Der Tod des Jucundus. Franziska Franke

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Название Der Tod des Jucundus
Автор произведения Franziska Franke
Жанр Языкознание
Серия Krimi
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783958132276



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vergossenem Wein und dem Harz alter Fässer. Offenbar war während meiner Abwesenheit nicht ordentlich gelüftet worden.

      »Guten Abend! Ich bin wieder da«, rief ich in vorwurfsvollem Tonfall durch die mit Weinfässern und Amphoren angefüllte Eingangshalle, die uns als Verkaufsraum diente, denn noch immer war ich davon überzeugt, dass sich Respectus im Handelskontor aufhielt.

      Keine Antwort.

      »Wo bist du Respectus?«, rief ich erneut, diesmal noch unfreundlicher.

      Missmutig machte ich mich auf den Weg zu seinem Arbeitsraum, der sich am linken Ende der Halle befand.

      Ich riss die Tür auf und wollte schon meinen Partner fragen, ob er neuerdings schlecht höre. Aber ich erstarrte mitten in der Bewegung, denn Respectus saß nicht an seinem Schreibtisch, wovon ich mit der größten Selbstverständlichkeit ausgegangen war. Zutiefst irritiert schaute ich in alle anderen Räume, aber er war nirgends zu finden.

      Es kostete mich einige Mühe, aus seinen Papieren klug zu werden, zumal seine Schrift schwer lesbar war. Schließlich gab ich es auf und verließ meinen Arbeitsplatz zur achten Stunde. Während ich die Lagerhalle durchquerte, hörte ich ein polterndes Geräusch, das vom Speicher herunterdrang.

      Ich blieb stehen und spitzte die Ohren, aber von oben kam kein weiterer Laut. Trotzdem erwog ich, auf dem Dachboden nach dem Rechten gesehen, denn ich vermutete Respectus könnte vergessen haben eine Dachluke zu schließen. Aber ich überlegte es mir anders, da ich meine Kleidung nicht verschmutzen wollte. Wir verwendeten den Speicher nämlich nur zum Einlagern von Weinen, die wir erst in einigen Monaten verkaufen wollten. Ansonsten überließen wir ihn den Spinnen, Ratten und Fledermäusen. So lang ich mich entsinnen konnte, war dort oben niemals gefegt worden.

      Morgen ist auch noch ein Tag, dachte ich und riss die Haustür auf. Draußen war bereits schwarze Nacht und ein eisiger Wind blies mir ins Gesicht. Schon wollte ich mich auf den Heimweg machen, als ich mich plötzlich an die Begegnung mit Jucundus erinnerte und ein schlechtes Gewissen bekam. Schließlich hatte ich ihn am Flussufer regelrecht abgewimmelt, obwohl er mich immer freundlich behandelt hatte, zumindest seit wir beide Freigelassene waren. Mit einem leisen Seufzer rang ich mich dazu durch, seiner Einladung Folge zu leisten.

      Ich lenkte also meine Schritte in Richtung Hafen. Als ich die große Säule passierte, die man zu Ehren aller Götter errichtet hatte, roch die Luft nach Teer und ich hörte die Möwen, die am Strom in den Wind schrien. Drohend erhob sich auf der Säule die triumphale, überlebensgroße Bronzefigur des Staatsgottes Jupiter, die mit Gold überzogen war.

      Im fahlen Licht des Vollmonds sah ich aus einem Schornstein Dampf entweichen, ein untrügliches Zeichen dafür, dass sich im dazugehörigen Haus eine Badeanlage befand. Die Vorstellung, es mir im wohlig-warmen Caldarium gut gehen zu lassen, übte eine geradezu unwiderstehliche Anziehungskraft auf mich aus. Warum hatte mein ehemaliger Mitsklave bei meiner Ankunft am Hafen herumspazieren müssen? Ob er mir dort aufgelauert hatte? Oder war Jucundus zufällig vorbeigekommen, da sich die Taverne in der Nähe des Hafenbeckens befand?

      Es kostete mich einige Überwindung, die Schenke in dem baufälligen Eckhaus zu betreten, denn durch die Fenster drang das Grölen betrunkener Legionäre. Einen Augenblick lang blieb ich unschlüssig vor der Tür stehen. Dann rief ich mir ins Gedächtnis, dass ich als Weinhändler derartigen Besäufnissen eigentlich eine positive Seite abgewinnen sollte. Ich gab mir einen Ruck und trat ein.

      Das Innere des Lokals hielt, was das Äußere versprach: Von dem mit Binsen bestreuten Lehmboden bis zur niedrigen Decke aus groben Sparren war die Schenke so mies, wie eine Schenke nur sein konnte. Zwei Fässer waren hinter dem Ladentisch aufgestellt. Ein Mischkrug hing an einem Haken und ich vermutete, dass an diesem seltsamen Festtag der Wein stark verdünnt getrunken wurde, um die Anzahl der Gläser zu steigern.

