Название | Leopold von Ranke: Historiografische Werke |
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Автор произведения | Leopold von Ranke |
Жанр | Документальная литература |
Серия | |
Издательство | Документальная литература |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9788027206056 |
Zwischen einer Fürstin, wie diese war, und ihrem Parlament konnte es an mannigfaltigen Streitigkeiten nicht fehlen. Die Gemeinen nahmen das Privilegium unbedingter Redefreiheit in Anspruch und bestritten in wiederholtem Anlauf die Mißbräuche, die noch in der bischöflichen Kirche übriggeblieben seien, die lästigen Monopolien, welche einzelnen Begünstigten zugute kamen. Die Königin ließ Mitglieder des Unterhauses wegen mißliebiger Äußerungen verhaften; sie warnte dieselben, sich nicht in die Sachen der Kirche, selbst nicht in die des Staates zu mischen, und erklärte es für ihre Prärogative, nach ihrem Belieben das Parlament zu berufen und zu entlassen, dessen Beschlüsse zu genehmigen oder zu verwerfen. Dabei hat sie aber doch wieder nicht verhehlt, sie müsse auch in bezug auf die wichtigsten Staatsangelegenheiten auf die Stimmung der beiden Häuser Rücksicht nehmen; so sehr man sie lieben möge, so seien doch die Gemüter leicht beweglich und nicht durchaus zuverlässig. In den Formen befleißigte sich das Parlament des Ausdruckes der Hingebung, welche die Königin als Fürstin und Frau verlangte; diese suchte Handlungen wieder gutzumachen, durch welche die Versammlung einmal beleidigt worden war. Für Beschwerden, z. B. über die Monopolien, hat sie als für heilsame Erinnerungen sogar gedankt.
Ein französischer Gesandter bemerkt im Jahre 1596, das Parlament habe vor alters eine große Autorität gehabt, jetzt tue es alles was die Königin wünsche. Ein anderer, der 1597 anlangte, ist nicht allein erstaunt über das imponierende Äußere, sondern auch über den Umfang der Rechte des Parlaments. Hier, sagt er, werden die großen Angelegenheiten verhandelt: Krieg und Friede, Gesetze, die allgemeinen Bedürfnisse und ihre Erledigung. Das eine ist vielleicht so wahr wie das andre. Die Erklärung des Widerspruchs liegt darin, daß Königin und Parlament in den allgemeinen Verhältnissen des Landes und der Welt Verbündete waren. Die Königin hatte, es ist an sich einleuchtend, ohne das Parlament nicht regieren können; von Anfang ihrer Regierung an hat sie sich in den wichtigsten Angelegenheiten auf dasselbe gestützt; aber eine einfache Betrachtung lehrt, wie viel hinwieder das Parlament eben seiner Herbeiziehung zu den großen Fragen, welche die Königin für ratsam hielt, verdankte. Untersuchung der gegenseitigen Rechte und ihrer Grenzen vermied man noch und konnte man vermeiden. Und überdies hütete sich Elisabeth, ihrem Parlamente mit Geldforderungen beschwerlich zu fallen. Sie ist oft wegen ihrer Sparsamkeit, die zuweilen in den Geschäften unangenehm wurde, getadelt worden. Wie in den meisten Fällen, Natur und Politik wirkten auch hier zusammen. Daß sie sich immer bei Gelde hielt und wohl einmal imstande war, eine angebotene Bewilligung abzulehnen, gab ihrer Verwaltung eine Unabhängigkeit von den momentanen Stimmungen des Parlaments, die zu ihrem ganzen Wesen gehörte und ohne dies leicht hätte verloren gehen können.196
Wie tritt das persönliche Moment in dieser Staatsverwaltung noch einmal so überwiegend hervor! Wie die eigene Sache der Königin die allgemeine ist, so sind die, welche ihrer Familie angehören oder ihre Gnade erworben, ihr wesentliche Dienste geleistet haben, die Häupter des Staates und des Krieges. Das königliche Patronat breitete diesen Einfluß über die Kirche und die Universitäten aus. Wir finden ihn aber auch in allen andern Zweigen. Der Agent der Geldgeschäfte der Königin war der Stifter der Börse von London, der sie bei einem Besuch den Namen des königlichen Wechselhauses gab. Auch in der Literatur nimmt man die Spuren