Der Drachenzahn. Wolf Awert

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Название Der Drachenzahn
Автор произведения Wolf Awert
Жанр Языкознание
Серия Drachenblut
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783959591812



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ich ungemütlich.“ Ohne eine Antwort abzuwarten, kam der Mann schnell näher. Die letzten Schritte rannte er bereits. Dorman schob Lufthauch zur Seite, damit er Platz hatte, packte den Angreifer an Gürtel und Halsausschnitt und warf ihn mit einer schnellen Drehung in den Pulk seiner Freunde. Er fällte gleich vier Mann mit diesem Wurf.

      „Dieses Spiel heißt Männerwerfen“, sagte Dorman. „Meine Söhne spielen es oft. Kinder machen wirklich viele verrückte Sachen. Lassen sich immer wieder etwas Neues einfallen.“

      Schlangenauges Männer waren harte Burschen und nicht so leicht einzuschüchtern. Auch von dieser Kraftdemonstration nicht. Sie gingen jetzt nur etwas vorsichtiger vor. Die meisten von ihnen hatten ihre Waffen gezogen. Vorwiegend Messer, aber es waren auch eine oder zwei Äxte und etliche Keulen zu sehen. Schlangenauge machte eine beruhigende Handbewegung. Lufthauch war überrascht, wie lange Schlangenauge brauchte, bis er sich durchsetzen konnte. Was war hier los?

      „Was wollt ihr?“ Schlangenauges Stimme übertönte den Lärm und beendete damit auch die Unruhe.

      „Ihr hattet einen Gast hier. Kann noch nicht lange her sein. Ich möchte wissen, wo die Frau sich befindet.“

      „Ah, das Mädchen meint ihr. Da muss ich euch enttäuschen. Ihr hat unsere Gesellschaft nicht gefallen und deshalb ist sie wieder gegangen. Meine Männer streiten immer noch wegen ihr. Einigen hat nicht gefallen, dass ich sie habe gehen lassen. Hätten wohl noch gern etwas mit ihr gespielt. Aber ich habe einen Ruf als Gastgeber zu verlieren. Da kam sie rein und da ging sie auch wieder raus.“ Schlangenauge zeigte genau in den Zwischenraum zwischen Dorman und Lufthauch.

      „Es gibt hier viele Wege“, sagte Dorman. „Was empfiehlst du mir, wenn ich auf dem Vorplatz stehe? Geradeaus, nach links oder nach rechts?“

      „Wenn du geradeaus gehst, holst du dir eine Beule. Wenn du von rechts gekommen bist, geh nach links. Denn wäre sie dir begegnet, wärst du nicht hier. Kamst du aber von links, dann geh jetzt nach rechts aus denselben Gründen. Und jetzt haut schon ab, ihr zwei.“ Schlangenauge drehte sich weg und packte mit beiden Fäusten einen seiner Männer und schüttelte ihn durch. Lufthauch verstand nicht, worum es ging, aber die Gesichter waren böse und verärgert.

      Dorman drehte sich um, Lufthauch ging rückwärts. Auf dem Vorplatz blieben sie stehen. „Nach links“, murmelte Dorman. „Ich habe so ein Gefühl. Gut ist es nicht.“

      „Diese Tamalone“, sagte Dorman dann nach einer Weile, „was bedeutet sie für dich? Ich habe dir diese Frage schon mehrfach gestellt, wenn auch nicht immer mit denselben Worten. Und alle deine Antworten waren so weich wie eine überreife Frucht.“

      „Das lag dann wohl an Euren Fragen oder meiner übergroßen Höflichkeit“, antwortete Lufthauch. Sollte er diesem Kerl sagen, dass er Tamalone zwar für hässlich, aber immer noch für viel reizvoller hielt, als andere Menschen und sogar manche Elfe? Das würde nur weiteren Fragen eine falsche Richtung geben. Auch, dass sie etwas besaß, das er wohl spürte, aber nicht fassen konnte. Noch nicht. Und was diesen Dorman anging ... Auch der sah auf seine Weise gut aus mit seinem kantigen Gesicht. Man musste sich nur alles wegdenken, was fremd und ungewöhnlich erschien. Aber das würde er ihm auch nicht sagen. Würde ebenfalls nur Missverständnisse geben. „Ein Auftrag ist sie für mich“, sagte er deshalb. „Einer unter vielen. Unglücklicherweise mein letzter, und es sieht nicht so aus, als würde er sich leicht beenden lassen.“

      „Du weißt, was sie vorhat?“

      „Nein, woher sollte ich? Ich habe sie bisher nur ein paarmal aus der Ferne gesehen. Sie hat einen Auftrag, ich habe einen Auftrag. Und beide sind miteinander verbunden. Sie soll unbemerkt ins Elfenviertel gelangen. Aber das hat sich erledigt. Zu viele Personen wissen mittlerweile von ihrer Existenz und interessieren sich für sie.“

      Dorman blieb stehen. „Von wem stammt dieser Auftrag?“

      „Müsst Ihr nicht wissen. Soll Tamalone Euch selber sagen.“

      Diese Antwort gab Dorman Einiges zum Nachdenken und beendete seine Fragerei.

