Название | Science-Fiction-Romane: 33 Titel in einem Buch |
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Автор произведения | Walther Kabel |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9788075835246 |
Coy lachte nur. »So – Kisten gleichgültig?! So – – so!! Wollen wissen, was in Kisten sein?! Köpfe, Sennor, Menschenköpfe, Sennor …! Junge Sennor, junge Sennorita!«
Ich war mit zwei Schritten heran.
»Schweig’, Coy!«
Aber es war schon zu spät.
Mastilos frisches gesundes Gesicht hatte sich unheimlich verfärbt. Sein massiger Körper, dem es doch nicht am Ebenmaß fehlte, krümmte sich zusammen wie unter den wahnwitzigsten Schmerzen. Nur der Ausdruck der klaren Augen übertraf vielleicht noch in seiner erbarmungswürdigen ungewissen Angst das Erschütternde dieser so jählings zu einer Statue wildesten Entsetzens erstarrten Gestalt.
Mastilos Lippen zuckten. Der Mund öffnete sich, schloß sich. Die Kehle wollte Worte hervorstoßen, aber die Organe der Sprachbildung versagten. Seine Wangen nahmen bleigraue Farbe an, und unter diesen von der Furcht eines gefolterten Vaterherzens erfüllten Augen bildeten sich dunkle Schatten, – die Augen sanken ein, verloren die Klarheit und wurden trübe und wirr.
In demselben Moment, als ich nun diesen Menschen, dem ich keinerlei Sympathie entgegenzubringen vermochte, mit dem ich dennoch Mitleid fühlte, obwohl er mich nachts wie ein klägliches Bündel mit seinen Riesenkräften in den Abgrund geschleudert hatte, – als ich diesem Manne schonend die volle Wahrheit beizubringen gedachte, die ihm ja doch nicht mehr lange verborgen bleiben konnte, kletterten die sechs Thonecas flink wie die Affen von der Granitsäule herab und traten zu uns. Ein paar Worte von mir und eine befehlende Handbewegung genügten. Sie gingen, blieben aber auf der nächsttieferen Terrasse stehen und beobachteten.
Das Bild, das der halb sinnlose Chilene darbot, vor dessen Brust die Condorjungen mit scheußlichem Krächzen die Flügel und Schnäbel bewegten und die Füße aus den Lederschlingen zu befreien suchten, – dieses Bild eines niedergebrochenen Menschen steht noch heute mit unheimlicher Deutlichkeit vor meiner Seele, obwohl seit jenem Morgen doch bereits viele Tage und Wochen verstrichen sind, die mir Eindrücke gebracht hatten, vielleicht noch mächtiger, nervenaufpeitschender als dieser Vater, dem die Angst vor der letzten Wahrheit den Schweiß auf die Stirn trieb.
Am gräßlichsten war das unaufhörliche Krächzen und Kreischen der jungen Raubvögel. Ich zog das Messer … schnitt die Tiere los, schleuderte sie den sechs Thonecas zu …
Im gleichen Augenblick über uns Flügelrauschen, – Coys warnender Ruf …
Das Condorpärchen …
Wie ein graubrauner Federklumpen schoß der eine Riesenvogel auf die Thonecas herab, die die davonhüpfenden Jungen einzufangen suchten. Im Nu hatten die sechs sich flach zu Boden geworfen, der Condor packte das eine Junge, trug es empor … Der andere Riesenvogel stieß gleichfalls herab. Einer der Tschultschen feuerte, fehlte …
All das geschah in Sekunden …
In Sekunden hatten die Eltern mit ihren Jungen bereits das Weite gesucht, und meine durch diese gewiß nicht alltäglichen Vorgänge gebannten Augen kehrten zu Mastilo zurück, der jetzt den Araukaner neben mir flehend anblickte.
Jetzt hatte der Großfarmer auch die Herrschaft über Muskeln und Nerven wiedergewonnen. Er war kein verweichlichter Städter aus den leichtlebigen chilenischen Hafenorten, in denen die Lebensgier vielleicht noch intensiver pulst als in dem Ziel der Vergnügungssucht aller Südamerikaner: Paris! Nein, dieser Mastilo war alles andere als ein aufgeschwemmter kurznackiger Börsianer, war in seiner Art ein ganzer Kerl. Wie mußte er seine Kinder lieben, um derart aus Furcht vor voller Klarheit über ihr bisher ungewisses Schicksal zusammenzubrechen, er, der Goliath, er, der selbstbewußte König der südpatagonischen Steppe, von der ihm fast ein Viertel gehörte – so ungeheure Ausdehnung hatte seine Farm am Gallegos!
Ich sah, daß mein braver, vorschneller Coy den Kopf verlegen zur Seite gewandt hatte.
