Karte eintrug, fiel ihr plötzlich die Hauptstadt von Tansania nicht mehr ein. War es Dodoma oder Daressalam? Als sie nach der Stunde das Klassenzimmer verließ, beobachtete sie, wie sich Mickan mit Jasmins Lipgloss affektiert die Lippen färbte, und hörte sie sagen: »Das war ja kein Problem. With a little help from my friend

      Svala