Название | Winterpony |
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Автор произведения | Iain Lawrence |
Жанр | Книги для детей: прочее |
Серия | |
Издательство | Книги для детей: прочее |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783772545689 |
Aber im Augenblick war ich sehr glücklich. Hier gab es zwar keine Eiszapfen, aber auch keine Stockschläge und Peitschenhiebe. Die Männer schienen nicht grausam zu sein. Aber ich konnte einfach nicht glauben, dass ich nicht mehr geschlagen wurde, und so zuckte ich jedes Mal zusammen, wenn ein Mann die Hand hob, um sich am Kopf zu kratzen oder seinen Hut zurechtzurücken. «Ganz ruhig, Junge», hörte ich ungefähr hundertmal am Tag. «Ganz ruhig, ich tu dir nichts.»
Mr. Meares zog kurze Hosen an, und schon bald waren seine Beine genauso feuerrot wie sein Gesicht. Auf seinem Rücken und an seinen Armen zeichneten sich lange, nasse Schweißstreifen ab, und er legte ein Taschentuch unter seinen Hut, um sich doppelt vor der Sonne zu schützen.
Einige Ponys waren enttäuscht, als er Zuggeschirr und Stränge herbeischleppte. Aber ich arbeitete gern, weshalb es mir nichts ausmachte, obwohl in den Sinn unserer Aufgabe nicht verstand. Wir mussten Holzstämme den Strand entlang ziehen, Stämme, die so schwer waren, dass sie nicht im Wasser trieben. Wir zogen sie bis ans Ende des Strands, kehrten um und zogen sie wieder zurück. Es war eine nutzlose Arbeit, aber wir lernten die englische Art kennen, Lasten zu transportieren. Sie war sanfter als das, was wir gewohnt waren, und beinhaltete eine Führhand am Halfter und einen Keks, wenn wir fertig waren. Ich legte mich mit Freuden ins Zeug, weil ich Mr. Meares gefallen wollte.
Ich wünschte nur, dass der Hengst und einige der anderen Ponys sich ebenfalls gefügt und ihre Angst vergessen hätten. Aber für sie waren alle Menschen zum Fürchten.
Eines Tages kam ein Herr aus seinem Haus, ein Herr mit weißen Haaren und einem kerzengeraden Rücken. Eine Dame hatte sich bei ihm untergehakt. Er blieb stehen, bewunderte den Hengst und fragte den Jockey: «Wie alt ist dieser hier?» Der Jockey zuckte nur mit den Schultern; er wusste es nicht. Also trat der Herr näher an den Hengst heran.
Der Hengst versuchte den Mann zu warnen. Er legte die Ohren nach hinten, senkte den Kopf und schwang ihn vor und zurück. Aber der Mann merkte es nicht – oder verstand nicht – und kam noch näher. Und da griff der Hengst ihn an.
Der alte Mann stand einfach nur da. Vielleicht war er zu überrascht, um wegzulaufen. Mit einem Satz stand der Hengst direkt vor ihm, stieg auf die Hinterbeine und schlug zu.
Im allerletzten Moment hob der Herr einen dürren Arm, um das Pony mit seinem Spazierstock abzuwehren. Dann traf der Hengst sein Ziel, und der Mann flog rückwärts in das Gras. Mit einem Schrei stieg der Hengst wieder in die Höhe und ließ die Hufe wirbeln.
Es waren vier Männer nötig, um das Pony wegzuziehen. Der Hengst bockte, trat um sich und wehrte sich nach Kräften. Die Männer hatten Angst, waren aber auch voller Ehrfurcht. Einen solchen Kämpfer hatten sie noch nie erlebt. Sie nannten ihn Hackenschmidt, nach dem berühmten russischen Ringer, der noch nie einen Kampf verloren hatte.
Ich sah seine Augen an diesem Tag, sie waren ganz wild und verrückt, und wieder einmal fragte ich mich, was ihm bei den Menschen widerfahren war. Er war so wütend und so bitter, dass er sogar den anderen Ponys Angst einjagte. Es gab nur eines, das ihn nicht fürchtete – ein anderer HHengst, ein bisschen jünger, aber genauso wild wie der alte. Die Männer nannten ihn Christopher, meiner Meinung nach ein viel zu netter Name für so ein schreckliches Pony.
Die beiden waren wie zwei Schläger, die sich nur miteinander anfreundeten, damit sie sich nicht gegenseitig umbrachten. Beide waren dickköpfig und ungezähmt. Sobald sie das Geschirr und die Stränge sahen, machten Hackenschmidt und Christopher den Männern klar, dass sie nicht arbeiten wollten. Aber die Männer waren noch dickköpfiger, und obwohl sie manchmal zu viert oder zu fünft an einem Pony hingen, schafften sie es jedes Mal, den beiden das Geschirr anzulegen. Und sie brachten sie jedes Mal dazu, die Arbeit zu erledigen, und das ohne Stock oder Peitsche.
