Der Schreiberling. Patrick J. Grieser

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Название Der Schreiberling
Автор произведения Patrick J. Grieser
Жанр Языкознание
Серия Der Primus
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783947816040



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gewusst und hat diesen Drecksack eigenhändig erwürgt.«

      Pickett atmete tief ein und aus, um sich wieder zu beruhigen. »Wir werden seinen Körper den Ameisen zum Fraß vorwerfen und seine bleichen Gebeine in meinen Weinkeller hängen. Als Warnung für alle, die sich meinen Regeln und Gesetzen widersetzen!«

      Die Männer nickten stumm. Einige atmeten erleichtert auf, doch sie hatten sich zu früh gefreut, denn der Zorn von Desmond Pickett war noch lange nicht erloschen.

      »Wo ist Tonys Bruder?«, fragte er sanft und sein Blick wanderte durch die Reihen. »Na, wo ist er denn?«

      Ein Mann mit kurzen blonden Haaren und einem Dreitagebart hob zögernd die Hand. Instinktiv wichen die anderen Männer einen Schritt von dem armen Kerl zurück.

      »Du bist also der Bruder von dem lieben Tony?«, fragte Desmond und schien den jungen Mann mit seinen Augen aufzusaugen. Der Angesprochene nickte ängstlich.

      »Wie ist dein Name? Martin, richtig?«

      »Marten, Sir!«

      »Ach ja, Marten! Ich erinnere mich.« Desmond Pickett winkte den angsterfüllten Burschen zu sich. »Komm mal her, ich möchte mich mit dir unterhalten!« Ganz langsam setzte sich Marten in Bewegung und trat furchtsam vor seinen Boss. In seinen Händen hielt er verkrampft seinen Stetson. Die versammelten Männer würdigten Marten keines Blickes. Der Boden und die Spitzen ihrer Cowboystiefel waren plötzlich viel interessanter als das Geschehen vor ihnen.

      »Deine Familie kommt aus Cheops, richtig?«, fragte Desmond Pickett und legte dem jungen Mann wie ein guter Vater den Arm um die Schulter.

      »J-Ja, Sir!«

      »Deine Eltern führen den kleinen General-Store.«

      »Das stimmt, Sir! B-Bitte, Sir … ich habe mit der Sache nichts zu tun. I-Ich wusste nicht, was Tony vorhat.«

      »Das weiß ich, Marten. Das weiß ich doch!« Pickett grinste ihn an. »Heute ist dein Glückstag, mein Junge!«

      »Wieso, Sir?«, fragte Marten unsicher, nachdem Pickett nicht weitersprach und stattdessen seinen Revolverhelden Willard zu sich winkte, der aus seiner Weste einen Strang Klaviersaiten zog. Martens Augen weiteten sich voller Entsetzen. »N-N-Nein, ich schwöre, ich habe nichts damit zu tun! Bitte nicht! BITTE!«, flehte Marten und versuchte, einen Schritt zurückzuweichen. Doch Pickett griff nach seinem Arm und zerrte ihn unsanft zurück.

      »Eigentlich wollte ich dich singen hören! Willard hat extra diese schönen Klaviersaiten besorgt. Aber ich habe es mir im letzten Moment anders überlegt!«

      Erleichterung machte sich auf dem Gesicht des Mannes breit. Tränen rannen seine geröteten Wangen hinunter. »Danke, Sir! Oh Gott! Ich danke Ihnen!« Er ging demütig auf die Knie und küsste dankbar die Hand von Desmond Pickett.

      »Wir haben uns etwas ganz Tolles für dich überlegt, mein Junge!«, sagte Pickett und trat einen Schritt zurück.

      »Was?« Unverständnis spiegelte sich in dem Gesicht des Burschen wider.

      Pickett gab Willard ein Zeichen und der Revolverheld trat vor den knienden Mann und zog seinen Revolver aus dem Holster.

      »Ich möchte, dass du den Lauf von Willards Waffe in den Mund nimmst und daran lutschst!«

      »N-N-Nein, Sir, das können Sie nicht machen! Bitte! Ich flehe Sie an!«

      »NIMM DEN SCHEISSREVOLER IN DEIN MAUL, ODER ICH SCHWÖRE BEI GOTT, ICH WERDE DICH BEI LEBENDIGEM LEIB HÄUTEN, DU VERDAMMTE MISSGEBURT!«, schrie Desmond Pickett den jungen Mann an, während ihm der Speichel aus dem Mund lief. Sein Gesicht war vor Wut verzerrt.

      »Tun Sie das nicht … bitte … ich habe …«, wimmerte der Mann am Boden. Er wollte noch etwas sagen, doch Willard hatte ihm schon den Lauf seines Revolvers mit brutaler Härte in den Mund gerammt. Wahrscheinlich waren die Vorderzähne dabei abgebrochen, denn ein dünnes Blutrinnsal ergoss sich über seine Lippen. Marten schloss verkrampft die Augen. Er wartete darauf, dass ihm der Revolverheld das Hirn wegblies. Doch nichts geschah! Ganz langsam öffnete Marten wieder die Augen und blinzelte zu dem Mann in Schwarz nach oben.

