Название | Die geheimnisvolle Nähe von Mensch und Tier |
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Автор произведения | Immanuel Birmelin |
Жанр | Биология |
Серия | |
Издательство | Биология |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783833874413 |
Aber das ist natürlich nicht die ganze Geschichte. Jeder weiß, dass auch das Aussehen bei der Wahl eine wichtige Rolle spielt. Japanische und britische Forscher zeigten jungen Frauen Bilder von kantigen und weichen Männergesichtern. Wichtig ist, die Frauen nahmen keine Verhütungsmittel in der Zeit der Befragung. Welche Gesichter bevorzugten die Frauen? Die Frauen entschieden sich überwiegend für die weichen Gesichter, weil sie die Abgebildeten als jünger, ehrlicher und gefühlvoller hielten. Das war eine Überraschung. Das Bild drehte sich, als die Frauen auf dem Höhepunkt ihrer Empfängnis waren. Dann wählten sie die kantigen, harten Gesichter. Ergebnis vieler Studien: Frauen wählen den gefühlsbetonten Mann für die Partnerschaft und den dominanten, kantigen Mann für das sexuelle Abenteuer.
Wie kann man sich dieses Wahlverhalten von Homo-sapiens-Frauen erklären? Machen wir einen kurzen Abstecher nach Bern. Hier untersucht Professor Wedekind und sein Team das Riechverhalten von Mäusen und Menschen. Er fragt sich, wie andere Arten die wichtige Entscheidung der Partnerwahl treffen. Die Schweizer Wissenschaftler fanden heraus, dass Mäuse, die durch Inzucht über Generationen nahezu erbgleich gezüchtet wurden, dennoch unterschiedliche Gene haben. Welcher Geruchsstoff im Körper produziert wird, steht in seinen Genen. Sie sind dafür verantwortlich, wie wir riechen und welches Geruchsmolekül entsteht. Am attraktivsten finden Mäuse-Weibchen den Duft des Mäuse-Mannes, der sich von ihren Geruchsgenen am meisten unterscheidet. Wie gesagt, jedes Tier hat eine eigene Duftnote. Mäuse können quasi vom Duft des anderen auf seine Genausstattung schließen. Der Duft ist also der Schlüssel zur Wahl.
Warum? Diese Wahl verhindert die Inzucht und fördert in der nächsten Generation die Vielfalt des Erbgutes. Dadurch entstehen neue Kombinationen des Erbgutes. Dies wiederum ist ein enormer Vorteil bei der Abwehr von Krankheitserregern. Denn diese können sich nur schlecht ausbreiten, wenn sie immer wieder mit genetisch neu gemischten Individuen und deren entsprechend neu formierten Abwehrmechanismen konfrontiert werden. Einen genetisch unterschiedlichen Partner zu finden, kann somit für Mäuse evolutorisch hilfreich sein.
Verlassen wir den Mäuseschauplatz und schauen auf uns Menschen.Professor Wedekind und sein Team testeten Frauen, wie sie auf verschwitzte T-Shirts reagieren, die Männer an zwei aufeinanderfolgenden Nächten trugen. Ziel dieser Versuche ist es herauszufinden, ob Frauen einen bestimmten Schweißgeruch bevorzugen und damit auch eine bestimmte Genausstattung. Ein Ergebnis dieser Studie zeigte: Bei der Partnerwahl haben Frauen den richtigen Riecher. An flüchtigen Duftsignalen der Haut, die bei jedem Mann anders gemischt sind, erkennen sie, ob die Chemie stimmt. Sie wählen denjenigen, der sich deutlich von ihren Genen unterscheidet. Vielfalt der Gene heißt die Devise, um gegen Krankheiten gefeit zu sein. Welche erstaunliche Ähnlichkeit mit Mäusen!
WISSEN KOMPAKT
Bindung ist ein lebenswichtiges System in der Entwicklung vieler Tierarten und hat in der Evolution einen hohen Anpassungswert erreicht.
1 Zu einer intakten Bindung eines Lebewesens gehört zum Beispiel das Erleben von Verbundenheit, Nähe, Zärtlichkeit und Schutz.
2 Harlows Experimente zeigen, dass eine normale Mutter-Kind-Bindung die Voraussetzung für spätere Sozialisierungsprozesse ist. Fehlt die Bindung, sind schwere Entwicklungsstörungen möglich.
3 Prägung ist ein Lernprozess, der an eine sensible Phase in der Entwicklung eines Individuums gebunden ist. Diese Lernprozesse finden in einer festgelegten oder kritischen Phase statt. Prägung ist nicht reversibel und bleibt zum Teil lebenslänglich stabil. Konrad Lorenz zeigte die stabile Struktur der Bindung mit der Nachlaufprägung bei Entenküken (Abbildung, >).
4 Hatte das Lebewesen während der sensiblen Phase keine entsprechende Lernmöglichkeit, kommt es zu Entwicklungsstörungen.
