Название | Leopold von Ranke: Historiografische Werke |
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Автор произведения | Leopold von Ranke |
Жанр | Документальная литература |
Серия | |
Издательство | Документальная литература |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9788027206056 |
Es scheint doch, als habe dies auf den Kaiser Eindruck gemacht, als sei man am Hofe einmal entschlossen gewesen, dem Begehren der Protestanten unumwunden zu willfahren. Wenigstens ist das der Inhalt eines sehr merkwürdigen Berichtes, welchen der päpstliche Geschäftsträger über diesen Reichstag abgestattet hat. Der Kaiser war nicht selbst dahin gegangen; Erzherzog Ferdinand versah seine Stelle. So war auch nicht der Nuntius selbst in Regensburg; er hatte aber einen Augustiner, Fra Felice Milensio, Generalvikar seines Ordens, in seinem Namen dahingeschickt, der denn auch mit ungemeinem Eifer die Interessen des Katholizismus aufrechtzuerhalten suchte. Dieser Fra Milensio nun, von dem unser Bericht209 stammt, versichert, der Kaiser habe sich wirklich zu einem Erlaß entschlossen den Wünschen der Protestanten gemäß. Er leitet ihn von den unmittelbaren Einwirkungen des Satans her; ohne Zweifel sei er von den Geheimkämmerern des Kaisers, von denen der eine ein Jude, der andre ein Ketzer sei, ausgegangen. Hören wir von ihm selbst, was er nun weiter berichtet: »Auf die Nachricht von dem eingelaufenen Erlaß, die mir und einigen andern mitgeteilt worden, begab ich mich zu dem Erzherzog und fragte, ob ein solches Dekret gekommen sei. Der Erzherzog bejahte dies. Und denkt nun auch Ew. erzherzogliche Durchlaucht es bekanntzumachen? Der Erzherzog antwortete: So befiehlt der kaiserliche Geheime Rat; der ehrwürdige Vater sieht selbst, in welcher Lage wir sind. Hierauf entgegnete ich: Ew. erzherzogliche Durchlaucht wird ihre Frömmigkeit nicht verleugnen wollen, die Frömmigkeit, in der sie aufgezogen ist, mit der sie vor kurzem gewagt hat, so vielen drohenden Gefahren zum Trotz die Ketzer ohne Ausnahme aus ihren Landschaften zu verbannen. Ich kann nicht glauben, daß Ew. Durchlaucht den Verlust der Kirchengüter, die Bestätigung der teuflischen Sekte Luthers und der noch schlimmeren Calvins, die doch nie im Reiche öffentlich Duldung genossen, durch dies neue Zugeständnis genehmigen werde. Der fromme Fürst hörte mich an. Was ist aber zu machen? sprach er. Ich bitte Ew. Durchlaucht, diese Sache Sr. Heiligkeit dem Papste vorzulegen und keinen Schritt zu tun, ehe wir dessen Antwort haben. So tat der Erzherzog; er achtete mehr auf die Gebote Gottes als auf die Beschlüsse der Menschen.«
Ist alledem wirklich so, so sieht man wohl, welch eine wichtige Stelle dieser namenlose Augustinerbruder in unserer Reichsgeschichte einnimmt. Im entscheidenden Momente hintertrieb er die Bekanntmachung einer Konzession, welche die Protestanten wahrscheinlich befriedigt haben würde. An deren Stelle trat Ferdinand mit einer Interpositionsschrift hervor, die die Möglichkeit jener Klausel nach wie vor einschloß. In einer Versammlung am 5. April vereinigten sich die Protestanten, sich nicht zu fügen, sie nicht anzunehmen. Da jedoch auch der andre Teil nicht nachgab, von dem Kaiser oder seinem Stellvertreter nichts zu erlangen war, was ihre Furcht hatte beschwichtigen können, so griffen sie zu dem äußersten Mittel, sie verließen den Reichstag. Zum ersten Male kam es zu keinem Abschied, geschweige denn zu Bewilligungen. Es war der Augenblick, in welchem die Einheit des Reiches sich faktisch auflöste.
Und unmöglich konnten sie hierbei stehen bleiben. Die eingenommene Stellung zu behaupten wäre jeder allein zu schwach gewesen; eine Vereinigung, wie sie schon lange beabsichtigt, beraten und entworfen hatten, führten sie jetzt im Drange des Momentes aus. Unmittelbar nach dem Reichstage kamen zwei pfälzische Fürsten, Kurfürst Friedrich und der Pfalzgraf von Neuburg, zwei brandenburgische, die Markgrafen Joachim Ernst und Christian,210 der Herzog von Württemberg und der Markgraf von Baden zu Ahausen zusammen und schlossen ein Bündnis, das unter dem Namen der Union bekannt ist. Sie verpflichteten sich, einander auf jede andre Weise und auch mit den Waffen beizustehen, besonders in Hinsicht der auf dem letzten Reichstag vorgetragenen Beschwerden. Sie setzten sich sogleich in eine Kriegsverfassung; jedes Mitglied nahm es über sich, einen oder den andern seiner Nachbarn an den Bund zu ziehen. Ihr Sinn war, da die Lage der Dinge, wie sie im Reiche bestand, ihnen keine Sicherheit gewährte, sich diese selbst zu verschaffen, sich selbst zu helfen. Eine Neuerung von der umfassendsten Bedeutung, um so mehr da in den kaiserlichen Erblanden ein Ereignis eintrat, das ihr sehr wohl entsprach.