      »Und jetzt saug an dem Ding!«, forderte ihn Pickett auf.

      Als Marten anfing, den Lauf zu lutschen, nickte Pickett zufrieden. »Sehr gut! Schaut ihn euch an!« Er lachte laut auf und schlug sich auf die Knie.

      »Tu mir einen Gefallen und puste sein Gehirn heraus!«, sagte er dann sanft in Willards Richtung. Martens Augen blickten entsetzt. Doch Willard drückte unbarmherzig ab. Der Knall war stark gedämpft. Für einen Moment war das überraschte Gesicht mit den weit aufgerissenen Augen noch da, im nächsten Moment schoss eine Feuerlanze aus dem Hinterkopf des armen Kerls, gefolgt von einer Blutfontäne und feinen Knochensplittern. Zuckend fiel der Körper zu Boden.

      Fasziniert beobachtete Pickett das Todesspiel. Er spürte die Erregung in seiner Hose. Es fiel ihm schwer, nicht sein Glied herauszuholen und vor der versammelten Mannschaft zu masturbieren. Mühsam unterdrückte er die aufkommende Gier und wandte sich wieder an seine Männer: »Ich möchte, dass ihr meine Regeln und Gesetze respektiert. Wer auch immer sich an meiner Frau vergreift, wird dafür teuer bezahlen. Ist das klar?«

      »JA, SIR!«, ertönte es lautstark.

      »Sehr gut, sehr gut!« Pickett war zufrieden. Er wandte sich an Gary, der auf dem Planwagen Platz genommen hatte, um die Hinrichtung zu beobachten. »Gary, mein Lieber, ich fürchte, du musst zurück nach Cheops.«

      »Geht klar, Boss!«, antwortete Gary und rutschte vom Wagen.

      »Nimm den fetten Mexikaner … Ricardo … mit. Ihr beide seid ein eingespieltes Team.«

      »Was sollen wir tun, Boss?«

      »Such den General-Store auf und töte jeden einzelnen von Tonys Familie.«

      »Okay … auch die Kinder?«

      »Welches Wort von ›Töte jeden einzelnen von Tonys Familie‹ verstehst du nicht?«, fragte Desmond Pickett und eine Spur von neuerlichem Zorn schlich sich in seine Stimme.

      »Wir brechen gleich auf, Boss!«

      Pickett nickte zufrieden. »Lass uns zurück ins Haus gehen. Ich muss mich um meine geliebte russische Raubkatze kümmern. Katerina hat die ganze Sache sicherlich sehr zugesetzt!«

      »Ich komme mit. Zu deiner eigenen Sicherheit!«, meinte Willard.

      »Kümmert euch um die beiden Wichser hier!«, sagte Pickett zu niemand Bestimmten und deutete auf die Toten. »Meine Ameisen sind sehr, sehr hungrig.« Mit einer kurzen Handbewegung entließ er seine Leute und stiefelte mit Willard im Schlepptau zurück ins Haupthaus.

      6

       Fast hundertfünfzig Jahre später …

      Die Sonne tauchte gemächlich hinter den Bergen auf und überflutete die Hutzwiese mit einem warmen goldenen Licht. Es sollte ein heißer Tag werden. In der Ferne erklang das Blöken einiger Schafe. Auf der verwilderten Gartenmauer war hier und da eine Zauneidechse zu sehen, die mit den ersten wärmenden Sonnenstrahlen aus ihrem Versteck gekrochen kam. Die Wiesen am Wegrand wirkten saftig und grün, ein leicht welliges Meer, das mit bunten Sommerblumen besprenkelt war. Einige Wanderer waren schon in den frühen Morgenstunden aufgebrochen, um sich an der schönen Odenwälder Natur zu ergötzen. Hier, inmitten der wunderbaren Wildnis, konnte man die Seele baumeln lassen.

      Mit einem unguten Gefühl der Anspannung kehrte Don Tiki zur Hutzwiese zurück. Er achtete nicht auf die grüne Landschaft rings um ihn herum. Heute war der erste Tag, den er wieder zu Hause verbringen würde. Die erste Nacht alleine in seinem Haus! Drei Nächte durfte er auf dem Bauernhof verbringen. Die Frau von Bauer Fehndrich – ein resolutes Weib vor dem Herrn – hatte ihm gestern klar zu verstehen gegeben, dass die Zeit gekommen war, seine Zelte auf dem Hof abzubrechen. Man betreibe schließlich einen Bauernhof und keine Pension. Man müsse sich jetzt Gedanken machen, wie es weitergehe mit den heutigen