Название | Leopold von Ranke: Historiografische Werke |
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Автор произведения | Leopold von Ranke |
Жанр | Документальная литература |
Серия | |
Издательство | Документальная литература |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9788027206056 |
So reicht ein großartiger Landverkehr des fernsten Ostens mit unseren Ländern in alter Weise bis nahe zu unseren Zeiten heran. Er berührte Deutschland unmittelbar. Wenn die Waren jene kurze Überfahrt über das Adriatische Meer gemacht, wurden sie, wie nach anderen Gegenden, so nach Deutschland geführt. Wir finden im 16. Jahrhundert noch immer venetianische und portugiesische Spezereien nebeneinander in den deutschen Städten; der deutsche Barchent ward fast durchaus von Baumwolle, die aus Venedig kam, verfertigt. Wo Paolo Paruta170 des deutsch-venetianischen Verkehrs, der zu seiner Zeit, im Anfang des 17. Jahrhunderts vorzüglich blühte, gedenkt, erwähnt er vornehmlich der Baumwolle und der Spezereien, durch die derselbe bestehe. Eine Menge Waren, Erzeugnisse der Natur oder des Fleißes, gab dafür Deutschland, vornehmlich Eisen und Stahl. Die Alpen hinauf und herab ward dieser Handel getrieben. Oft begegnete man auf den Alpenstraßen den Kaufleuten mit ihren Warenballen, Arbeiter mit Hacke und Schaufel vor sich her; sie geboten den kommenden Fremden von fern, auszuweichen. Die oberdeutschen Städter, deren Handelsleute sich auf der Messe zu Bozen mit venetianischen Untertanen zusammenfanden, sandten ihre Waren meist durch den Paß von Primolano bis nach Mestre. Durch den Kanal des Eisens, über das halb italienische, halb deutsche Pontieba, langten die Güter österreichischer Provinzen von Steiermark bis Schlesien, an. Das Holz flößte man, nicht ohne Vorteil für die kaiserlichen Zölle, die Etsch hinunter. In dem Fondaco der Deutschen171 zu Venedig traf dieser gesamte Verkehr zusammen. In den Bibliotheken finden sich genaue Notizen über die Zölle, welche man bei der Einfuhr und Ausfuhr zu zahlen hat. Man hat damals auch nicht versäumt, in Widerspruch mit den Gesetzen des Reiches Silber in großen Massen nach Venedig auszuführen, wo es bei weitem höher im Preise stand als in Deutschland. Erst im 16. Jahrhundert hielt man es der Mühe wert, das deutsche Haus neu und prächtig auszubauen; Tizian und Giorgione haben ihre kunstreichen Hände daran versucht. Das Gewölbe der Fugger war eine Sammlung okzidentaler und orientalischer Reichtümer.
Indem Venedig diese Verhältnisse zwischen Deutschland und dem Osten vermittelte, ließ es seinen Seehandel nach dem Westen nicht untergehen. Den Barbaresken zum Trotz schiffte man noch nach Spanien, häufig die Meerenge hinaus. In Portugal erwarben die Venetianer 1522 die Bestätigung wichtiger Privilegien. Unter Heinrich VIII. waren sie in England sehr begünstigt. Noch 1560 brachten sie ihre Gewürze nach Antwerpen. Diese entfernten Unternehmungen hörten auf, seitdem England selbständig unter die Handelsmächte eintrat; das Wichtigste aber der Verkehr mit Spanien, erhielt sich auch dann. Spanien lieferte den Venetianern die Wolle zu dem Tuch, das sie nach dem Orient führten. Man findet, daß levantinische und italienische Wolle für dies Tuch nicht fein genug, französische und englische nicht wohlfeil genug gewesen; notwendig habe man sich der spanischen bedienen müssen. Dafür gewährte dann Spanien für die Produkte der venetianischen Manufaktur, ihr Glas, ihr Wachs, ihre Brokat- und Seidenzeuge, vornehmlich für ihre Waffen einen sicheren Markt. Fassen wir nun, daß diese Waren größtenteils nach Westindien172 gingen, wie man denn behauptet hat, daß Venedig, wenngleich es die Entdeckungen des Kolumbus anfangs zurückgewiesen, doch den Vorteil von ihnen eine Zeitlang genossen habe, so tritt uns die Weltstellung dieser Stadt nach allen Seiten glänzend und großartig vor Augen.
