Science-Fiction-Romane: 33 Titel in einem Buch. Walther Kabel

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Название Science-Fiction-Romane: 33 Titel in einem Buch
Автор произведения Walther Kabel
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9788075835246



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wollte gerade das Glas in den Lederbeutel zurückschieben, als von Westen her klingender Hufschlag ertönte. Das war ein beschlagenes Pferd, und der Reiter trabte. Noch sah ich ihn nicht. Mir fiel Jane Cordys Drohung ein: Aegyptische Artillerie!

      Einen Moment ward mir unbehaglich zumute. Dann bog der Reiter um die Felsgruppe: Ein Mann in gelbem Reitanzug — wie aus dem Modenblatt geschnitten, im Munde eine Zigarette, in der Linken einen Reitstock mit gekrümmter Silberkrücke. Das Sattelzeug war funkelnagelneu, das Pferd war ein Apfelschimmel von tadellosem Gliederbau, mit einem fast zu kleinen Köpfchen, ohne Zweifel arabisches Vollblut.

      Ich hatte das Glas schon wieder an den Augen.

      Wenn dieser Sonntagsreiter vor dem Mena House-Hotel erschienen wäre, — dort gehörte er hin, dort war die Zentrale aller reichen Globetrotter für Aegypten. Hier?! Es war ein bartloses, braunes Gesicht mit kurzer Oberlippe … Tübbicke konnte mit dem da nicht konkurrieren. Ich auch nicht. Die letzten Jahre hatten in meine Haut die Runen des Erlebens eingekerbt.

      Der Gentleman warf seinen Zigarettenstummel weg, brachte sein Pferd zum Stehen und blickte sich um.

      Es war zweifellos ein Engländer.

      Er stieg zu meinem Erstaunen gemächlich aus dem Sattel. Vor der Brust baumelte ihm etwas Blankes, das er nun wie ein Jongleur in die rechte Augenhöhle warf. Er musterte die Terrassen vor unserer Höhle, nahm sein Prachttier am Zügel und kam näher. Vor der untersten Terrasse, wo noch vor zehn Minuten Lady Jane gestanden hatte, machte er halt und blickte zu mir empor. Sehen konnte er mich nicht. Ich hatte den Hut abgenommen. Er faßte an die Krempe seines Tropenhelms …

      »Ralph Cudderson,sagte er. »Ich habe doch das Vergnügen mit Mr. Lensen …?«

      Dabei klemmte er den Reitstock unter den Arm und lüftete seinen Korkhelm. Sein hellblonder Scheitel war schon reichlich dünn.

      Was sollte ich tun?!

      » … Sie können sich getrost melden, Mr. Lensen,« fügte Cudderson hinzu. »Ich traf vorhin eine Dame und zwölf etwas fragwürdig duftende Kerle, an denen das Beste ihre Dromedare waren. Das heißt, einer ritt ein Maultier, und …«

      » … Was tun Sie hier?«

      Er pfiff durch die Zähne. »Das ist schwer zu beantworten … Eigentlich gar nichts. Eigentlich … Ich hatte da in Kairo eine Dame gesehen, die mich fabelhaft interessierte: Wera Zubanoff. Zwei Tage reite ich nun hier in dieser scheußlichen Gegend umher und suche sie.«

      »Und — was sind Sie von Beruf, Mr. Cudderson?«

      »Nichts.« Er setzte seinen weißen Topf wieder auf. »Nichts, das ist doch selbstverständlich … Leute, die arbeiten, werden doch nicht so verrückt sein und blindlings hinter einer Fürstin Zubanoff hertraben. Ich bin der Sohn von Cudderson und Walker, Immobilien-Bank, London, und gänzlich schuldlos daran, daß mein Vater unanständig reich ist. Ich wohne seit sechs Wochen im Mena House, wir hatten da famose Bridgespieler und glänzende Golfleute. Die Pyramiden, die Sphinx und die alten Grabkammern haben mich noch keinen Tropfen Schweiß gekostet. Aber diese aschblonde Russin … — wie gesagt, ich suche sie. Sie soll mit einem Führer nach dem Kloster St. Antonius unterwegs sein, hörte ich, und da bin ich eben vorgestern früh losgeritten und habe mich verirrt. Die Dame vorhin, die mit den zwölf Niggern …«

      »Nubiern …« verbesserte ich.

      »Meinetwegen auch Nubiern —, sie beschrieb mir den Weg in diese Schlucht und riet mir, mich Ihnen anzuschließen. Ich bin ein durchaus verträglicher Mensch, Mr. Lensen. Ich habe nicht einmal einen Spleen. Nur, ich möchte Wera Zubanoff heiraten, unbedingt. Ihr Gatte hat sich von ihr getrennt und soll sich in eins der Koptenklöster auf der Nilinsel Kalabsche — oder so ähnlich — zurückgezogen haben. Er wird wohl hinsichtlich der Scheidung keinerlei Schwierigkeiten machen.«

      Der Mann war harmlos.

