Der Tod des Jucundus. Franziska Franke

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Название Der Tod des Jucundus
Автор произведения Franziska Franke
Жанр Языкознание
Серия Krimi
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783958132276



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Sache vertuschten. Noch besser wäre es, den Mörder zu finden und diese undankbare Aufgabe blieb wieder einmal an mir hängen. Denn so verstört wie mein Bruder aussah, würde man ihn sofort der Tat verdächtigen.

      »Also, du verlässt auf keinen Fall das Haus, bis ich wiederkomme!«, forderte ich ihn schließlich auf. »Im Handelskontor werde ich sagen, dass du krank bist, irgendetwas Ansteckendes.«

      »Das ist noch nicht einmal eine Lüge«, kommentierte Lucius ziemlich kleinlaut. »Ich fühle mich wirklich fürchterlich.«

      Ich verkniff mir mühsam den Kommentar, dass er sich nicht so anstellen solle, da er nur unter einem ganz gewöhnlichen Kater litt.

      »Was hast du jetzt vor?«

      Seine Stimme klang wirklich kläglich. Er war noch immer kreidebleich und zitterte am ganzen Leib.

      »Lass dich überraschen!« Mein Blick blieb an den Blutflecken auf seiner Kleidung haften. »Und bring dich gefälligst in der Zwischenzeit in einen präsentablen Zustand! Vor allem verbrenne diese blutverschmierte Tunika. Ich hoffe, du hast noch eine andere, die ähnlich aussieht?«

      Ohne einen Kommentar meines Bruders abzuwarten, der momentan sowieso keinen besonders gesprächigen Eindruck erweckte, schlüpfte ich widerwillig aus meinem schönen warmen Bett, streifte mir eine dünne Tunika über und holte eine etwas dickere, frisch gewaschene aus der Kleidertruhe.

      Ich öffnete das Fenster und sog die kalte Morgenluft ein. In der Ferne zeigte sich das erste fahle Licht, doch die Häuser der Straße waren noch von der Dunkelheit umhüllt.

      Durch das offene Fenster drangen die unterschiedlichten Geräusche: Vogelgesang mischte sich mit dem Poltern von beschlagenen Rädern und dem Kindergeschrei aus dem Haus gegenüber, wo eine Großfamilie wohnte, die offenbar niemals schlief.

      Trotz dieses Krachs versuchte ich so leise wie möglich in die Küche zu huschen, um die Dienstboten nicht aufzuwecken.

      Unser Haushalt wurde von zwei Sklaven geführt, die mir ein Kunde überlassen hatte, weil er ganz plötzlich die Stadt hatte verlassen müssen. Ich hatte die beiden, die ich dringend für unser damals neu erworbenes Haus benötigte, zu einem äußerst günstigen Preis erworben und ihn im Gegenzug nicht mit Fragen behelligt.

      Obwohl ich nun ihr Herr war, konnte ich mich des Verdachtes nicht erwehren, dass die beiden uns nicht recht ernst nahmen, was ich im Fall meines Bruders auch nachvollziehen konnte. Er war alles andere als eine Respektsperson. Seltsamerweise schien ihn dies nicht zu bekümmern. Doch ich für meinen Teil hätte mir eine andere Behandlung seitens meiner Dienerschaft gewünscht. Vielleicht war ich aber auch etwas zu empfindlich, da ich früher selbst Sklave gewesen war.

      Als ich auf Zehenspitzen durch mein eigenes Haus schlich, kam ich mir vor wie ein Verbrecher, aber je weniger Menschen von der Sache erfuhren umso besser. Ich spritzte mir etwas Wasser ins Gesicht, schlang hastig ein Stück trockenes Brot herunter und trank einen Becher stark verdünnten Wein. Dann verließ ich das Haus. Zwar war mir der Weinhandel momentan herzlich gleichgültig, aber ich musste mich im Kontor blicken lassen, um nicht den Argwohn meines Teilhabers zu erregen.

      Innerlich aufgewühlt eilte ich durch die Stadt. Was um Jupiters Willen war in der vergangenen Nacht passiert? Besser nicht zuviel darüber nachdenken, ermahnte ich mich selbst.

      Nach und nach erwachte die Stadt zum Leben. Fensterläden wurden geräuschvoll aufgeschlagen, die Türen von Werkstätten geöffnet. Die Händler bauten Lebensmittel auf ihren Ständen auf, welche die Gassen und Plätze verstellten. Sklaven und Matronen mit quengelnden Kindern an der Hand kamen aus den Wohnhäusern und Lieferanten überquerten die Straße.

      Ich legte keinen Wert darauf, einem Bekannten über den Weg zu laufen, denn ich war nicht in der Verfassung, um über Alltäglichkeiten zu plaudern. Also machte ich einen großen Bogen um das Forum. Trotz dieses Umwegs hatte ich bald die rußgeschwärzten Öfen von Töpfern und die Schusterwerkstätten, aus denen lautes Hämmern drang, hinter mir gelassen und das Hafenviertel erreicht. Ich ärgerte mich darüber, Respectus am Vortag nicht angetroffen zu haben. Dann wäre es mir an diesem Morgen erspart geblieben, ihm von meiner Geschäftsreise berichten zu müssen. Davor hatte ich nämlich in meinem desolaten Zustand einen wahren Graus, zumal mein Teilhaber, um es höflich auszudrücken, ausgesprochen gründlich war. Nach Meinung meines Bruders war er ein schrecklicher Pedant.

