Zwei wie Zucker und Zimt. Zurück in die süße Zukunft. Stefanie Gerstenberger

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Название Zwei wie Zucker und Zimt. Zurück in die süße Zukunft
Автор произведения Stefanie Gerstenberger
Жанр Учебная литература
Серия
Издательство Учебная литература
Год выпуска 0
isbn 9783401805153



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Handgelenk herum. Keine Uhr.

      »Deine kleine Lieblingsuhr, die du am 8. August zum achten Geburtstag geschenkt bekommen hast. Opa, also dein Vater, hat dich morgens um acht geweckt und sie dir als allererstes Geburtstagsgeschenk überreicht. Das Armband war weinrot damals.«

      »Hellrot«, wisperte Marion, »es ist hellrot, aber der Rest stimmt!«

      »Mir hast du immer etwas von weinrot erzählt …egal, glaubst du mir jetzt?«

      »Was?«

      »Dass ich aus der Zukunft komme, dass ich deine Tochter bin!«

      Aber Marion starrte mich nur an. Ich überlegte fieberhaft. Was konnte ich meiner Mutter noch erzählen, von dem nur ich allein wusste?

      »Die Ecke von deinem Zahn vorne, die hast du dir an der Fensterbank im Badezimmer abgebrochen. Das tat sehr weh und deine Lippe hat stark geblutet, Dagmar hat dich geschubst, zwar nur ein bisschen, aber sie war’s. Niemand glaubte dir.«

      Marions Mund öffnete sich. Selbstvergessen berührte sie mit einem Finger den betroffenen Schneidezahn und nickte. »Das ist die Härte! Aber ich schnall’s immer noch nicht …«

      »Echt krass, oder?« Ich lächelte das Mädchen an, das verrückterweise irgendwann einmal meine Mutter werden sollte.

      »Und du bist meine … Tochter?«

      Jetzt war es an mir zu nicken.

      »Also, ich weiß nicht … vielleicht hast du auch nur in meinen Tagebüchern gelesen.« Ihr Blick irrte durch den Raum. »Ich habe die so gut vor Dagmar versteckt, dass ich schon selber nicht mehr weiß, wo sie sind.«

      »Aber es stimmt! Wirklich!«

      »Dann erzähl mir mal von meiner Zukunft! Mit wem bin ich verheiratet? Wie sieht er aus? Er ist hoffentlich kein Bäcker! Haben wir immer noch einen Hund, so toll wie Zucker?« Marions Augen funkelten mich provozierend an. »Na, was ist los mit dir, Marty-zurück-aus-der-Zukunft, da hast du wohl keine Antwort drauf!«

      »Ist ziemlich abgedreht, oder?«, antwortete ich, um Zeit zu gewinnen.

      »Ja, so abgedreht, dass ich mir überlege, ob ich die Polizei rufe.« Jetzt versuchte sie, einen auf streng zu machen, das kannte ich schon von ihr. »Oder besser die Psychiatrie. Aus Schloss Edstein laufen öfter mal Patienten weg. Diese Irren hauen aus der Geschlossenen ab und tauchen dann bei uns im Garten auf.«

      »Aus dem Schloss Edstein?«

      »Ja, tu doch bitte nicht so! Du weißt wahrscheinlich so gut wie ich, dass die Klinik in einem alten Schloss untergebracht ist.«

      »Die Klinik? Wie krass, das ist heute meine Schule, ’ne englische Privatschule, und nennt sich Edstone Boardingschool. Haben die das Ding einfach auf Englisch umbenannt …, ich glaub’s ja nicht, ich wusste gar nicht, dass da früher … uns erzählen sie immer was von einem ganz normalen Krankenhaus.«

      Marion schüttelte wieder den Kopf, nun wahrscheinlich noch überzeugter von meiner geistigen Verwirrtheit. »Wie war das mit meiner Uhr?«, fragte sie sanft, so wie man mit gefährlichen Irren redet. »Die hast du also für deine Zeitreise benutzt?«

      »Na ja, benutzt stimmt nicht ganz, ich habe sie aus dem Fenster geschmissen, nachdem ich sauer auf dich war. Wir sollten sie aber auf jeden Fall suchen gehen, die brauche ich nämlich, um wieder zurückzukommen. Also, in Filmen ist das immer so …«

      Ich sah, wie Marion unter ihren dicken Brauen mit den Augen rollte, sie glaubte mir also immer noch nicht.

      »Was hast du jetzt vor?« Sie räusperte sich.

