Der Drachenzahn. Wolf Awert

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Название Der Drachenzahn
Автор произведения Wolf Awert
Жанр Языкознание
Серия Drachenblut
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783959591812



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Allgemein nicht und schon gar nicht von jungen Menschenfrauen, die sonst alle seinem Charme erlagen. Dazu brauchte er es noch nicht einmal darauf anzulegen. Der Elfencharme war ihm auch eher eine Bürde als ein Vergnügen, doch nun ärgerte ihn diese Nichtbeachtung beträchtlich. War er denn so wenig wert? Was würde wohl passieren, wenn er ein bisschen …

      „Wir müssen noch über deinen Auftrag sprechen“, sagte er mit einer Stimme, in der Glocken erklangen, Bäche murmelten und der Wind die Felsen zum Singen verführte. Tamas Schritt geriet aus dem Takt, als sie den Kopf drehte und Lufthauch anschaute. Sie hatte gerade das Gefühl, ihr Herz würde in zwei Stücke gerissen. „Mutter, hilf“, betete sie, aber ihr Gebet kam zu spät. Mutters Ohren waren taub geworden.

      Tama wusste, dass es von nun an nur noch einen Mann in ihrem Leben geben würde. Lufthauch! Aber mit der anderen Hälfte ihres Herzens wusste sie auch, dass ihre Gefühle nicht echt und nur das Ergebnis einer magischen Kraft waren. Das machte sie unsagbar wütend. Konnte man jemanden gleichzeitig erschlagen und küssen wollen? Denn genau das wollte sie in diesem Augenblick. Totschlagen und totküssen. Essen oder Reden. Woher dieser Gedanke jetzt auf einmal kam, verstand sie nicht. Hilfreich war er jedenfalls nicht. Torso hatte das gesagt. Es ginge nicht zusammen. Nur nacheinander und das auch nur, wenn sie selbst nicht die Nahrung war. Sie konnte Lufthauch erst küssen und dann erschlagen. Anders herum ging es nicht. Eine Liebe kann man nicht ersäufen und auch nicht verbrennen, dachte sie resignierend. Aber einen Zauber kann man brechen. Dann wird man merken, was von der Liebe noch übrig ist. Das ist auch nicht schwieriger, als in einer Küche herauszufinden, ob der Kochtopf hält, was sein Duft verspricht. Man muss nur den Deckel abnehmen und in den Topf hineinschauen.

      Nein, es war überhaupt nicht einfach. Aber jetzt hatte sie wenigstens etwas zu tun, bis sie einen Weg ins Elfenviertel fand. Sie würde den Elfencharme zerstören und sich ihre Liebe zu Lufthauch aus dem Herzen reißen. Mutter zu finden war wichtiger als in Lufthauchs Armen zu liegen. Die Tränen, die ihr über die Wangen liefen, merkte sie nicht. Auch nicht, ob es Tränen der Wut oder der Verzweiflung waren. So blieben auch die Flecken auf der Lederkleidung unbeachtet, die die salzigen Tropfen hinterließen. Ihre Tränen, ihre Flecken.

      Sie legten den Rest des Weges sehr wortkarg zurück. Lufthauch erzählte Tama, wie sie ursprünglich vorgehabt hatten, sie ins Elfenviertel zu bringen. „Aber das ist jetzt nicht mehr möglich. Die Elfen kennen dich nun und haben dich fest im Blick. Aber mach dir keine Sorgen, uns fällt schon etwas ein.“

      Tama schwieg, und als sie endlich etwas sagte, sprach sie davon, dass sie ihre Lederkleidung säubern müsse nach ihrem Ausflug, sie aber keine Ersatzkleidung besäße. Und so erreichten sie endlich den kleinen Laden neben dem des Königs, wo sich ihre Wege trennten. Sie standen zusammen, ohne ein Wort zu sagen. Tama verbiss sich ein „Lebe wohl“, weil sie sich von Lufthauch nicht trennen wollte, und Lufthauch stand regungslos neben ihr und verstand ihr Schweigen nicht. Er konnte auch nichts in ihren Augen lesen, denn Tama schaute auf ihre Fußspitzen. Wie früher, dachte sie. Da schaute ich auch immer auf den Boden. Den Kopf zu heben und der Welt zu trotzen hatte sie gerade erst neu gelernt. Hier in dieser Stadt. Das war noch gar nicht so lange her. Tama brauchte weder in Lufthauchs Augen zu schauen, noch sich in sein Gehirn zu begeben, um dessen Gedanken zu erraten. Sie wusste, worauf er wartete. Aber als sie dann daran dachte, dass Pando, dieser unverschämte Gestaltwandler, möglicherweise oben in ihrem Zimmer neben ihrem Bett liegen könnte, verdrängte frische Wut auch die letzten zärtlichen Gedanken. Diesen Triumph würde sie ihm nicht gönnen, gemeinsam mit Lufthauch vor seinen Augen zu erscheinen und sich seine Bemerkungen anhören zu müssen. Es war schon richtig so, den Elfen nicht mit in ihre Wohnung zu nehmen. Und so sagte sie „Leb‘ wohl“, schloss die Tür des kleinen Ladens auf, drehte sich noch einmal um und winkte ihm zu. Sorglos an der Oberfläche wie ein Falter, der sich von einer Blüte verabschiedet, an der er genascht hat. Dann drückte sie die Tür des Ladens auf und verschwand. Wenn ihm nur halb so viel an mir läge wie mir an ihm, hätte er mich ja zu sich bitten können, dachte sie. Die sich hinter ihr schließende Tür verdrängte etwas von Lufthauchs Einfluss. Besser fühlte sie sich deshalb aber nicht.