Ich dachte mir, dass sie uns auf eine besondere Aufgabe vorbereiteten, denn kein Mensch – nicht einmal ein Engländer – würde einfach nur aus reinem Vergnügen arbeiten. Ich zerbrach mir den Kopf, was es wohl sein konnte, und hielt überall nach Hinweisen Ausschau.
Der erste Anhaltspunkt kam im November, als ein merkwürdiges Schiff auf unserer Insel eintraf. Es war Captain Scotts Terra Nova, aber das wusste ich damals noch nicht. Ich bemerkte nur den Schornstein, der schwarzen Rauch ausspuckte, und einen alten Geruch nach Tod, den man mit Farbe und Teer übertüncht hatte.
Das Schiff fuhr noch am Anleger entlang, da sprangen die Männer schon an Land, wie Flöhe von einem Hund hüpfen.
Einer dieser Männer hatte eine Pfeife zwischen den Zähnen. Eine Zeit lang lief er mit einem seltsam schaukelnden Gang, als ob das Land unter seinen Füßen sich bewegen würde, obwohl es stillstand. Er marschierte den Anleger auf und ab, drehte sich dann um und kam geradewegs auf die Ponys zu.
Er ging schnell, mit langen Schritten, querfeldein bis zu der Wiese, wo wir grasten. Dort legte er seine Ellbogen auf den Weidenzaun, zog an seiner Pfeife und paffte.
Hackenschmidt und Christopher schnaubten ängstlich. Sie kanterten auf die gegenüberliegende Seite der Wiese, und ein paar der anderen Ponys folgten ihnen. Aber ich blieb stehen, wo ich war, keine drei Meter von dem Mann entfernt. Ich mochte ihn auf Anhieb, denn er lächelte, als er mich ansah.
Über seine Schulter sah ich Mr. Meares auf uns zukommen. Seine rosaroten Beine leuchteten in der Sonne. «Was halten Sie von ihnen, Titus?», rief er dem Neuankömmling zu.
Der Mann nahm die Pfeife aus dem Mund und sagte laut, ohne den Kopf zu wenden: «Sie sehen erstklassig aus.»
Er hatte die freundlichste Stimme, die ich je gehört hatte, und eine so mitfühlende Ausstrahlung, dass sie ihn buchstäblich einhüllte, wie der Rauch aus seiner Pfeife. Ich wollte ihn richtig begrüßen, ihn ausgiebig beschnuppern und mich an ihm reiben, aber ich ließ Vorsicht walten, senkte den Kopf und scharrte mit den Hufen durch das Gras. Ich schnaubte ihn sanft an, um ihm zu zeigen, dass ich keinen Ärger machen wollte.
Er rührte sich nicht. Er blieb einfach an den Zaun gelehnt stehen, mit der Pfeife in der Hand, und beobachtete mich mit hellen, ozeanblauen Augen.
Ich blieb vor ihm stehen, so nah, dass er mich anfassen konnte, wenn er es wollte. Eine geraume Weile schauten wir einander nur an. Dann beugte er sich plötzlich vor.
Er war so flink wie eine Schlange. Bevor ich wusste, wie mir geschah, hatte er mein Halfter gepackt. Ich wollte zurückweichen.
«Ganz ruhig, mein Junge», sagte er, als er merkte, wie ich zitterte. «Dir passiert nichts, versprochen.»
Ich kam näher. Ich stupste ihn an, und er lächelte wieder. Dann glitten seine Augen über die Narben an meinen Schultern. Er betastete sie, und ich zuckte nicht einmal zusammen.
Dieser Mann war Lawrence Oates, ein Soldat, ein Hauptmann der Kavallerie. Aber niemand nannte ihn bei seinem richtigen Namen. Für die Männer war er nur Titus oder «der Soldat». Aber mir kam er so wenig wie ein Kämpfer vor, dass er für mich immer Mister Oates blieb.
An diesem Tag blieb er nicht lang. Nachdem er mich getätschelt und mir die Wange gerieben hatte, ging er mit Mr. Meares davon. Gemeinsam schlenderten sie zum Schiff zurück. Von da an hielt ich die ganze Zeit nach ihm Ausschau und stellte mich so oft es ging an dieselbe Stelle am Zaun. Aber es dauerte drei oder vier Tage, bevor ich ihn wieder auf mich zukommen sah.
Er überraschte mich, weil ich erwartet hatte, dass er vom Schiff her kommen würde, aber stattdessen tauchte er auf der Straße auf, inmitten einer fröhlichen Gruppe von Leuten.
Es war ein schöner Tag. Die Wolken hingen am Himmel, sie sahen aus wie Schaum auf einem Fluss. Bienen summten im Klee, und die Menschen schlenderten gemächlich durch die Sonne, wobei sie wie ein Haufen Krähen schwatzten.
Unter ihnen befand sich ein Mann mit einem Spazierstock, einer Mütze mit einem schimmernden Abzeichen und einem Mantel mit Knöpfen, die in der Sonne wie runde Goldstücke glänzten. Die anderen umringten ihn, waren mal vor ihm, mal hinter