Der Drachenzahn. Wolf Awert

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Название Der Drachenzahn
Автор произведения Wolf Awert
Жанр Языкознание
Серия Drachenblut
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783959591812



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weiche Kinderhände, runde Augen.

      „Nein.“ Aber es war schon zu spät. Mutters Hände hatten die Herzhand ergriffen, umfasst, streichelten sie jetzt und die Verbindung von Ring und Schädel verblasste - erlosch.

      Tama verließ sich jetzt ganz auf die Kraft ihrer Gedanken. Mochte Schlangenauge ihre Worte nicht verstehen, sein Verstand fügte sich ihrem Willen. „Kein Drachenzahn“, befahl Tama in Gedankensprache, drückte ihren Willen gegen die Felswand, der Stein wurde weich, ließ sich jetzt zusammendrücken wie feuchte Erde. „Kein Drachenzahn. Nein!“

      Das letzte „Nein“, nur ein Wort, kam so laut und deutlich aus Tamas Mund, dass Schlangenauges Männer zusammenzuckten. Wie ein Turm auf einer Bergspitze stand es da. Hoch, breit, massiv und unangreifbar ließ es jedes weitere Begehren von sich abprallen. Ein Widerstand wie Schlangenauge ihn nicht mehr gewohnt war, seit er dem früheren Anführer dieser Bande mit einem einzigen Faustschlag die Schädeldecke zertrümmert hatte. Jetzt, wo die Illusion mütterlicher Güte zerfallen war, ballte sich Wut in seinem Körper zusammen, dehnte sich aus und blieb doch im eigenen Fleisch stecken.

      „Du willst. Ich will nicht. Nur was ich will, zählt“, sagte Tama in der Sprache des stillen Mundes und ließ die Worte ihrem Willen folgen, der sich tiefer und tiefer bohrte.

      „Du wirst …“ Was immer der Glatzkopf sagen wollte, seine Worte verkümmerten in seinem Mundraum, ohne dass er es bemerkte. Er hatte verstanden, worum es ging. „Du willst gegen mich kämpfen?“

      Die schwarzen Schatten bewegten sich nicht. Schlangenauges Männer hörten, was ihr Anführer sagte, suchten nach einem Sinn und erkannten, endlich, dass es zu einem Duell gekommen war, bei dem einer sprach und eine schwieg. Eine schlanke Frau gegen ihren bulligen, stärksten Mann, der mit geballten Fäusten und hervorspringenden Muskeln zwischen ihnen saß. Die Augen zu Schlitzen zusammengekniffen, die Haut jetzt schweißnass.

      „Gib!“, sagte Schlangenauge. Die Lippen bewegten sich nur wenig. Sie waren so sehr gespannt, dass sie kaum noch zu sehen waren. „Gehorche, mach, was ich sage! Ich befehle!“ Sein Blick war starr geworden. Er verließ sich jetzt allein auf seine Augen, die ihm seinen Namen gaben. Aber er war bei aller Stärke nur ein Mensch bar jeglicher Zauberkraft mit einer besonderen Gabe, die sein Ring aufnahm. Und es war schon lange zu spät. Tama stand nicht mehr nur vor ihm. Sie war bereits in seinem Kopf. Jetzt verdrehte sie seine Sätze, wiederholte, was er gerade noch gedacht hatte, aber gab seinen Gedanken eine andere Richtung.

      „Mach, ich gehorche“, flüsterte Schlangenauge. „Befehle, ich gehorche. „Sage was, befehle.“

      Ein Raunen ging durch die Reihen seiner Männer, als Tama antwortete: „Befiehl mir zu gehen.“

      „Geh“, sagte Schlangenauge.

      „Befiehl, dass niemand mir folgt.“

      „Geh allein.“ Schlangenauge wusste, dass er das Duell verloren hatte. Noch nicht einmal über seine Stimme konnte er mehr gebieten, aber seinen Verstand hatte er noch nicht verloren. Darin gab es Nischen und Taschen, in denen er Wissen gespeichert hatte. Das reichte gleich für ein Dutzend Zauberer und war viel zu viel, als dass ein anderer allein darüber bestimmen konnte.

      Tama wusste, dass sie gewonnen hatte. Sie nahm etwas Druck zurück, wurde liebenswürdig und fröhlich, blieb aber wachsam. „Wie komme ich zurück? Das könnt Ihr mir bestimmt noch verraten“, sagte sie.

      „Geradeaus, links, rechts, links, links.“ Schlangenauge wurde schwindelig, er benötigte seine letzte Kraft, um das, was Tama ihm an Gedankenfreiheit gegeben hatte, zu nutzen. Noch einmal. Jedes Wort zählte. Die Kraft reichte für ein letztes Flüstern: „Geh geradeaus, dann links, rechts. Links und links. Immer weiter. Geh.“ Sein Kampfgefährte, der neben ihm saß, bewahrte ihn davor umzukippen.

