Название | Der Tod des Jucundus |
---|---|
Автор произведения | Franziska Franke |
Жанр | Языкознание |
Серия | Krimi |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783958132276 |
»Er ist krank und irgendwer muss die Arbeit doch schließlich erledigen«, erklärte ich in einem möglichst beiläufigen Tonfall, »deshalb bin ich heute auch etwas früher als sonst gekommen.«
»Was fehlt ihm denn?«, wollte Respectus wissen, aber es war offensichtlich, dass er in Gedanken woanders war.
»Er hat über Nacht hohes Fieber bekommen und kann keine Nahrung bei sich behalten. Außerdem ist seine Haut von roten Flecken übersät.« Ich sagte mir, dass ich nicht übertreiben durfte und ließ es bei diesen Symptomen bewenden. »Die Tochter des Nachbarn hat die gleiche Krankheit«, fügte ich aber mit einem Anflug von Bosheit hinzu. »Mein Bruder hat sich bestimmt bei ihr angesteckt.«
»Das ist ja schrecklich«, stammelte mein Teilhaber und verdrückte sich schleunigst aus meinem Raum, wobei er aber leider so schnell seine Dokumente zusammenraffte, dass ich sie wieder nicht einsehen konnte.
Mit dem muss ich noch ein Hühnchen rupfen, sobald diese Sache überstanden ist, dachte ich und eine Welle der Übelkeit überkam mich, als ich vor meinem inneren Auge meinen Bruder mit blutverschmierter Tunika sah. Dieses schreckliche Bild ließ sich nicht aus meinem Gedächtnis verbannen. Noch immer hatte ich Kopfschmerzen und das konnte nur an dem miserablen Wein aus dieser Spelunke liegen, denn normalerweise werfen mich vier Becher Rebensaft nicht gleich völlig aus der Bahn.
Ich erledigte nur die allerdringendsten Arbeiten, denn ich konnte mich nur mit Mühe auf den Weinhandel konzentrieren. Die Zeit verfloss mit quälender Langsamkeit, aber wenigstens ließ mich Respectus in Ruhe.
Als am späten Vormittag eine realistische Chance bestand, dass die Tavernen geöffnet sein könnten, verabschiedete ich mich unter dem Vorwand, eine dringende Besorgung erledigen zu müssen.
»Willst du nicht lieber nach Hause gehen?«, rief mir mein Teilhaber nach. »Du siehst gar nicht gut aus. Bestimmt hast du dich bei Lucius angesteckt!«
Offenbar war meine Bemerkung über die in unserer Familie grassierende Seuche auf fruchtbaren Boden gefallen. Darauf hatte ich auch gebaut, denn mein Geschäftspartnet war schon immer ein ziemlicher Hypochonder gewesen.
»Ich werde es mir überlegen, denn mir geht es wirklich nicht besonders gut.«
Ich drückte mich absichtlich etwas vage aus, weil ich den Verdacht hatte, dass Respectus mich loswerden wollte, um ungehindert seinen obskuren Geschäften nachgehen zu können.
»Keine Sorge, ich schaffe es auch allein.«
Diese Hürde war also genommen! Unterwegs suchte ich nach einem geeigneten Vorwand, um den Wirt ausfragen zu können. Schließlich fiel mir nichts Besseres ein, als zu behaupten, ich habe einen wertvollen Ring in seiner Schenke verloren. Ich legte mir eine kleine Geschichte zurecht und erhoffte zugleich, dass der Wirt sie schlucken möge.
3. Die Schankwirtschaft
Über dem Eingang der Taverne hing ein Holzschild, auf dem große rote Buchstaben verkündeten: »Um meinen Wein betrogen, gebe ich niemandem mehr Kredit«. Dieser freundliche Hinweis war mir am Vortag in der Dunkelheit entgangen. Man konnte dem Wirt seine Prinzipien kaum verdenken angesichts der Gäste, die bei ihm verkehrten!
Meine Sympathie mit dem Besitzer der Spelunke verflog schlagartig wieder, als ich seine heruntergekommene Wirtschaft betreten und mein Anliegen geäußert hatte.
»Willst du mir unterstellen, dass ich stehle?«, fragte der Wirt grimmig und baute sich vor mir auf. Er war breitschultrig, muskulös und hatte das brutale Gesicht eines Metzgers. Wahrscheinlich trainierte er jeden Abend, indem er betrunkene Soldaten aus seiner Schenke warf.