ihres Geschmacks und ihrer Einwirkung wahr. Es gehörte zum Ton der guten Gesellschaft, daß die Klassiker ein allgemeines Studium bildeten; darauf war die höhere Bildung gerichtet, wie ja die Königin selbst darin Erholung und Geistesnahrung fand. Man übersetzte viel und erneuerte die Formen der alten Dichter oder ahmte sie nach. Die Italiener und Spanier, die mit ähnlichen Versuchen vorangegangen waren, erweckten wieder den Wetteifer der Engländer. Bei Edmund Spenser, in dem wohl der Sinn der Zeit am lebendigsten zutage gekommen ist, stößt man überall auf Nachahmung lateinischer oder italienischer Poeten, die hier und da an umschreibende Übersetzung streift und in Feinheit der Zeichnung hinter den Originalen, selbst den modernen, zurückbleiben mag, da er sich eben ihre gelungensten Stellen dazu auswählte; aber wie atmen seine Werke im großen und ganzen doch einen so durchaus andern Geist! Was bei den Italienern ein Spiel der Phantasie ist, wird bei ihm tiefer moralischer Ernst. Die englische Nation hat einen unschätzbaren Besitz in diesen Werken von sittlich-religiösem Adel und naiver Naturanschauung, die sich durch den glücklichen Ausdruck einzelner Stanzen dem Gedächtnis eines jedes einprägen. Spenser hat der Form der Allegorie mehr Spielraum gegeben, als ihr vielleicht zukommt, und immer verwebt sich die eine in die andre; die Helden, die er aus den alten Romanen entnimmt, werden ihm Repräsentanten der verschiedenen Tugenden; aber er besitzt eine so eigentümliche Kraft der Vergegenwärtigung, daß er dem Leser auch in dieser Form Teilnahme abgewinnt. Was ist es aber, was er hauptsächlich feiert? Es ist eben der große Kampfesgang, in welchem seine Nation gegen das Papsttum und die Spanier begriffen ist. Faery Queen ist seine Königin, deren Gestalt in mannigfaltiger Symbolisierung der Eigenschaften, die sie besaß, oder die man ihr zuschrieb, darin immer aufs neue hervortritt. Mit wunderbarer Macht vereinigte Elisabeth alle strebenden Geister und Kräfte der Nation um sich her.
Nicht wenige Produktionen der Zeit haben einen so starken Beigeschmack von Verehrung der Königin, daß sie ein Lächeln abnötigen, aber wahr ist es doch, daß an diesem Hofe die Sprache sich bildete und alle großen Bestrebungen ihren Mittelpunkt fanden. Die Staatsmänner Elisabeths, die mit einem Parlament verhandeln mußten, das nicht durch bloße Autorität geleitet werden konnte, studierten die Regeln der Beredsamkeit an den Mustern des Altertums und machten sich ihre Lehren zu eigen; auf ihrem Arbeitstischen fand man Quintilian neben den juridischen Akten. Die Königin, welche das Theater liebte und durch eine Verordnung zu einem nationalen Institut machte, hat die Möglichkeit der Entwicklung Shakespeares gegeben. Er wurzelt in dieser Epoche, er stellt ihre Sitte und Lebensweise dar, aber er reicht doch weit über sie hinaus.
Es widerspräche der Natur menschlicher Dinge, wenn man erwarten wollte, daß der allgemeine Gesichtspunkt, welcher das Staatswesen beherrschte, nun auch alle und jede, die an demselben teilnahmen, vermocht hätte, auf einem Wege nach dem gemeinschaftlichen Ziele vorzuschreiten. Von den Großen des Hofes gaben vielmehr manche den Puritanern Rückhalt, wie ja der Vater der Puritaner, Cartwright, seine Stellung in Warwick der Protektion Leicesters verdankte; andre neigten sich zum Schutz der Katholiken. Die Strenge, zu der sich die Bischöfe verpflichtet hielten, fand bei den vornehmsten Staatsmännern Widerstand, und diesen opponierten sich wieder die Kriegsleute. Es war eine lebensvolle, überaus begabte Gesellschaft, aber eben darum in steter Gärung und innerem Widerstand.
Maria Stuart 1, 250 ff.; Prozeß und Hinrichtung 293-308
20. Bacon und Shakespeare
Englische Geschichte II, Werke Bd. 1, S. 87. 93 ff.
Nicht die Zeiten der großen politischen Kämpfen selbst sind für literarische und künstlerische Produktion die günstigsten;