Science-Fiction-Romane: 33 Titel in einem Buch. Walther Kabel

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Название Science-Fiction-Romane: 33 Titel in einem Buch
Автор произведения Walther Kabel
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9788075835246



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Dann sagte sie, und wieder hatte ihre angenehme Stimme eine schalkhafte Tönung:

      »Ich bin Edith Gordon, Korrespondentin der Londoner Times … Zurzeit im Auftrage meines Blattes auf einer Andentour begriffen.«

      Ich verbeugte mich.

      »Und mich nennt man El Gento, Miß Gordon. Das muß Ihnen schon genügen. Immerhin könnte ich ergänzend hinzufügen: Abenteurer, Weltentramp, Naturvagabund, Kulturflüchtling, ansässig weiter im Süden an einer Bucht bei braunen Heiden, die nur dem Namen nach mal Christen wurden, – zurzeit hinter dem da her!« Und ich zeigte auf Braanken. »Wo und wie trafen Sie mit ihm zusammen, Miß Gordon? Hat er auch Ihnen das Märchen aufgetischt, daß er blind sei?« Mein Ton wurde energischer. Ich wollte die Sachlage schleunigst klären.

      Die Miß deutete auf den moosbelegten Boden. »Setzen wir uns, El Gento. Die Höflichkeit »Miß« und »Sie« wollen wir uns schenken. Setzen Sie sich … Ich werde sofort den Spiritus erneuern, dann wird’s noch wärmer.«

      Erst jetzt gewahrte ich auf einem flachen Stein einen Spirituskocher, dessen bläuliche Flamme den Aluminiumkessel nicht mehr ganz erreichte. Edith Gordon tat ein neues Stück Hartspiritus in den Brenner, und sofort leckten die Flämmchen höher, das Wasser im Kessel begann zu dampfen und der liebliche Geruch von Kaffee belehrte mich, daß es nicht lediglich Gletscherbachwasser war – von draußen, wo das eisige Flüßchen geheimnisvoll plätscherte. Ich setzte mich. Das Moos war feucht. Aber wenn man Lederhosen mit Reiteinsatz anhat, macht das nichts. Miß Edith reichte mir einen Becher Mokka und hielt mir ein silbernes Zigarettenetui hin. Ich bediente mich. Englische Zigaretten, süßlich, etwas Opium … immerhin Zigaretten!

      Und die Zeltherrin nahm mir gegenüber Platz. Zwischen uns der Kocher, summend, brodelnd … Braanken schnarchte. Ich rauchte, und ich wartete auf Edith Gordons Gegenäußerung über den Schnarcher.

      »Haben Sie Hunger?« fragte sie halblaut.

      »Nein …«

      »Ich traf Braanken zufällig. Er ist blind.«

      Ich lachte. »Das habe ich auch anfänglich geglaubt … Wo trafen Sie ihn?«

      »Hier in der Schlucht spät abends mit drei Pferden. Er war völlig erschöpft. Ich hatte hier bereits mein Lager aufgeschlagen und gewährte ihm Unterkunft. Meine beiden und seine Pferde stehen weiter nördlich in einer kleinen Höhle.«

      Sie sprach sehr langsam, und ich gewann rasch den Eindruck, daß sie jedes ihrer Worte genau überlegte. Gerade dies machte mich mißtrauisch.

      »Das eine Pferd Braankens trug zwei Kisten,« meinte ich so nebenbei. Ich wollte dieser pikanten Dame rasch beweisen, daß sie kein ehrliches Spiel spielte …

      »Kisten? Nein … Was für Kisten?«

      Hm – die Miß schauspielerte leidlich.

      »Meine Araukaner behaupteten etwas von Kisten … Gleichgültig im übrigen. – Haben Sie mit Braanken über mich gesprochen?«

      »Ja, ganz kurz … Er war zu ermüdet. Seine Angaben über seine Flucht vor dem Chilenen waren sehr wirr, und aus seiner Schilderung seines Zusammentreffens mit Ihnen und dem Araukaner Coy Cala wurde ich erst recht nicht klug …«

      »So … so …« Ich trank einen Schluck Kaffee und warf dann einen zweiten Fallstrick aus. »Braanken kam wohl die Schlucht von Südost emporgeritten?«

      »Ach – Katz’ und Maus – – Versteck!« lächelte sie mich an, und in ihren Vorderzähnen blinkten zwei Goldplomben. »Ach – Sie denken, ich schwindele, El Gento … Wirklich nicht! Ich werde nur das nicht sagen, was lediglich mich angeht. Sie wissen doch recht gut, daß Braanken erst hier in der Nähe die Schlucht erreichte. Was Sie nicht wissen, ist die sehr einfache Tatsache, daß hundert Meter nach Süden zu ein gut verborgener natürlicher Zickzackweg in diese düstere Tiefe hinabläuft. Dieser Pfad muß Braanken bekannt gewesen sein. Ich hörte das Poltern von den Steinen, und so wurde ich auf ihn aufmerksam.«

      »Schön …« Ich blinzelte die Gordon an. »Und diesen Pfad hat sich ein Blinder mit drei Pferden hinabgewagt?«

      »Ihre Ironie ist überflüssig. Ich habe Braankens Augen hier im Zelt ausgewaschen. Der Ärmste ist blind.« Jetzt heuchelte sie nicht.

