Chirurginnen. Volker Klimpel

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Название Chirurginnen
Автор произведения Volker Klimpel
Жанр Медицина
Серия
Издательство Медицина
Год выпуска 0
isbn 9783942825887



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einiger Besonderheiten hervorgehoben. Da ist einmal Prof. Jutta Krüger (*1941) mit ihrem recht abwechslungsreichen Lebenslauf, der seinen Höhepunkt als Ober- und Chefärztin an der von Werner Usbeck (1920–2007) begründeten Neurochirurgischen Akademie-Klinik in Erfurt fand. Als sich 1989/90 bedingungslos in den Dienst des Neuaufbaus stellende „Westärztin“ hat sie den Kampf um den Erhalt der Medizinischen Hochschule miterlebt, mitgestaltet und in einer aufschlussreichen Dokumentation festgehalten [69].

      Die Wienerin Margareta Klinger (*1943) brachte schon einen medizinischen Doktortitel aus Kanada mit und hat dann noch eine zweite Promotion in Deutschland abgeschlossen. Sie ist Schülerin von Prof. Wolfgang Schiefer (1919–1980) in Erlangen und war die erste Frau in Deutschland, die sich in Deutschland für Neurochirurgie habilitiert hat. Noch im Ruhestand war Prof. Klinger als Patientenfürsprecherin des Universitätsklinikums Erlangen aktiv. 2005 wurde sie, die verheiratet ist und drei Söhne zur Welt gebracht hat, zum Ehrenmitglied der Deutschen Gesellschaft für Neurochirurgie ernannt. Von der jüngeren Generation, geboren in den 1960er und 1970er Jahren, tritt eine stattliche Reihe von Neurochirurginnen auf den Plan, allesamt Professorinnen: Kirsten Schmieder in Bochum, Cornelia Czedich in Saarbrücken, Raphaela Verheggen in Bad Pyrmont, Patra Charalampaki als Oberärztin in Köln-Merheim, Juliane Behnke-Mursch in Bad Berka, Uta Schick in Münster, Ilonka Kreitschmann-Andermahr in Essen, Ulrike Blömer niedergelassen in Damme/Niedersachsen. – Ursula Schüwer war Chefärztin einer Rehaklinik in Pulsnitz/Sachsen und Aeilke Brenner leitete über 25 Jahre die Neurochirurgie am Werner-Forßmann-Krankenhaus in Eberswalde [10].

      Auch die Zahl habilitierter Orthopädinnen, Unfallchirurginnen und Urologinnen wächst ständig. Zu nennen sind hier – willkürlich herausgegriffen – Renée Lampe, Orthopädie TU München, Margit Fisch, Kinderurologie Hamburg-Eppendorf (erste Ordinaria dieses Fachgebietes!), Daniela Schultz-Lampel, Urologie am Schwarzwald-Baar-Klinikum, Ricarda M. Bauer, Urologie der LMU München, Ruth Kirschner-Hermanns, Urologie Bonn, Dorothea Weckermann, Urologie Augsburg, Andrea Meurer, Orthopädie Frankfurt am Main (2017 Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und orthopädische Chirurgie), Bettina Westhoff, Orthopädie Düsseldorf, Viola Bullmann, Orthopädie Köln, Angela Olinger in Salzgitter und dann in Plau am See (sie war die erste habilitierte Unfallchirurgin in Westdeutschland), Julia Seifert, Unfallchirurgie Greifswald (lange Jahre Vizepräsidentin des BDC). Seit September 2020 ist Tina Histing Ärztliche Direktorin und Direktorin der Klinik für Unfall- und Wiederherstellungschirurgie an der BG Klinik Tübingen und zugleich Lehrstuhlinhaberin für Unfallchirurgie an der Medizinischen Fakultät der Eberhard-Karls-Universität Tübingen als erste Unfallchirurgin.

      Einen besonderen Platz unter den Spezialistinnen nehmen die Kinder­chirurginnen und die Plastischen Chirurginnen ein, weil sie diese Disziplinen, offenbar ihrer Neigung und Geschicklichkeit folgend, schon sehr frühzeitig vorangetrieben und bedeutende Persönlichkeiten in ihren Reihen haben. Einige der nicht mehr lebenden Vorkämpferinnen werden im zweiten Teil ausführlich gewürdigt. An dieser Stelle blicken wir nun auf die emeritierten oder noch aktiven Kolleginnen/Professorinnen: Felicitas Eckoldt-Wolke, Kinder­chirurgie Jena, Helga Roth, Kinderchirurgie Heidelberg (erste Professorin dieses Spezialgebietes in Deutschland), Karin Rothe, Kinderchirurgie Charité Berlin, Sylvia Glüer, Kinderchirurgie Hameln/Hildesheim, Mariana Santos, Kinderchirurgie Düsseldorf, Barbara Ludwikowski, Kinderchirurgie Hannover, Monika Krause, Kinderchirurgie Trier, Heidrun Gitter, Kinderchirurgie Bremen (seit 2012 auch Präsidentin der LÄK Bremen).