      Tama ließ Schlangenauge in Ruhe, hob den Kopf, drehte ihn, als würde sie jeden Mann einzeln anschauen und stieß dann einen Schrei aus. Es war ein Schrei der Wut, ein Brüllen der Löwin, begann tief in ihrer Brust und wurde immer lauter, bis sich die Männer die Ohren zuhielten. Es war ein Schrei ihrer Stimme, nicht ihrer Gedanken, aber ein wenig hinterlegte sie ihn doch mit Magie. „Ich danke Euch, dass Ihr mir Euren Stützpunkt gezeigt habt. Ich werde ihn von nun an immer wiederfinden. Selbst dann, wenn ihr euch einen neuen Unterschlupf auswählt. Und ich war gnädig mit Euch. Bewahrt diese Erinnerung gut auf und es geschieht Euch nichts.“ Sie drehte sich um und verließ das Lager, querte einen freien Platz und wandte sich nach links. Die stärksten der Männer schauten ihr nach. Die jüngeren lagen immer noch auf der Erde und hielten sich die Ohren.

      Lufthauch und Dorman

      Elfen konnten schnell sein, wenn sie es sein mussten, und Lufthauch hatte es gleich aus mehreren Gründen eilig. Er hatte verstanden, dass Tamalone gar nicht anwesend gewesen war und auch dieser Dorman nicht wusste, wo sie sich herumtrieb. Und dass sie wahrscheinlich in Gefahr schwebte. Wenn seiner Schutzbefohlenen etwas passieren sollte, - nicht auszudenken.

      Zudem ärgerte ihn sein blamabler Auftritt vor Dorman. Bei allen Waldgeistern, er war ein Waldelf! Wie konnte er sich nur so überraschen lassen? Nach diesem Reinfall wollte er wenigstens beweisen, dass er wusste, wovon er sprach, und sich schnell bewegen konnte, wenn es darauf ankam. Doch egal, wie schnell er seine Beine auch schwang, Dorman klebte an ihm wie Hundekot am Absatz eines Stiefels.

      Lufthauch führte ihn zu Uglas. Unterwegs wollte Dorman wissen, in welcher Beziehung Tamalone zu Lufthauch stand. Lufthauch druckste ein wenig herum und sagte dann: „Ich bin für ihre Sicherheit verantwortlich und dafür, dass sie das Elfenviertel so schnell und unauffällig wie möglich erreicht.“

      Für den ersten Teil der Antwort hatte Dorman nur ein geringschätziges Schnauben übrig, aber wie das mit dem Elfenviertel funktionieren sollte, interessierte ihn schon.

      „Im Grunde genommen ist es eine einfache Sache“, erklärte Lufthauch ihm. „Ein Waldelf im Dienst der Wehrhüter wird mit einer Routineangelegenheit ins Elfenviertel geschickt. Eines seiner Gepäckstücke enthält einen menschlichen Körper.“

      „So, Gepäckstück, hm, ja.“ Dorman schien diese Lösung nicht zu gefallen.

      „Wer ist das?“, fragte Uglas geradeheraus und schob sein Kinn in Richtung Dorman, ohne die Hände aus den Taschen zu nehmen. Lufthauch zögerte einen Moment, kurz nur, aber viel zu lange, als dass Uglas es nicht bemerkt hätte. Dann sagte er: „Ein Freund.“

      „Merkwürdige Freunde hast du. Na ja, egal, der Schaden ist bereits passiert. Wenn ihr beide mein Zimmer verlassen habt, werde ich mit euch gehen, und vor der Tür trennen sich dann unsere Wege. Ich melde mich, wenn ich eine neue Bleibe gefunden habe. Hier bin ich nicht mehr sicher. Du magst vielleicht ein guter Waldläufer sein, Lufthauch, aber in meiner Stadt verhältst du dich so unauffällig wie ein achteckiges Rad an einem Händlerkarren. Wenn ich dir das mal so sagen darf, von Freund zu Freund.“

      Lufthauch entschuldigte sich mit den Umständen und fragte dann: „Schlangenauge. Wo ist er im Augenblick und wo würde er seine Gefangenen verstecken?“

      Uglas zählte ein paar Lokalitäten auf, korrigierte sich und fing von vorn an.

      „Wo er alle seine Leute um sich scharen würde“, ergänzte Dorman Lufthauchs Frage. Da blieben nur noch zwei Möglichkeiten übrig und beide Orte lagen in demselben Teil des Viertels. Dorman stürmte aus dem Zimmer. Dieses Mal war es Lufthauch, der hinterherlaufen musste.

      Mit Uglas‘ Wegbeschreibung war es nicht schwierig, die alte Lagerhalle zu finden. Für die letzten Schritte brauchten sie sich nur noch an der Lautstärke zu orientieren, denn alle dort drinnen schrien herum, und es war nur noch eine Frage der Zeit, bis sich der Streit zu einer blutigen Schlägerei auswachsen würde. Lufthauch machte einen mutigen Schritt vorwärts, aber Dorman hielt ihn fest und zog ihn wieder zurück. „Wir stehen hier gut“, sagte er. „Vor uns ein Dunkel, an das sich unsere Augen bereits gewöhnt haben und hinter uns Helligkeit. Sie werden keine Einzelheiten von uns erkennen können. Das ist ein Vorteil, wenn wir ein zweites Mal hierhin