      »Ich bitte Sie,« meinte ich eindringlich, »lassen Sie sich doch nicht täuschen …! Ausgeschlossen, daß ein Blinder durch die Pampas und die Berge bis hierher gelangen konnte! Er hätte sich xmal den Hals gebrochen … Überhaupt: die Annahme ist unsinnig, wenn ich auch selbst …«

      »… Die Hornhaut beider Augen ist vollständig milchig, El Gento!«

      »Stimmt – durch irgendeinen Trick …!«

      Und wie ich dies leicht gereizt sagte, kam mir ein Gedanke …

      »Wecken wir Braanken, Edith Gordon. Prüfen wir also ganz unerwartet seine Augen. Vorher aber noch eine Frage: Wenn Sie auf einer Andentour begriffen sind, – wie kamen Sie dann so weit ostwärts in die Pampas hinein, wo ich Sie dreimal bemerkte, wo Sie mich zweimal warnen wollten, wofür ich Ihnen jetzt meinen Dank ausspreche.«

      Die schneidige junge Dame erklärte nach kurzem Besinnen: »Ich gebe zu, daß ich hinter Braanken her war, weil ich in Erfahrung gebracht hatte, daß er in Dinge eingeweiht war, die mir selbst noch verborgen sind.«

      »Hm – etwas unklar, Edith Gordon. Dinge – – was für Dinge?!«

      »Bedauere … Darüber verweigere ich die Auskunft … – Wecken wir also Braanken. Ich bin selbst gespannt darauf, wie …«

      »Nicht nötig!«

      Wir schauten zur Seite. Braanken saß aufrecht. »Nicht nötig! Ich bin wach. El Gento, das Geschick hat uns wieder zusammengeführt. Bitte – – meine Augen!!«

      Seine Lider waren nur noch wenig geschwollen und weit aufgerissen. Edith drehte die Laterne, und der Lichtkegel traf das mit abheilenden Geschwüren bedeckte Gesicht eines Menschen, der mir immer mehr zu raten aufgeben sollte, trafen auch die Augäpfel, die Pupille … Und diese weit aufgerissenen Augen reagierten in keiner Weise auf das grelle Licht, waren wie mit einem Häutchen bedeckt.

      Ich gab den Kampf nicht auf. »Schwindel!« sagte ich hart. »Sie haben eben wieder Gelegenheit gehabt, Ihre Augen irgendwie zu präparieren, Braanken! Halten Sie mich für dumm?!«

      »Nein … Sie vergessen nur die Intelligenz der Pferde, El Gento …«

      Ich wurde wütend. »Schweigen Sie!! – Und woher kannten Sie den Zick-Zack-Pfad?! Wie konnten Sie als angeblich Blinder Ihre Fährten oben auf dem Plateau so glänzend verwischen, daß …«

      Er hatte die Hand gehoben … In dieser Bewegung lag eine nachdrückliche Warnung.

      »Licht aus!« flüsterte er.

      Edith Gordon hatte schon einen Deckenzipfel über die Lichtquelle gebreitet.

      Wir lauschten im Dunkeln …

      Im Warmen … Es war behaglich im Zelte.

      Man hätte hier so angenehm plaudern können. Und nun diese beiden Menschen, die mir jeder allerlei verheimlichten, die vielleicht ein abgekartetes Spiel trieben!

      Ich hörte nur das Rauschen und Plätschern des nahen Baches, der sich durch diesen endlosen Abgrund zu Tal schlängelte. Meine Rechte hatte die Büchse emporgehoben, meine Linke das Messer gelockert und hinausgezogen. Ich hielt es so vor mich, daß Braanken mich nicht anspringen konnte, ohne in die Klinge zu rennen. Ich war auf alles vorbereitet. Nur nicht auf das, was dann wirklich geschah. Ich saß dem Zeltvorhang am nächsten. Links von mir Edith. Gegenüber Braanken. Der flüsterte jetzt: »Es schleicht jemand draußen umher … Vorsicht!«

      Und da legte sich plötzlich von der Seite eine Hand leicht auf meine Schulter … Eine Hand, deren Geruch überaus kennzeichnend war. Nur Coys Finger dufteten so intensiv nach Tabak, nach Nikotin …

      Diese Hand zupfte jetzt an meinem Jagdwams …

      Zupfte