Neben ihm stand seine Tochter, das blasse, etwas einfältige Mädchen, das uns am Vorabend bedient hatte. Sie trug noch immer dasselbe dünne, geblümte Kleid und die modischen, wenn auch unpraktischen Sandalen. Momentan war sie damit beschäftigt, die Trinkgefäße in einem Bottich zu spülen, der mit trübem Wasser gefüllt war, das den Endruck erweckte, als hätte sie zuvor die Pfannen darin gereinigt. Kein Wunder, dass der Wein in dieser Taverne so abgestanden und fade schmeckte!
»Das hast du gesagt«, erwiderte ich grimmig. »Ich habe nur festgestellt, dass ich meinen Ring vermisse. Also frage ich überall nach, wo ich gestern gewesen bin. Du erinnerst dich doch sicherlich noch an mich? Ich habe am gleichen Tisch gesessen wie der Viehhirte Jucundus.«
»Jucundus?«
Es war der angestrengten Miene des Wirts anzusehen, dass ihm das Nachdenken schwer fiel. Außerdem war er ein schlechter Schauspieler, denn selbstverständlich kannte er den Viehhirten, der sich regelmäßig in seiner Absteige zu betrinken pflegte.
»Er hat gesagt, dass er hier Stammgast ist«, half ich daher nach.
Ein Aufleuchten ging über das Gesicht des Wirtes, aber ich war mir sicher, dass er schon vorher gewusst hatte, von wem die Rede war.
»Auf solche Gäste kann ich gut verzichten. Er hat gestern zuviel getrunken und ist dann ausfallend geworden. Ich habe ihn mit Gewalt vor die Tür setzen müssen«, brummte er verdrießlich. »Ihn und einen gewissen Lucius. Der war noch viel schlimmer. Dann konnte ich endlich die Schenke schließen. Irgendwann muss schließlich auch ich schlafen.«
Eigentlich hätte ich es mir denken können! Wusste der Wirt, dass er von meinem Bruder sprach?
»Jucundus und Lucius waren also die letzten Gäste, die deine Wirtschaft verlassen haben?«, fragte ich vorsichtig nach, da ich wegen meines Kopfschmerzes nicht ganz sicher war, ob ich richtig verstanden hatte.
»Ja«, fuhr der Wirt mich unwirsch an, »aber was hat das mit deinem Ring zu tun?«
»Ich dachte nur, vielleicht wurde hier geputzt, nachdem die Gäste gegangen sind.« Ich ließ meinen Blick durch den Schankraum schweifen, der am hellerlichten Tag noch viel schmuddeliger aussah als unter dem gnädigen Schleier des nächtlichen Dämmerlichtes. Flusen und Staubmäuse lagen in den Ecken herum, die Tische schimmerten stumpf und der Tresen war mit Weinflecken besudelt »Und dabei könnte vielleicht mein Ring gefunden worden sein.«
»Nein, ich habe beim Putzen nichts gefunden«, entgegnete die Tochter des Wirtes schüchtern. Sie sah mich mit großen, unschuldigen Augen an und ich suchte nach einer Gelegenheit, um ungestört mit ihr zu sprechen. Sie schien mir recht zugänglich.
»Ich habe meine Zeit nicht gestohlen. Ich muss auf den Markt. Bald kommen die ersten Gäste«, brummte der Wirt, als ob er meine Gedanken gelesen hätte und verschwand augenblicklich. Wahrscheinlich erwartete er, dass seine Tochter mir Geld für die gewünschte Auskunft abknöpfte.
Als ich mich so unvermittelt mit der Wirtstochter allein sah, bedauerte ich, Lucius nicht mitgenommen zu haben, denn am Vorabend hatte ihm das Schankmädchen schmachtende Blicke zugeworfen.
»Du erinnerst dich doch an mich?«, fragte ich das Mädchen. »Schließlich hast du uns gestern Abend bedient.«
In ihren Händen hielt sie einen frisch gespülten Becher, um ihn abzutrocknen. Selbstvergessen hielt sie in der Bewegung inne.
»Oh, ja«, erwiderte sie lebhaft und ein Lächeln huschte über ihr rundes Gesicht. »Du warst in Begleitung dieses gut aussehenden jungen Mannes …«
»Das war mein Bruder«, unterbrach ich unwirsch und fühlte wider meine Absicht Eifersucht in mir aufsteigen.
Ich blickte das Mädchen forschend an und versuchte es mit einem Frontalangriff.
»Was für einen Wein hast du uns gestern ausgeschenkt?«
Die Wirtstochter sah einen Augenblick lang nachdenklich in die trübe Brühe des Bottichs, der vor ihr stand.
»Den üblichen, warum?«
Das Mädchen hob ihren Blick und schaute mich mit großen Augen an. Vermutlich wusste sie nicht, mit was für einem Fusel ihr Vater seine Gäste vergiftete.