»Sennor Mastilo,« begann ich rasch um seine Qual der Ungewißheit abzukürzen, »Sie werden kaum noch in der Hoffnung gelebt haben, daß Ihre Kinder vielleicht nur von den Thonecas, die doch offenbar allen Anlaß haben, mit Ihnen irgendwie abzurechnen, entführt worden sein könnten.«
Sein Blick begegnete dem meinen, und er las die Wahrheit und das Mitleid aus meinen Augen ab, holte tief Atem, meinte leise und ergeben: »Also wirklich tot – – tot!«
Dann in heiserem Tone – drängend, fordernd: »Schonen Sie mich nicht! Was enthalten die Kisten?!«
»Sennor Mastilo, mir fällt es schwer, Ihnen …«
»Reden Sie! Ich bin kein Weib!«
Und da sagte ich ihm, was ich nach dem Sandsturm in der Höhle des Flußbettes in den Kisten gefunden.
Totenblässe überzog wieder sein Gesicht. Doch seine robuste Natur überwand auch diese entsetzliche Botschaft.
»Also Braanken …!« meinte er tonlos. »Braankens Werk!!«
Er beugte sich vor …
»Wer Sie auch sein mögen, El Gento: Verbrecher, Abenteurer – was weiß ich! Eins merke ich Ihnen an: Sie haben Herz, Mitgefühl! Sie erklärten soeben, daß dieser Braanken Ihnen ein Rätsel, daß Sie, was seine Person betrifft, noch völlig im Dunkeln tappen. Sie haben mich schonen wollen, Sie haben an mir als anständiger Mensch gehandelt. Ich kann Ihnen mit wenigen Sätzen dieses Rätsel lösen. Die Lösung ist ein Griff ins Leben, ist nüchtern, ohne jede Romantik. Braanken ist ein Geisteskranker, der vor einem Jahr aus der Irrenanstalt in Valdivia entfloh, einen Farmer ermordete, sein Pferd, seine Waffen nahm und seitdem hier im südlichsten Patagonien mir … auflauert …«
12. Kapitel
Der König von Araukanien
Mein zweifelnder Blick beschleunigte des Chilenen seltsame Aufklärungen. »Peter van Braanken kam 1920 nach Valdivia, zerlumpt, verkommen. Ein Zufall führte mich mit ihm zusammen. Da meine Mutter Holländerin gewesen, nahm ich mich Braankens an. Er wurde Buchhalter bei mir, obwohl er nicht ganz zurechnungsfähig war. Aber sein Irrsinn war harmlos. In Deutsch-Südwest hatten die Schwarzen ihm sein Weib ermordet und seine kleine Farm eingeäschert. Er bildete sich ein, daß sein Weib noch lebe. Er suchte beständig nach ihr, trieb sich in seinen freien Stunden am Hafen umher und belästigte Frauen, denen er nachlief und die er als »seine Anna« ansprach. Mein Einfluß bewahrte ihn ein Jahr lang vor der Irrenanstalt. Dann trieb er es immer toller, litt unter Wutanfällen, – ich mußte ihn der öffentlichen Irrenpflege übergeben, und daher sein Haß gegen mich. Als mein Buchhalter hatte er mich zweimal nach der Gallegos-Farm begleitet. Und so konnte er unschwer nach seiner Flucht hier in der Wildnis sein gefährliches Treiben aufnehmen. Er ist nicht blind. Er hat einst in Amsterdam Medizin studiert. Er besitzt die ganze Schlauheit und Gerissenheit eines Geistesgestörten, seine Blindheit ist Schwindel. Er muß irgendein Mittel kennen, seine Augen zu Verfärben. – Nun wissen Sie alles, El Gento. Meine armen Kinder und die Diener, von denen sie begleitet waren, sind der Tücke eines Irren, dem ich nur Gutes erwiesen, zum Opfer gefallen. An Sie aber richte ich die Bitte, die Thonecas zu veranlassen, die Kisten mir auszuhändigen.« Seine Stimme schwankte merklich. »Sie werden dafür eintreten, daß dies geschieht – – ich bitte Sie herzlich. Und – – noch eins. Beurteilen Sie mein Vorgehen gegen die Eingeborenen nicht zu hart. Es bestehen hier eben andere Verhältnisse als in zivilisierten Gegenden. Die Tehuelchen haben mir, als ich vor zehn Jahren das Gebiet am Gallegos erwarb und den Farmbetrieb sofort in größtem Maßstabe eröffnete, von vornherein als Feinde gegenübergestanden. Sie stahlen, wo und was sie konnten. Sie feuerten aus dem Hinterhalt auf meine Leute. Sie suchten mich abzufangen, sie wurden von Kavallerie verjagt, kehrten zurück. Es war ein immerwährender Kleinkrieg, bis der Kommandant in Skyring vor zwei Jahren ein Exempel statuierte und zehn Thonecas erschießen ließ. Da wurden sie scheinbar zahm. Aber ihre kleinen Niederträchtigkeiten bekam ich weiter zu schmecken. Und dann verschwanden meine Kinder. Man konnte den Thonecas nichts nachweisen. Der alte Tuluma wurde