      Der einfache Bau aus verputztem Fachwerk, in dem sich unser Handelskontor befand, wirkte geradezu repräsentativ im Vergleich zu den benachbarten Holzschuppen, von denen die meisten niedriger und schmaler, wenn auch sehr viel länger waren.

      Trotz der noch immer recht frühen Stunde war das Portal diesmal nicht abgeschlossen. Als ich beim Durchschreiten unseres Lagerraums einen Seitenblick auf die Amphoren und Fässer warf, die sich zu beiden Seiten des mittleren Durchgangs stapelten, drohte ich völlig im Trübsinn zu versinken. Wer weiß, ob wir nicht bald die Stadt unter Zurücklassung unserer Ware verlassen mussten?

      Ohne große Begeisterung ging ich ins Arbeitszimmer meines Partners, traf ihn jedoch dort nicht an. Aber die Papyrusrollen und wachsbeschichteten Schreibtäfelchen, die sich am Vortag auf seinem Tisch gestapelt hatten, waren weggeräumt worden, ein untrügliches Zeichen dafür, dass Respectus im Kontor war.

      Also trottete ich auf den Nachbarraum zu, in dem mein eigener Schreibtisch stand. Noch ehe ich die Tür öffnete, wusste ich, was mich dahinter erwartete. Denn durch den Türspalt drang das unangenehm strenge Parfum, das Respectus benützte. Dies war die einzige Eitelkeit, bei der ich ihn jemals ertappt hatte. Aber ich fand, er hätte auch diese ablegen können, vor allem wenn er sich in unseren gemeinsamen Räumen aufhielt.

      Verärgert fragte ich mich, was er in meinem Arbeitsraum verloren hatte. Ganz vorsichtig drückte ich die Türklinke herunter und riss dann die Tür mit einem kräftigen Ruck auf.

      Mein Teilhaber, der an meinem Schreibtisch über einigen Dokumenten gebeugt saß, schrak zusammen und ich hätte zu gern gewusst, wobei ich ihn überrascht hatte. Wie immer trug er seinen karierten Kapuzenumhang, mit dem kein Römer auch nur einen Schritt vor die Tür setzen würde. Zu seinen Gunsten sei aber erwähnt, dass er kein Römer war, sondern ein rothaariger keltischer Händler aus dem Stamme der Treverer, dessen Familie schon vor der Ankunft der Legionen an der Mainmündung gelebt hatte.

      Ich hätte mir keinen besseren Teilhaber wünschen können, da er wie besessen arbeitete. Mit seinem Fleiß schüchterte er meinen Bruder Lucius geradezu ein. Das mochte aber nicht viel heißen, denn mein jüngerer Bruder hatte die Arbeit nicht erfunden. Nur aus Familiensinn ließ ich ihn in unserer Firma arbeiten, obwohl wir sicher einen besseren Angestellten in jeder Schankwirtschaft gefunden hätten.

      »Schön, dass du wieder da bist. Wie ist deine Reise verlaufen?«, stammelte Respectus mit bleichem Gesicht und schaute griesgrämig zu mir hoch.

      Offenbar passte es ihm nicht in den Kram, dass ich so früh am Morgen im Handelskontor aufgetaucht war. Mir wurde plötzlich bewusst, dass ich ihm ohne weiteres zutraute, mich zu betrügen. Verstimmt nahm ich mir vor, ihn demnächst zur Rede zu stellen, aber an diesem Morgen hatte ich leider andere Probleme. Ich konnte mich aber nicht beherrschen, meinen Teilhaber zu fragen, warum er nicht in seinem eigenen Raum arbeitete.

      »Ich habe mich nur ganz kurz in dein Zimmer gesetzt, weil es hier heller und wärmer ist. Du kommst ja sonst nicht so früh in deine Schreibstube«, behauptete er, aber ich konnte beim besten Willen nicht finden, dass mein Raum tatsächlich deutlich sonniger war, zumindest nicht in den Morgenstunden.

      Mit der rechten Hand fuhr Respectus gedankenverloren über das Eichenholz meines Schreibtisches, an dem er immer noch saß und von dem er sich offenbar nur schwer losreißen konnte.

      »Warst du erfolgreich an der Mosel?«, fragte er schließlich in dem teilnahmslosen Tonfall in dem man sich anstandshalber nach dem Befinden seiner Bekannten erkundigt.

      Um nicht länger in der Tür herumstehen zu müssen, schob ich einen Stuhl aus einer Ecke auf die andere Seite des Tisches, denn noch immer machte mein Teilhaber keine Anstalten meinen Arbeitsplatz zu räumen. Während ich mit knappen Worten von meiner Handelsmission berichtete,