      Im Schankraum lungerten betrunkene Soldaten herum und ich wollte schon wieder gehen, da ich kein bekanntes Gesicht erblickte. Aber dann erkannte ich in der hintersten Ecke Jucundus, der mit meinem Bruder Lucius becherte. Er hätte mich vorwarnen sollen, dann wäre ich nicht gekommen, da ich aus verschiedenen Gründen nicht gut auf meinen Bruder zu sprechen war. Hinter Jucundus stand der mürrische Sklave. Also war Jucundus tatsächlich sein Herr. Ich war ehrlich gesagt ziemlich beeindruckt, dass der Hirte mittlerweile einen Sklaven sein eigen nannte, auch wenn dieser sicher ein Restposten des zwielichtigsten Sklavenhändlers am Rhein gewesen war. Er war nämlich recht schmächtig und hatte dünnes, aschblondes Haar, das seine großen Ohren kaum bedeckte.

      Die widerspenstigen braunen Locken seines Herrn hingegen erweckten wie immer den Eindruck, als sei dieser soeben aus dem Bett aufgestanden. Dies und die Liebe zum Rebensaft hatte er mit meinem sauberen Bruder gemeinsam.

      Als ich mich auf einen der wackligen Stühle fallen ließ, versiegte das Gespräch am Tisch und ich fragte mich, worüber man gerade gesprochen hatte. Lucius wich meinem Blick aus und ich suchte nach einem Vorwand, mich sogleich wieder zurückzuziehen. Doch Jucundus wusste dieses Vorhaben zu verhindern, indem er mir eine Portion des Tagesgerichtes und einen Becher Wein bestellte, der für mich eine Enttäuschung gewesen wäre, wenn nicht schon die altersschwache Einrichtung meine Erwartungen heruntergeschraubt hätte. Wenn ich eine derart schale Brühe verkaufen würde, hätte ich den Weinhandel schon längst an den Nagel hängen können. Missmutig würzte ich mein Essen – lauwarmes Geflügel und Fladenbrot vom Vortag - mit einer besonders großen Portion Garum.

      Dann musterte ich die Umgebung: Offensichtlich kamen die Kunden weder wegen der Qualität des Weines noch wegen des Wirtes, der bärbeißig in die Runde starrte. Auch empfahl es sich, nicht zu genau die Sauberkeit der Tische zu überprüfen. Dazu bestand allerdings auch kaum Gelegenheit, denn nur vier kleine Öllämpchen funzelten in den Ecken des Raumes.

      Allenfalls die Tochter des Wirts mit ihrem hübschen, wenn auch leicht einfältigen runden Gesicht, die die Gäste bediente, könnte den einen oder anderen Gast hergelockt haben. Trotz des frischen Wetters trug sie eine dünne Untertunika, die an den Schultern von billigen Spangen zusammengehalten wurde und darüber ein ärmelloses Gewand, das sich über dem Gürtel bauschte. Diese frühlingshafte Aufmachung wurde von einem Paar zierlicher Sandalen abgerundet.

      Schnell war mein Weinbecher geleert, dessen Inhalt ich gebraucht hatte, um das fettige Essen herunterzuspülen. Aber ich konnte mich nicht überwinden, einen neuen Wein zu bestellen, weil er so grässlich schmeckte. Ich ließ also meinen Blick gelangweilt durch den Schankraum schweifen und spielte dabei mit meinem Trinkgefäß. Auf dessen Rand war geschrieben: »Trink, wohl bekomm’s«, auf dem des Jucundus hingegen »Spar das Wasser«, was die Aufforderung war, unverdünnten Wein zu trinken. Leider hielt mein ehemaliger Mitsklave sich an diese Devise, genauso wie mein Bruder. Ich hingegen bestand auf verdünntem Wein.

      Als ich sah, wie Lucius sich mit glasigem Blick an seinem Becher festhielt, fragte ich mich, was um Jupiters Willen nur bei seiner Erziehung schief gelaufen war. Von mir hatte man immer erwartet, dass ich mich vernünftig verhielt, während Lucius noch mit Anfang zwanzig der kleine Bruder war.

      Jucundus gab mir einen weiteren lauwarmen Wein aus, obwohl ich der reichere von uns beiden war und es eigentlich hätte umgekehrt sein sollen. Ich konnte mich des Verdachtes nicht erwehren, dass er etwas auf dem Herzen hatte. Aber was mochte es sein? Das letzte Mal als er so freigiebig war, wollte er sich meinen Wagen nebst Zugtier ausleihen. Was konnte er nur schon wieder von mir wollen? Ich war mir sicher, dass ich es bald erfahren würde. Daher fragte ich nicht nach.

      Um nicht als Schmarotzer dazustehen, bezahlte ich den nächsten Wein und den übernächsten ebenfalls, denn langsam war mir der Gedanke peinlich, einer meiner Freunde könnte herumerzählen, dass der abgerissene Jucundus mich und offensichtlich auch meinen Bruder aushalten müsse. Obwohl es zum Glück höchst unwahrscheinlich war, dass einer meiner Freunde sich in diese Spelunke verlief. Was meine Kunden betraf, war ich mir nicht ganz so sicher. Einige von ihnen hatten keinen besonders guten Geschmack.

      Ich schob diesen unangenehmen Gedanken beiseite, zumal mich der Wein in eine wohlig-träge Stimmung versetzt hatte.

      »Womit handelt ihr eigentlich in eurem Kontor?«, wollte Jucundus etwas unvermittelt wissen und ich fragte mich, ob er schon so früh am Abend