      Lufthauch starrte Tama verärgert hinterher und fragte sich, warum sie ihn nicht zu sich mit nach oben genommen hatte und was so stark sein konnte, seinem Elfencharme zu widerstehen. Er winkte zurück. Wäre sie mit mir gekommen, wenn ich sie gefragt hätte? Ein müßiger Gedanke ohne eine feste Bleibe hier. Jetzt kann ich mich erst einmal um einen Schlafplatz für die Nacht kümmern. So kann doch keiner arbeiten. Es wird Zeit, dass sich das ändert. Ich brauche eine Wohnung hier. Am besten hoch unter dem Dach in einer der Hauptgeschäftstraßen. Die Wehrhüter würden das bezahlen müssen, denn als Waldläufer oder Jäger konnte er sich so etwas nicht leisten. Mit diesen für einen Wehrhüter äußerst befremdlichen Gedanken eilte er mit langen Schritten zum Stadtrand. Sumpfwasser hatte ihm gesagt, wo er eine Spinne finden würde. Er brauchte einen neuen Plan.

      Pando

      Pando schaute Tama und Lufthauch nach, wie sie gemeinsam davongingen. Über den kleinen Stich in seiner Brust sah er geflissentlich hinweg, zuckte dann mit den Achseln und wandte sich Torso zu. „Du hast jetzt zwei neue Freunde, Torso.“

      „Ihr wart zu dritt. Dritter kein Freund?“

      „Nein, er ist kein Freund von dir.“

      „Dann Feind. Aufessen.“

      „Er ist auch kein Feind von dir. Er ist noch zu jung, weiß selbst noch nicht, wer seine Freunde und wer seine Feinde sind. Gib ihm Zeit.“

      „Zeit habe ich viel. Kann ich leicht geben.“

      Pando ließ nachdenklich seinen Blick über Torso wandern. Was nun, dachte er. Was mach‘ ich mit so einem wie dir? Kannst du mir etwas von dem Geheimnis verraten, dem ich auf die Spur kommen möchte?

      Pando hob die zerrissenen Fetzen seiner Kleidung auf und lachte. „So etwas passiert, wenn man seine Gestalt verwandelt und sich nicht die Zeit nimmt, sich vorher auszuziehen. Ich lasse dir die Fetzen hier. Vielleicht kannst du noch etwas damit anfangen.“

      Torso griff danach, starrte auf den guten Stoff, zerrte daran herum, suchte nach einer Idee. Dann warf er sie auf einen Haufen anderer Gegenstände. „Danke“, sagte er.

      „Wo hat man dich gefangen?“, wollte Pando wissen.

      „Weiß nicht. Wo ich lebte. Sumpfrand.“

      „Willst du zurück dorthin?“

      „Draußen ist nicht sicher.“

      „Hier auch nicht.“

      Aber Torso war anderer Meinung. „Schlangenauge braucht mich gegen Bürgerwehr. Bürgerwehr braucht mich gegen Schlangenauge. Schlangenauge braucht Bürgerwehr und Bürgerwehr braucht Schlangenauge.“

      „Wofür brauchen die sich denn gegenseitig?“

      „Bürgerwehr hat Ideen. Schlangenauge macht, was Bürgerwehr will. Ich mache, was Schlangenauge will. Manchmal. Dann gibt es viel zu essen.“

      Pando lachte auf. „Viel für die Bürgerwehr und wenig für dich, mein Freund. Wird Zeit, dass wir das ändern. Aber du hast recht. Nirgendwo bist du so sicher wie hier.“

      Torso überlegte. Für ihn war das Thema noch nicht abgeschlossen. „Ich würde nicht weit kommen“, sagte er.

      „Warum nicht? Du müsstest fliegen. Ich könnte dir dabei helfen.“

      Torso machte einen erschrockenen Schritt rückwärts. „Nicht fliegen. Wir haben alle Angst davor. Wir sind alle stark und gefährlich, aber fürchten Stürze aus der Höhe. Wir alle.“

      Es stellte sich heraus, dass Torso eine große Anzahl von Geschwistern hatte. „Leben jetzt meist unter Wasser“, sagte er.

      „Aber hier bist du allein.“

      Torso schüttelte energisch den Kopf. „Habe eine Frau hier.“

      „Eine