Название | Winterpony |
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Автор произведения | Iain Lawrence |
Жанр | Книги для детей: прочее |
Серия | |
Издательство | Книги для детей: прочее |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783772545689 |
Der Mann in der Mitte war Captain Scott. Er schwang den Spazierstock so munter in der Hand, wie ein Hund mit dem Schwanz wedeln würde. In zehn Metern Entfernung blieb er stehen und starrte mich und die anderen Ponys an. Er schob die Mütze auf seinen Hinterkopf.
Seine Begleiter blieben ebenfalls stehen. Mr. Meares trat zu ihm; er strahlte vor Stolz. Mr. Oates blieb zurück, obwohl ich es genossen hätte, wenn er zu mir gekommen wäre und mich gestreichelt hätte.
Captain Scott betrachtete uns ausgiebig. Ausnahmsweise hielten wir alle still, keiner muckte auf. Sogar Hackenschmidt fraß friedlich Gras, obwohl er dabei äußerst wachsam blieb. Wir boten bestimmt einen beeindruckenden Anblick: neunzehn weiße Ponys auf einer grünen Wiese voller Gras und Klee.
«Prächtig», sagte Captain Scott. Er sah sehr zufrieden aus. «Das ist schon was, finden Sie nicht auch, Titus?»
«Scheint so», sagte Mr. Oates. «Ich konnte sie noch nicht unter die Lupe nehmen.»
«Na, dann besser heute als morgen», sagte Captain Scott.
Die ganze Gesellschaft trat durch das Gatter auf die Weide. Der russische Jockey trieb vier Ponys zusammen, einschließlich mich. Er klinkte die Führleinen an unsere Halfter und stellte uns in einer engen Reihe auf, als Captain Scott und die anderen zu uns traten. Die Dame hielt Abstand und achtete darauf, dass immer ein Mann zwischen ihr und den Ponys stand. Aber Mr. Meares und Captain Scott kamen geradewegs auf uns zu, und dann lächelte mich Mr. Oates mit der Pfeife zwischen seinen Zähnen rundheraus an. «Da ist ja mein braver Junge», sagte er.
Ich war entzückt, dass Mr. Oates sich an mich erinnerte. Ich begrüßte ihn mit einem Schnauben, einem kurzen Wiehern und einem munteren Ruck mit dem Kopf. Aus irgendeinem Grund mussten die Männer darüber lachen, und die Dame rief: «Was für ein lieber Kerl!»
Ich war der Erste, den Mr. Oates begutachtete, während Captain Scott die Führleine hielt. Er hob meine Füße hoch und betastete meine Hufe, fühlte meinen Bauch und meine Brust. Jetzt lächelte er nicht mehr; vielmehr runzelte er die Stirn. Er ging zum nächsten Pony und dann zum nächsten, bis er uns vier untersucht hatte.
Captain Scott wurde ungeduldig. «Nun?», fragte er.
«Sie hatten ein schweres Leben», sagte Mr. Oates seufzend. «Und ein langes.»
«Wollen Sie damit sagen, dass sie alt sind?», fragte der Captain.
«So alt wie Methusalem», sagte Mr. Oates, «und völlig ausgebrannt. Die meisten sind Klepper.»
Klepper. Dieses Wort hörte ich zum ersten Mal. Aber ich wusste gleich, dass es nicht gut war, ein Klepper zu sein. Die Ponys neben mir waren wirklich alt. Ihr Fell hatte kahle Stellen, ihre Rücken waren krumm, die Zähne abgeschliffen. Ich fragte mich, ob Hackenschmidt ein Klepper war, weil er so wild war. Oder Christopher, weil er so gemein und dickköpfig war.
Mr. Meares wirkte enttäuscht. Und Captain Scott war sehr ungehalten. «Sie gehen ein bisschen hart mit ihnen ins Gericht, finden Sie nicht?», sagte er.
Mr. Oates schüttelte den Kopf. «Nicht im Mindesten.»
«Nun, ich glaube, dass sie ihre Sache sehr gut machen werden», sagte Captain Scott. «Sie sind genauso gut wie die von Shackleton, da bin ich mir sicher.»
Noch ein neues Wort. Ich war froh, mindestens genauso gut zu sein wie ein Pony aus Shackleton, wo auch immer das auch sein mochte.
«Sie werden ihre Aufgabe erfüllen», sagte Captain Scott.
Ihre Aufgabe. Ich spitzte die Ohren, in der Hoffnung, mehr darüber zu erfahren. Aber der Captain lief mit Mr. Oates weiter, und die anderen folgten ihnen. Und so stellte ich mich ab von nun an, so oft es ging, an den Rand der Weide und versuchte, bedeutsame Worte aufzuschnappen. Das alles war mir ein absolutes Rätsel.