Aus mancherlei Gründen nämlich war der Kaiser mit seinem Bruder Matthias zerfallen; die in ihrer Freiheit und ihrer Religion bedrängten österreichischen Stände sahen in diesem Zwiespalt eine Gelegenheit, beides zu behaupten, und traten auf die Seite des Erzherzogs. Schon im Jahre 1606 schloß der Erzherzog im Einverständnisse mit ihnen einen Frieden mit den Ungarn, ohne den Kaiser darum gefragt zu haben. Sie entschuldigten sich damit, daß der Kaiser die Geschäfte vernachlässige, daß die Lage der Dinge sie gezwungen habe. Da nun aber Rudolf sich weigerte, diesen Frieden anzuerkennen, so erhoben sie sich, und zwar sogleich in Kraft ihres Vertrages, zur Empörung. Zuerst schlossen die ungarischen und die österreichischen Stände einen Bund zu Schutz und Trutz miteinander, dann zogen sie auch die Mährer, besonders durch den Einfluß eines Lichtenstein, an sich; so rückten sie in denselben Tagen, in welchen der Regensburger Reichstag sich auflöste, im Mai 1608, mit ihrem selbstgewählten Oberhaupt ins Feld wider den Kaiser. Rudolf mußte sich bequemen, seinem Bruder Ungarn, Österreich und Mähren abzutreten. Natürlich mußte aber Matthias den Ständen die Dienste, die sie ihm geleistet, mit Konzessionen erwidern. Seit 48 Jahren hatten die Kaiser vermieden, einen Palatinus in Ungarn zu ernennen; jetzt ward ein Protestant zu dieser Würde befördert. Die Freiheit der Religion ward nicht allein den Magnaten, sondern auch den Städten, allen Ständen, ja selbst den Soldaten an den Grenzen auf das feierlichste zugesichert. Nicht eher leisteten die Österreicher die Huldigung, als bis auch ihnen die Religionsübung in Schlössern und Dörfern sowie in den Privathäusern der Städte freigegeben worden.
Was den Österreichern und Ungarn der Angriff, verschaffte den Böhmen die Verteidigung. Gleich anfangs hatte sich Rudolf zu großen Zugeständnissen bequemen müssen, nur um seinem Bruder noch einigermaßen zu widerstehen. Nachdem Ungarn und Österreicher durch diesen zu so großen Freiheiten gelangt, konnte auch er, was auch immer der päpstliche Nuntius, der spanische Gesandte dazu sagen mochten, den Böhmen ihre Forderungen nicht verweigern. Er gewährte ihnen den Majestätsbrief, der nicht allein die alten Konzessionen wiederholte, die Maximilian II. gegeben, sondern ihnen auch eine eigene Behörde zu deren Verteidigung zu gründen gestattete.
Wie so ganz anders standen nun plötzlich die deutschen, die erbländischen Angelegenheiten. Die Union breitete sich in Deutschland aus und wachte über jeden Angriff des Katholizismus, den sie gewaltig zurücktrieb. Die Stände der österreichischen Provinzen hatten ihre alten Ansprüche zu einer wohlgegründeten verfassungsmäßigen Gewalt ausgebildet. Es war dabei ein nicht unbedeutender Unterschied: im Reiche hatte der Katholizismus die Territorien der katholischen Fürsten wieder erfüllt; erst als er weiterging, in die Reichssachen gewaltiger eingriff, die Existenz freier Stände gefährdete, da fand er Widerspruch; in den Erblanden dagegen stellte sich ihm noch innerhalb der Territorialbefugnisse die Macht protestantischer Landsassen unüberwindlich entgegen. Im ganzen war es aber der nämliche Sinn. In Österreich sagte man sehr bezeichnend: man müsse ein Schwert mit dem andern in der Scheide halten.
Denn auch die andre Partei setzte sich sogleich in kriegerische Verfassung. Am 11. Juli 1609 ward ein Bund zwischen Maximilian von Bayern und sieben geistlichen Herren, den Bischöfen von Würzburg, Konstanz, Augsburg, Passau, Regensburg, dem Propst von Ellwangen, dem Abt von Kempten, geschlossen zu gemeinschaftlicher Verteidigung, in dem nach dem Muster jenes alten Bundes zu Landsberg211 der Herzog von Bayern eine außerordentliche Gewalt bekam. Bald gesellten sich, doch mit einer gewissen Unabhängigkeit, die drei geistlichen Kurfürsten hinzu. Erzherzog Ferdinand wünschte aufgenommen zu werden, Spanien erklärte seinen Beifall, der Papst versprach nichts zu unterlassen, was er für den Bund leisten könne. Man darf nicht zweifeln, daß sich der Papst besonders durch spanischen Einfluß nach und nach immer stärker in die Interessen dieser Liga verwickeln ließ. Und so stellten sich zwei feindselige Parteien einander gegenüber, beide gerüstet, jede immer voll Furcht, überrascht, angegriffen zu werden, keine vermögend, die Sache zu einer großen Entscheidung zu bringen.
23. Deutschland vor dem dreißigjährigen Kriege