      Ich erhob mich, stieg über den Wall und stand vor ihm.

      Sein Pferd trug zwei Satteltaschen, zusammengerollte Wolldecken, zerlegbare Zeltstangen und einen Wasserschlauch.

      »Mr. Cudderson,« sagte ich schmunzelnd, »Sie haben ganz entschieden keinen Spleen. Wissen Sie, wer die Dame war, die sie hierher schickte?«

      »Nein, — mir auch gleichgültig, Mr. Lensen. — Wo ist die Fürstin?«

      Er hielt mir sein Zigarettenetui hin. »Bitte — echtes Elephantenleder!!«

      »Die Zigaretten?!«

      »Nein, die sind von Cheffger, London. Ich habe fünftausend Stück an Bord.«

      »An Bord?!«

      »Ja doch! Denken Sie, ich bin zu Fuß nach Aegypten gekommen? Die Minnawatta ankert auf dem Nil, tausenddreihundert Tonnen, allermodernste Motoren, siebzehn Knoten, — ganz netter Kahn. Wo ist die Fürstin?«

      Hätte er mich dies noch vor vier Tagen gefragt, würde ich ihn als Nebenbuhler betrachtet und dementsprechend behandelt haben.

      »Ich weiß es leider nicht, Mr. Cudderson. Wir haben ihre Fährte verloren.«

      »Fährte?!« Er schüttelte den Kopf. »Sie reden wie ein Trapper, Mr. Lensen, und weshalb in aller Welt schleppen Sie sich hier mit dem Ding umher?!« Er tippte mit dem Zeigefinger auf meinen Büchsenlauf. Er trug hellgelbe Waschlederhandschuhe mit Reitstulpen. »Hier braucht man doch keine Waffen! Mein Reitstock ist schon beinahe zu viel des Guten. Wenn man ein Scheckbuch, ein paar lose hundert Pfund in der Tasche hat, lebt man hier bequemer und sicherer als in London. Meinen Sie nicht?«

      »Nein.«

      Er blickte mich verdutzt an. »Haben Sie denn schlechte Erfahrungen gemacht?!«

      »Ja.«

      »Inwiefern? Ich bin gespannt …«

      »Wir haben gestern Wera Zubanoffs Führer begraben, und der starb an der Blechkrankheit, Mr. Cudderson.«

      Er verstand. »Nicht möglich!! Erschossen?! Und die Fürstin?«

      »Entführt!«

      Ihm fiel vor Schreck das Einglas aus dem Auge. »Hier …in Aegypten?! Keine zehn Reitstunden von Kairo entfernt?! Das ist geradezu unerhört!« Er war ganz fassungslos. »Ich kann daran kaum glauben! Dort drüben am Nil rollen die Expreßzüge, rollen Straßenbahnen, Autos und … — scherzen Sie auch nicht ?!«

      »In solchen Dingen — nein!!«

      Er schaute mich lange an. »Sie haben ein Gesicht wie ein … ein … na, sagen wir: wie ein Gentleman, der gern Löwen jagt. Sie gefallen mir. Die Dame vorhin meinte, ich sollte mich Ihnen anschließen, Sie hätten zwar die Manieren eines Hottentotten, aber den Mut und die Schlauheit eines Tigers … Ich kenne Tiger nur aus dem Londoner Zoo. Und schießen — hm, ja beim Taubenschießen in Monte Carlo erhielt ich einen Trostpreis, und … — Sie wollen also Wera Zubanoff befreien … Ich mache mit, klar! Ich bitte also in aller Form, Sie begleiten zu dürfen, Mr. Lensen, obwohl ich Ihnen zweifellos sehr zur Last fallen werde. Ohne meinen Diener bin ich geradezu hilflos. Mac besorgt alles für mich, am liebsten hätte ich auch Mac hier zu Ihnen geschickt, aber …«

      » … Haben Sie ihn denn mit?!«

      Er blickte mich fast entsetzt an. »Aber natürlich! Er lagert drüben im zweiten Tale. Ohne Mac Olby bin ich einfach undenkbar. Wir haben doch noch zwei Packpferde mit. Die Gummibadewanne nahm sehr viel Platz in Anspruch.«

      Jetzt war ich sprachlos. »Wo kriegen Sie denn das Wasser zum Morgenbade her?!«

      »Oh, Mac filtriert es, ich benutze stets dasselbe, es handelte sich bisher auch nur um …«

      Er mochte ja ein guter Kerl sein, dieser Cudderson … Als Begleiter war er unmöglich. Ich erklärte ihm das auch ganz unverblümt.

      » … Unser Ritt kann wochenlang dauern …Es geht wirklich nicht. Mr. Cudderson.«

      »Schade …« Er überlegte angestrengt. »Die Badewanne können wir wegwerfen,