Als die Männer das Schiff ausluden, hoffte ich, sie würden auf der Insel bleiben. Die Sachen, die zum Vorschein kamen, waren für kaltes Wetter gedacht: große Schlitten, Zelte, wollene Kleidung. Aber sie entluden das Schiff nur, um Reparaturen durchzuführen, dann brachten sie die Sachen wieder an Bord. Die Arbeit dauerte viele Tage, während derer ich meistens im Gras lag und jedes winzige Kleeblatt fraß, das ich erreichen konnte, ohne mich zu bewegen. Jeden Morgen kam die Dame mit einem Sonnenschirm, setzte sich zu mir und kraulte mir die Ohren, während ich an der grünen Köstlichkeit knabberte.
Aber irgendwann war die Arbeit erledigt, und eines Abends gingen alle Männer an Bord.
Ich hatte Angst, dass sie ohne mich abfahren würden. Ich rief nach Mr. Oates, ich wieherte und schnaubte, so laut ich nur konnte. Aber er beachtete mich nicht. Und so rannte ich am Zaun auf und ab und jammerte wie ein Fohlen nach seiner Mutter. Aber dieses Mal – zum ersten Mal – kam Mr. Oates nicht zu mir.
Am nächsten Morgen war die Katastrophe für mich perfekt. Der Anleger war leer, das Schiff voll beladen, und schwarzer Rauch quoll aus dem Schornstein. Ich spürte einen großen Schmerz in meiner Brust. Es wäre schwer genug, Mr. Oates davonsegeln zu sehen, aber noch viel schlimmer, wenn er sich nicht einmal von mir verabschieden würde.
Doch das Schiff segelte nicht davon. Stattdessen erhob sich plötzlich aus den Gepäckstapeln an Deck eine riesige Kiste. Düstere Erinnerungen wurden in mir wach, aber ich rannte nicht davon. Im Gegenteil, ich trabte näher, weil ich der Erste sein wollte, der an Bord gebracht wurde.
Die Männer suchten sich Hackenschmidt aus. Sechs von ihnen rangen ihn nieder und schoben ihn in die Kiste, und die ganze Zeit trat und schlug er um sich. Mit Christopher, der danach kam, war es das Gleiche. Dann war ich an der Reihe. Ein großer Matrose namens Taff Evans fütterte mir einen Keks, während er mich in die Kiste führte. «So ist’s richtig», sagte er stolz. «So wird das gemacht.»
Er rieb mir die Ohren, klappte die Tür zu, und dann ging es aufwärts. Die Männer lachten, als ich nach unten schaute und dabei an meinem Keks kaute.
Mr. Oates wartete auf dem Schiff auf mich. «Da ist ja mein Junge», sagte er, als er mich aus der Kiste holte. «Mittschiffs», sagte er zu einem Matrosen, der mich in meine Box brachte. Wir gingen über das Deck, das mit Kisten und Säcken so vollgestellt war, dass wir nur im Gänsemarsch hintereinander gehen konnten. Ich stand mit drei anderen Ponys in einer Reihe, mit einer Zeltleinwand als Dach. Ich konnte nach oben in Richtung Bug blicken oder über das Dach des Kühlhauses, am Schornstein vorbei zum Heck. Ich musste zwar an Packkisten und Gerätschaften vorbeischauen, aber es war trotzdem ein angenehmer Anblick. Andere Ponys, die nicht so viel Glück hatten, wurden unter Deck ins Dunkel gebracht.
Als das letzte Pony an Bord war, kamen die Hunde kläffend über die Insel gelaufen. Ich hatte gedacht, ich wäre sie los, aber wieder einmal wurden sie rings um mich herum angekettet. Einer lag direkt vor meiner Box, ein anderer nur ein paar Schritte entfernt, ein paar hatten es sich auf dem Dach des Eishauses gemütlich gemacht. Ich hoffte nur, dass ihre Ketten robust und stark waren, und wünschte, sie würden aufhören zu heulen.
Unter mir fing die Dampfmaschine an zu stampfen. Bauschige Rauchwolken quollen aus dem Schornstein wie ein drohendes Gewitter. Mit einem schrillen Pfiff und einem Jubelruf von der Küste aus fuhren wir los. Captain Scott schrie Befehle, die Männer hievten an den Seilen, und mit jeder Sekunde nahm das Schiff Fahrt auf. Das Hämmern der Maschine ließ alles vibrieren und rattern und klappern. Ich sah, wie der Captain seiner Frau zuwinkte, die an Land geblieben war. Dann drehte er sich weg. Nicht lange, und wir hatten den Schutz des Landes hinter uns gelassen und erreichten das offene Meer.
Obwohl das Rollen und Stampfen nicht enden wollte, und trotz der Hunde in meiner Nähe gehören die ersten Tage unserer Reise zu den glücklichsten meines Lebens.
Von allen neunzehn Ponys war ich der Liebling der Matrosen. Sie gaben mir den Namen James Pigg, zu Ehren eines Mannes, den es nur in einem Buch gab. «Ein liebenswürdiger Halunke», sagten sie. Manchmal riefen sie mich Jimmy Pigg, manchmal einfach nur James.