5 Seit mehr als 35 Millionen Jahren war Sicherheit für ein Primatenbaby gleichbedeutend damit, Tag und Nacht ganz nah bei seiner wärmenden, schützenden und nährenden Mutter zu bleiben und sie schnell von anderen unterscheiden zu können. Trennung erzeugt Angst. Wenn es die Verbindung verlor, war das Baby so gut wie tot. (Quellennachweis, Blaffer-Hrdy, >).
6 Das Hormon Oxytocin bewirkt die Kontraktion des Uterus und den Milchfluss in den Brustwarzen. Oxytocin gilt aber auch als »Universalkleber«, der gleichermaßen Eltern an ihre Kinder bindet und Paare zusammenschweißt. Grundlage dieser Schweißnaht ist das Vertrauen in den anderen. Signalisiert ein Fremder uns gegenüber friedliche Absichten, verstärkt es unsere Neigung, ihm zu vertrauen. Unser Gehirn reagiert auf die freundlichen Signale, indem es Oxytocin produziert. Aber auch unsere Verwandtschaft vom Schimpansen bis zur Maus reagiert mit einem Anstieg von Oxytocin im Blut.
7 Oxytocin spielt sowohl bei der Tier-Tier-Bindung als auch bei der Mensch-Tier-Bindung eine ganz entscheidende Rolle. Forscher ließen 30 Herrchen und Frauchen eine halbe Stunde mit ihren vierbeinigen Freunden spielen und schmusen. Eine Gruppe von Hundehaltern sollte möglichst intensive Blickkontakte mit ihren Tieren halten. Vorher und nachher maßen die Forscher den Oxytocingehalt in Urinproben von Mensch und Hund. Die Auswertung der Proben war überraschend: Bei den Menschen und Hundepaaren, die sich am längsten in die Augen sahen, wurde ein deutlich erhöhter Oxytocin-Spiegel gemessen.
Im Konferenzraum der Tiere
Immanuel beendet das Thema Beziehung und Bindung. Sein Resümee ist kurz und knapp: »Wir haben gesehen, dass Tiere ebenso Bindungen untereinander als auch zu Menschen eingehen können. Diese Bindungen werden von Gefühlen begleitet. Das Hormon Oxytocin wirkt im tierischen Körper ähnlich wie bei uns Menschen.«
Jetzt meldet sich Schwein Edeltraut zu Wort: »Warum glaubt ihr Menschen, dass ihr etwas Besonderes seid im Vergleich zu uns Tieren? Auch ihr seid Kinder der Evolution und müsst euch an die Bedingungen des Lebens anpassen. Jede Tierart sucht sich ihre Nische, in der sie überleben kann. Einige von uns haben den Luftraum erobert, wieder andere das Meer, die Seen und Flüsse. Und bei euch hat sich ein sehr leistungsfähiges Gehirn herausgebildet. Das ist toll, aber nichts Besonderes.
Deine Vorfahren hatten ein kleineres Gehirn und einen etwas anderen Körperbau, so wie früher Hirsche ein größeres Geweih hatten. Wir alle auf diesem Planeten verändern uns, weil es nichts Konstantes im Leben gibt. Ich glaube, das ist ein Naturgesetz – so wie die Erde um die Sonne kreist und der Mond um die Erde. Wir sind eingebunden in diesen Lebensstrom, ohne uns könnt ihr nicht überleben und wir nicht ohne euch. Auch die Menschen können etwas von den Tieren lernen. Und schaut uns doch genauer an: Wir alle haben Beine und Arme oder umgestaltete Gliedmaßen, ihr tragt Kleider, wir haben ein Fell, Federn oder eine glatte Haut, aber das sind doch nur geringe Unterschiede. Wo sind eure Wurzeln zu finden?«
Woher wir kommen, wohin wir gehen
Wie so oft auf dem Weg in die Serengeti, machen wir einen Abstecher in die Olduvai-Schlucht. Sie gilt – gemeinsam mit anderen Orten in Afrika – als Wiege der Menschheit. An der Abzweigung dorthin saß am Wegesrand ein junger, vermutlich sehr hungriger Massai-Mann mit einem langen Speer in der Hand. Wir hatten Mitleid mit ihm, aber das war nicht das Besondere. Sein weiß bemaltes Gesicht erweckte unsere Neugier und erzeugte unterschwellig Furcht. Wir verstanden diese Welt nicht: Was macht ein solch bemalter Jüngling bloß allein in der Wildnis? Das Geheimnis lüftete unser Fahrer. Es gehört zum Brauch der Massai, dass ein junger, beschnittener Mann alleine mit einem Speer einen Löwen tötet. Er muss die Mutprobe bestehen, wenn er geachtet in seinem Stamm leben möchte.
Auf den Spuren der Menschheit
Dieser junge Massai öffnete uns ein wenig die Augen. Er demonstrierte uns die Vergangenheit. Von Minute an waren wir in einer anderen Zeit, und dieser Eindruck sollte sich noch verstärken, als wir schliießlich