      Tamalone

      Nachdem Tama die Lagerhalle verlassen hatte, hielt sie sich links und ging durch einen Torbogen. Dahinter begann ein Labyrinth. Die engen Gassen wurden noch enger. Von einem weiteren rechteckigen Platz zweigten gleich mehrere Sträßchen ab. Es roch gut hier, so als würde irgendwo gekocht, und sie stellte fest, dass sie Hunger hatte. Über den Dächern der Häuser konnte sie die runden Formen der Pilzhüte sehen, in denen die Stadtelfen lebten. Das erleichterte ihr die Orientierung. Kurz entschlossen betrat sie die erste Gasse, von der sie annahm, sie würde sie wieder auf eine größere Straße bringen. Doch weiter als bis zu den Türen von drei Häusern kam sie nicht. Auch die anderen Gassen endeten blind. So blieb am Ende nur ein weiterer Torbogen übrig, der so wenig Licht passieren ließ, dass Tama bereits nach wenigen Schritten im Dunkeln stand. Sie blickte zurück. Dort, von wo sie hergekommen war, zeichnete sich eine helle Hufeisenform aus weißem Sonnenlicht ab. Vor ihr war nichts als eine formlose Schwärze. Sie schob sich an der Wand entlang. Die Wand gab ihr eine Richtung und gleichzeitig hoffte sie, auf diese Art neugierigen Augen zu entgehen.

      Es war schwer sich vorzustellen, dass dieses Dunkel irgendwo hinführte. Entweder waren alle Lampen zerstört worden, oder … Auf keinen Fall führte der Weg sie aus dieser Gegend heraus. Hier war sie falsch. Tama machte kehrt. Der weiße Halbkreis des Torbogens war noch da. Doch nun bildete er den Rahmen für eine Gestalt. Groß. Breite Schultern. Und viel zu lange Beine, als dass sie menschlich sein konnte. Tama ging mutig auf das Wesen zu, schickte ihren Geist voran und suchte eine Verbindung. Was sie fand, war Hass. Hass in einer so herzfüllenden Größe, dass kein anderes Gefühl daneben Platz hatte.

      Auch die Gestalt hatte sich in Bewegung gesetzt. Sie ging unbeholfen, schaukelte mit dem Oberkörper und schwankte so sehr, dass es aussah, als würde sie beim nächsten Schritt das Gleichgewicht verlieren. In dem Licht des Platzes, das drei, vielleicht vier Körperlängen der Gasse erleuchtete, konnte sie nicht mehr erkennen als einen Umriss. Nein, vor ihr stand kein Mensch. Und das war auch kein Elf. Vor ihr stand ein - Monster!

      Tama schalt sich wegen ihrer Wortwahl, die zu nichts taugte, als Panik aufsteigen zu lassen. Ein Tiermensch, korrigierte sie sich. Aber weder Wolf noch Bär. Also nicht ihre Reisegefährten, die mit ihr zusammen in NA-R angekommen waren, sondern ein wirkliches Monster. Tiermensch, verbesserte sie sich erneut. Es gab keine Monster, sondern nur Gestaltwandler mit Menschen- oder Elfenblut. Unerwünschte Gedanken über mögliche Eltern drängten sich auf. Tama vertrieb sie. Sie wollte nicht daran denken, wie seine Eltern zusammengekommen sein mochten und was sie getrieben hatten. Den aufkommenden Ekel konnte sie zwar kaum unterdrücken, aber sie würde kein Urteil fällen, ohne die ganze Geschichte zu kennen.

      „Ich grüße Euch. Ich suche den Weg zu den Hauptstraßen und habe mich dabei verlaufen. Könnt Ihr mir helfen?“ Sie konnte nur hoffen, dass sie den Tiermenschen mit ihrer Gedankensprache erreichte. Jetzt wartete sie auf eine Antwort. Die kam so unerwartet wie ein Hagelschlag von blauem Himmel.

      Der Hass verschwand von einem auf den anderen Moment, aber nur, um dann mit doppelter Stärke zurückzukommen. Das Monster sprang aus dem Stand nach vorn, machte einen einzigen Riesensatz bis zu ihr hin und riss sie um. Tama schlug mit dem Kopf auf und konnte für einen Augenblick nichts mehr sehen außer Sternen und Funken. „Nein, nicht“, wimmerte sie, als sie zwei geballte Fäuste über sich sah, die im Begriff waren, ihr den Kopf zu zertrümmern.

      „Nicht nein, ja!“, hörte sie und dann kam der Schlag. Die Faust sah sie noch kommen, die eine und auch die zweite Faust, die in der Luft stillstand. Dann war nichts mehr.

      Als sie wieder zu sich kam, lag sie im Dreck. Ihr war übel. Der Gestank um sie herum war unbeschreiblich. Sie drehte den Kopf. Links und rechts Mauerwerk. Über ihr Mauerwerk. Sie versuchte sich aufzurichten und stöhnte. Ihr Kopf dröhnte, aber sie war am Leben und konnte sogar etwas sehen. Hinter ihr gab es Licht, vor ihr war Dunkel. Aus dem Dunkel erhob sich eine Gestalt. Das musste das Mo…, der Tiermensch sein. Beine bis zum Himmel mit gewaltigen Oberschenkeln. Er trug Kleidung, wenn man