Adular (Band 2): Rauch und Feuer. Jamie L. Farley

Читать онлайн.
Название Adular (Band 2): Rauch und Feuer
Автор произведения Jamie L. Farley
Жанр Языкознание
Серия Adular
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783038961550



Скачать книгу

klammerte sich an einen Korb, in dem er Einkäufe transportierte.

      Mit zitternder Hand zeigte er ein Stück Leinen vor, auf dem etwas geschrieben war, was Elanor nicht lesen konnte. »Mein Herr i-ist krank und kann das Haus selbst nicht v-v-verlassen. I-Ich bin der Einzige, der ihm etwas zu essen …«

      »Das interessiert niemanden.« Der grimmige Hochelf riss ihm die Erlaubnis aus der Hand, warf sie zu Boden und trat mit seinem Stiefel drauf. »Gehörst du zu den Rebellen, Grauhaut?«

      Die orangeroten Augen des Dunkelelfen weiteten sich panisch. Hektisch schüttelte er den Kopf. »I-I-Ich bin k-kein Rebell.«

      Elanor verlangsamte ihre Schritte.

      Misch dich nicht ein, flüsterte eine Stimme in ihrem Hinterkopf. Mach dir nicht noch mehr Schwierigkeiten! Geh weiter! Geh weiter und tu so, als hättest du nichts gesehen! Wie alle anderen.

      Jemand stieß von hinten gegen sie. »Verdammt noch mal, Weib«, herrschte eine raue Männerstimme sie an, »steht nicht im Weg herum!« Ein Mann ging aufgebracht an ihr vorbei.

      An einer Leine, die an einem silbernen Halsband endete, zog er eine rothaarige Dunkelelfin hinter sich her. Die Sklavin wiederum führte einen schwarzen Hund an der Leine.

      Elanor starrte ihnen sekundenlang nach.

      »Was sagst du dazu, dass die Grauwölfe unsere Farmen niedergebrannt haben?«, fragte der grimmige Hochelf. »Warst du dabei? Hast du auch einem harmlosen Farmer den Schädel eingeschlagen?«

      Elanor richtete ihren Fokus zurück auf den Pulk wenige Meter vor sich. Der Überfall der Rebellen auf die Farmen nördlich von Malachit war gut zwei Wochen her. Der Preis für Lebensmittel war seither merklich angestiegen.

      »Nein.« Der Blick des Dunkelelfen zuckte nervös zwischen den finsteren Gesichtern hin und her. »E-Es ist f-furchtbar, was p-passiert ist …«

      »Von wegen«, schnaubte die Standbesitzerin. »Ich wette, dir hat es gefallen.«

      »Hast du einen Freudentanz für deinen falschen Gott aufgeführt, als die Farmen brannten? Zwischen dem Blut und den Leichen?«, fragte der Waldelf. Er entriss ihm den Korb und warf ihn achtlos hinter sich.

      Elanors Beine setzten sich selbstständig in Bewegung. Sie ging in die Hocke und sammelte die Lebensmittel ein, die herausgefallen waren.

      »Ich habe nichts getan«, stieß der Dunkelelf panisch aus. Hilflos sah er sich nach einer Fluchtmöglichkeit um, einer Lücke in der unüberwindbaren Mauer, die sich um ihn gebaut hatte. Vielleicht auch nur nach jemandem, der ihm nicht feindlich gesinnt war. »B-Bitte, ich wollte nie … i-ich … m-mein Herr wird …«

      »Knüpft die Grauhaut auf«, johlte einer der halbstarken Hochelfen, die zuvor die Hühner geärgert hatten.

      Die Aufmerksamkeit der Gruppe hatte sich vollends auf den jungen Sklaven gerichtet.

      »Wenn er kein Halsband hat, dann bekommt er eines von uns«, sagte die Waldelfin, die neben ihrem Mann im Pulk stand.

      Elanor richtete sich mit dem Korb im Arm auf.

      Der grimmige Hochelf und der Waldelf packten den Sklaven, der es kaum wagte, sich zu wehren. Die Standbesitzerin holte ein Seil hervor, knotete es schnell zu einer Schlinge und warf sie dem Dunkelelfen über.

      »Knüpft die Grauhaut auf«, jubelten die jungen Hochelfen im Chor.

      »Bitte nicht«, schrie der Dunkelelf angsterfüllt. »Bitte, lasst mich gehen!«

      Elanor lauschte dem umliegenden Gemurmel.

      »Das geht zu weit«, flüsterte eine Frau. »Das können sie dem Sklaven nicht antun. Er ist nicht ihr Eigentum.«

      »Selbst wenn«, erwiderte ein Mann. »Der Dunkelelf hat nichts getan, was diese Behandlung verdient. Er hat das ausgeführt, was ihm befohlen wurde, und dafür soll er bestraft werden?«

      »Wie ängstlich er ist«, raunte die Frau. »Es bricht mir fast das Herz. Aber was sollen wir tun? Meinst du, wir können die Wachen holen?«

      »Nicht für einen Sklaven«, murmelte der Mann.