      »Ich? Ich möchte eigentlich so schnell wie möglich zurück, aber vorher gucke ich mir erst einmal unsere Wohnung an, ich bin nämlich neugierig! Und Dagmar, die will ich auch sehen!«

      Schon drängte ich mich an Marion vorbei und öffnete die Tür. Marion lachte künstlich, als ob sie auf einer Bühne stände: »Tja, was wird eigentlich aus Dagmar? Sie wird doch nicht etwa auch Kinder haben, die tun mir jetzt schon leid!«

      »Nein, keine Kinder. Sie hat studiert …«

      »Natürlich, bei dem Abitur, das sie gerade gemacht hat. Ein Notendurchschnitt von 1,3.« Marion stöhnte. »Sie ist so schlau … das schaffe ich nie!«

      Ich schluckte. Stimmt, wollte ich sagen. Doch wenn ich schon mal hier war, konnte ich doch endlich herausfinden, woran es lag, dass Mama sich bei jeder Gelegenheit vor Dagmar duckte wie ein Hund, der Prügel erwartete. »Sie wird keine Konditorin, so viel kann ich dir jedenfalls verraten …«

      »Natürlich nicht«, sagte eine Stimme aus einer dunklen Ecke des Flurs. Dagmar! Ihre schemenhafte Figur löste sich von der Wand und stieß eine andere Tür auf. Ich beeilte mich, um hinter ihr in die helle Küche zu kommen. Ich wollte Dagmars Gesicht sehen!

      Ich versuchte, nicht zu starren, als ich Haare, Augen, Mund des achtzehnjährigen Mädchens abscannte. Dass DDD jemals so jung gewesen war! Echt interessant. Auch ohne Faltenkranz um die blauen Augen und die welke Haut an ihren Wangen war in diesem Gesicht doch unverkennbar die mürrische Tante angelegt, die ich allzu gut kannte. Schon zog sie die Oberlippe skeptisch über die Vorderzähne zurück, wie sie es immer tat. Die Haut auf ihrem breiten Nasenrücken kräuselte sich dabei.

      »Hallo, Dagmar!« Mein ganzes Leben hatte ich vor meiner Tante gezittert oder mir von ihr gegen gute Noten teure Laptops bezahlen lassen, doch nun konnte ich mir das Lachen kaum mehr verbeißen. »Schönes Hemd!« Ich zeigte auf das Jeanshemd mit dem Riesenkragen, das sich großzügig um Dagmars hageren Oberkörper legte, ihren breiten Hintern aber nicht gänzlich verdeckte. »Da hast du Glück.«

      »Wieso?« Wie immer witterte sie Negatives in einem Kompliment.

      »Wenn das in fünfunddreißig Jahren mal wieder modern wird, hast du es schon.« Das Kichern wollte einfach aus mir hinaus.

      »Wer ist die denn?«, kam es gelangweilt von Dagmar. Schon mit achtzehn war sie so verdammt selbstsicher, warum nur?

      »Das ist Charles«, erklärte Marion, »Charles, wie der englische Prinz! Sie ist … sie ist hier … weil …«, mit einer hilflosen Geste gab sie das Wort an mich weiter:

      »Weil ich euer Leben besser kennenlernen möchte! Fremde Sitten und Gebräuche, fremde Welten, Länder …äh und so weiter.«

      »Schüleraustausch«, fiel Marion noch ein. Ich warf meiner zukünftigen Mutter einen anerkennenden Blick zu.

      »Aus welchem fremden Land denn?« Dagmar hatte diesen Verhör-Ton offenbar schon immer an sich gehabt.

      »England. Ich bin dort geboren, aber meine Eltern sind Deutsche.« Meinen französischen Vater zu erwähnen, würde jetzt nur verwirren. Lieber England. Die Sprache konnte ich ja wirklich recht gut.

      »Aha! Wie lange bleibt sie?«

      »Sie bleibt nur kurz, du kannst sie aber auch gerne selber fragen«, erwiderte ich.

      »Wissen Mutti und Vati davon?«

      »Nein, Marion ist aber so lieb und fragt gleich eure Eltern. Ich sollte eigentlich während des Austauschs bei einem anderen Mädchen wohnen, bei der … wie hieß die noch?«

      »Bei … bei Manuela Hövelkamp«, sprang Marion ein.

      »Da ist aber jemand krank geworden. War es der kleine Bruder? Verdacht auf …?«

      »Meningitis. Ansteckende Hirnhautentzündung.«

      Na bitte, ohne dass Dagmar es sehen konnte, zeigte ich Marion den hochgestreckten Daumen und flüsterte: »Like!« Dabei würde die Welt noch mindestens fünfundzwanzig Jahre auf Facebook und den Gefällt-mir-Daumen warten müssen.

      »Komm, wir gehen.« Marion zog mich davon. Gemeinsam machten wir uns auf den Weg in den Garten.

      »Also, ich will dir ja glauben, aber ich kann es nicht!« Marion nahm die Schürze ab, faltete sie ordentlich zusammen