      Hildegunde Piza-Katzer

      Von den Vertreterinnen der Plastischen-, Wieder-herstellenden- und Handchirurgie verdienen vor allem die Professorinnen Hildegunde Piza-Katzer in Wien und Innsbruck sowie Christine Radtke in Wien, die Magdeburger Professorin Gertrud Pohl, die Geldmacher-Schülerin Prof. Margita Flügel, früher Erlangen, dann Hannover, Prof. Jutta Liebau in Münster, dann Düsseldorf und Prof. Marianne Schrader in Lübeck, die ehemalige Chefärztin Dr. Mechthild Weiße-Lögering in Pirna/Sachsen u. a. erwähnt zu werden. Von Prof. Pohl liegt dem Verfasser ein eindrucksvoller autobiographischer Abriss vor, der ein recht ungewöhnliches Leben offenbart. Als Landarbeiterkind Gertrud Anneliese Jahnke am 31. Januar 1935 in Terpen, Kreis Mohrungen, geboren, verlor sie mit sechs Jahren den Vater im Krieg, wurde 1947 aus Ostpreußen ausgewiesen und fand in der Altmark eine neue Heimat. 1953 konnte sie an der Winkelmann-Oberschule in Seehausen das Abitur ablegen und von 1953 bis 1958 in Greifswald und Magdeburg Medizin studieren. Von 1960 bis 1964 absolvierte sie – inzwischen promoviert und verheiratet – die chirurgische Ausbildung an der Medizinischen Akademie in Magdeburg bei Prof. Werner Lembcke (1909–1989). Mit Sondergenehmigung erhielt sie einen postgradualen Studienplatz für Plastische und Wiederherstellende Chir­urgie in Brünn (Brno) (V. Kubáček) und Prag (V. Karfík). Danach erhielt G. Pohl nach ihren Angaben die erste Facharztanerkennung auf diesem Gebiet in der DDR. Eine erste große Bewährungsprobe hatte sie 1967 bei der Versorgung Schwerstbrandverletzter nach dem Zugunglück von Langenweddingen zu bestehen. 1969 erhält sie nach intensiven Bemühungen eine eigene Abteilung an der Chirurgischen Klinik der Medizinischen Akademie Magdeburg. Mutter eines Sohnes und einer Tochter, habilitierte G. Pohl 1976 (damals Promotion B genannt), führte die Sektion Plastische und Wiederherstellende Chirurgie innerhalb der DDR-Chirurgengesellschaft (1972–1990), nahm an nationalen und internationalen Kongressen teil und wurde 1989 a. o. Professorin. Von 1993 bis 2002 arbeitete sie in eigener Niederlassung. Rückblickend meinte die mehrfach Ausgezeichnete, dass es „in dieser Zeit in der Chirurgie allgemein noch gewisse Voreingenommenheiten ärztlichen Mitarbeiterinnen gegenüber und den Spezialisierungsbestrebungen gab, die von namhaften Chirurgen abgelehnt wurden oder unerwünscht waren“ [96].

      Wenden wir uns wieder der Allgemein- und Viszeralchirurgie zu. Aus der immer größer werdenden Schar weiblicher Chirurgen heben sich Namen von Rang ab. So gilt zum Beispiel unsere Aufmerksamkeit Dr. Ingrid Hassel­blatt-Diedrich (*1940), die einerseits als Schülerin des Chirurgen Günther Vetter (1920–2014) am Bürgerhospital Frankfurt am Main als Oberärztin und dann im Krankenhaus Frankfurt-Sachsenhausen als Chefärztin und andererseits im Hartmannbund und in der Hessischen Landesärztekammer Karriere machte [55]. Ihre Kollegin Dr. Ursula Stüwe (*1947) wurde 2004 ebenfalls Präsidentin der Landesärztekammer Hessen. Sie hatte sich als gelernte Krankenschwester auf dem zweiten Bildungsweg die Hochschulreife erworben, Medizin studiert, war Fachärztin für Chirurgie und Unfallchirurgie geworden und arbeitete von 1979 bis 2010 als Oberärztin und Controllerin an den Dr.-Horst-Schmidt-Kliniken in Wiesbaden. Überregional bekannt geworden ist U. Stüwe als Expeditionsärztin der „Polarstern“ in der Antarktis <QI17>.

      Auch für die endokrine resp. Schilddrüsenchirurgie wurden ab etwa 2005 spezielle Abteilungen unter Führung von Chirurginnen gebildet. Beflügelt wurde diese Entwicklung vor allem durch Dr. Ursula Engel aus Hamburg, die zunächst ab den Achtzigern im damaligen AK Hamburg-Harburg bei Prof. Volker Bay und ab Mitte der Neunziger am AK Hamburg-Altona bei Prof. Wolfgang Teichmann für diesen Bereich zuständig war. Heute sind solche Einheiten u. a. mit den Namen Dotzenrath, Heidemann, Schwarz, Rayes und Weber in Verbindung zu setzen.

      Jahrgang 1972, verheiratet, ein Kind – das trifft auf Prof. Katja Schlosser zu, Chefärztin der Allgemein-, Viszeral- und Gefäßchirurgie bei Agaplesion in Gießen. Sie hat in ihrer Laufbahn durchaus Einiges zur Feminisierung der Chirurgie beigetragen und sich dazu nicht nur einmal öffentlich geäußert. Den Unkenrufen „Verträgt sich nicht mit einer Familie“, „Mach das bloß nicht, das ist nichts für eine Frau“, „Das wirst du bereuen“ zum Trotz hat sie sich beharrlich der Chirurgie gewidmet, hat sich an einer männerdominierten Chirurgischen Universitätsklinik emporgearbeitet und mit „extrem guter Organisation“ Beruf und Privatleben unter einen Hut gebracht <QI18>.

      An „führenden Frauen“ in der (deutschen) Chirurgie mangelt es nicht mehr. So sind seit kurzem Dr. Sabine Presser und Anja Regel Chefärztinnen der Chir­urgie an den Krankenhäusern in Suhl bzw. Eisenach und Saalfeld geworden. In diese Reihe gehört auch die Chefärztin der Klinik für Adipositas­chirurgie in Gera, Prof. Christine Stroh (*1969). Dr. Felicitas Zimmermann war von 2009 bis 2020 Chefärztin