      »Schluss damit«, rief Elanor, so laut sie konnte. Sie hatte ihre Untätigkeit satt. »Habt Ihr alle den Verstand verloren? Merkt Ihr, was Ihr gerade tun wollt?«

      Sie nutzte die Verwunderung der Anwesenden, um dem Dunkelelfen die Schlinge vom Hals zu ziehen und ihn hinter sich zu stellen. »Ihr solltet Euch alle in Grund und Boden schämen«, sagte sie zornig. »Die Rebellen erreicht Ihr nicht, also müsst Ihr Euch an den Schwächsten vergreifen? Warum geht Ihr nicht zu Hastor und haltet ihm sein Versagen vor? Er hätte die Farmen schließlich schützen sollen. Dieser Dunkelelf hier hat Euch nichts getan.« Ihr Gesicht wurde sanfter, als sie sich dem Sklaven zudrehte und ihm seinen Korb zurückgab. »Es tut mir leid, dass sie Euch angegriffen haben.«

      Der Dunkelelf schwieg verunsichert. Er zitterte am ganzen Leib und klammerte sich am Korb fest.

      Elanor lächelte freundlich. »Jetzt eilt zu Eurem Herrn!«

      Der Sklave verneigte sich hastig. »Ich danke Euch, gütige Frau.« Er duckte sich an den beiden Elfenmännern vorbei, warf der Gruppe halbstarker Hochelfen einen nervösen Blick zu und rannte.

      Glücklicherweise kamen die Jünglinge nicht darauf, ihn zu verfolgen. Auch der Pulk löste sich nicht auf. Der Waldelf trat zurück an die Seite seiner mutmaßlichen Frau und versperrte Elanor den Rückweg. Der grimmige Hochelf baute sich mit seiner beeindruckenden Körpergröße vor ihr auf.

      »Ihr könnt es nicht unterlassen, was?«, knurrte er.

      »Ihr doch ebenso wenig«, entgegnete Elanor.

      Sie wollte weitergehen, die Gruppe hinter sich lassen. Einer der Waldelfen versetzte ihr einen kräftigen Stoß in den Rücken. Elanor geriet ins Straucheln und stolperte über das ausgestreckte Bein des Hochelfen. Sie stürzte und kleine Steinchen bissen in ihre Handflächen.

      Die hochelfischen Jünglinge johlten laut. Bilder blitzten in Sekundenbruchteilen vor ihrem inneren Auge auf. Ein Kreis aus hysterisch lachenden Kindern. »Elanor hat keine Eltern«, kreischten sie im Chor, während sie mit Stöcken auf sie einschlugen.

      Sie presste die Zähne aufeinander und stand auf.

      »Eine Frechheit«, hörte sie jemanden im Vorbeigehen murmeln. »Eine schwangere Frau so zu behandeln.«

      »Dunkelelfenhure«, zischte die Waldelfin. »Man sollte dir die Missgeburt aus dem Leib treten.«

      Aus den Tiefen von Elanors Bewusstsein echote das Fauchen einer gebändigten Wut. Sie zerrte an ihren Fesseln, warf sich gegen die Käfigwände, drohte auszubrechen.

      »Und dein verfluchtes Haus niederbrennen«, fügte der Hochelf hinzu. »Es scheint dich ja nicht zu tangieren, was mit unseren Farmen geschehen ist. Oder bist du einfach zu dumm, um die Tragweite zu begreifen?«

      Elanor klopfte sich das Kleid und die Hände ab. Sie spürte die bohrenden Blicke von mehreren Marktbesuchern und Händlern, die das Geschehen ungeniert beobachteten. Doch niemand schien sich berufen zu fühlen einzugreifen. Nicht bei einem verängstigten Dunkelelfen, der mit dem Tod bedroht wurde. Nicht bei ihr. »Keinesfalls. Die Verantwortlichen sind dafür bestraft worden und noch ist meines Wissens keine Hungersnot ausgebrochen.«

      Zumindest nicht bei uns. Wie hungrig die Dunkelelfen unten in der Aschegrube sind, kann ich nur erahnen, fügte sie gedanklich hinzu. Wie hungrig war Dûhirion, bevor Umbra ihn hinrichten ließ?

      Die Besitzerin des Obststandes schnaubte verächtlich. »Hört, hört! Wie frech dieses Weib wird. Es sind Leute dabei gestorben. Aber das waren ja vorwiegend nur Elfen und ein paar Zwerge. Kaum einer deiner kostbaren Dunkelelfen. Erzähl doch mal: Wie oft warst du mit den Rebellen im Bett, bevor sie über unsere Farmen hergefallen sind?«

      »Ungefähr so oft, wie Ihr bisher im Bordell wart«, erwiderte Elanor scharf.

      Einer der jungen Hochelfen pfiff anerkennend.

      Die