Die Venetianische Verfassung, Bd. 42 S. 31–36. Die Seeschlacht bei Lepanto. Bd. 35/36 S. 363–366. Die Venetianer in Morea (1687–1715), Bd. 42 S. 279 ff,
17. Philipp II., König von Spanien
Osmanen und spanische Monarchie, Werke Bd. 35. 36 S. 97 ff.
Als Philipp zum ersten Male Spanien verließ173 und man ihn auch in anderen Ländern ansichtig ward, bemerkte man zunächst die große Ähnlichkeit, die er äußerlich mit seinem Vater hatte: dasselbe mehr weiße als blasse Gesicht, dasselbe blonde Haar, das nämliche Kinn, denselben Mund. Sie waren beide nicht groß, Philipp noch etwas kleiner, zierlicher, schwächer als sein Vater. Bald ging man in dieser Vergleichung weiter. Die Gesichtszüge des Sohnes schienen doch nicht den Ausdruck von Scharfsinn darzubieten, der den Vater auszeichnete. Man ward inne, daß Philipp, sehr entfernt diesen in natürlicher Leutseligkeit zu übertreffen, hierin vielmehr von ihm weit übertroffen ward. Während der Vater, wenn ihn Reichsfürsten nach Hause begleiteten, umzukehren, den Hut abzunehmen, einem jeden die Hand zu reichen und ihn mit freundlichem Bezeigen zu entlassen pflegte, bemerkte man mit Mißfallen, daß der Sohn, wenn sie ihm das nämliche getan, sich mit keinem Auge nach ihnen umsah, sondern den Blick gerade vor sich hin die Treppe zu seinen Gemächern hinanstieg. Er hatte keine Freude an Jagd und Waffen, er schlug selbst die Einladungen seines Vaters aus, er liebte zu Hause zu bleiben und mit seinen Günstlingen des Gesprächs zu warten. Italiener und Niederländer wurden ihm nicht wenig, die Deutschen entschieden abgeneigt.
Nun schien es zwar, wie er Spanien im Jahre 1551 zum zweiten Male verließ,174 als vermeide er jenes herrische, zurückgezogene Wesen, als suche er auch in äußerlichen Manieren seinem Vater ähnlich zu werden, als sei er von jener törichten Einbildung, die man ihm schuldgab, eines Kaisers Sohn, wie er, sei mehr als der Sohn eines Königs, wie sein Vater, zurückgekommen; er zeigte sich bescheidener und leutseliger, er gab gern Audienz und genügende Antworten.175
Doch in der Tat war das keine Änderung. Er nahm sich zusammen, weil er den Engländern, deren König er zu sein wünschte, gefallen wollte; die stolze, einsame Ruhe, welche die Spanier Sosiego nennen, behauptete er dennoch176 Teilnahme und Offenheit waren nicht seine Tugenden; selbst der Freigebigkeit befleißigte er sich nicht; aller persönlichen Teilnahme am Kriege zeigte er sich abgeneigt.
Seit er nach dem Frieden von 1559 nach Spanien zurückgegangen war, verließ er die Halbinsel nicht wieder. Selbst hier vermied er, von Ort zu Ort zu reisen, wie die früheren Könige und sein Vater immer getan. Er richtete die Residenz im Schlosse zu Madrid ein; er verließ es nur, um jenen öden Weg hin, wo kein Baum Schatten und kein Bach Mannigfaltigkeit gewährte, nach dem Escorial zu fahren, das er zwischen nackten kleinen Hügeln in einem steinigen Tale Hieronymitenmönchen zum Aufenthalt und seinem Vater zum Grabmal baute, oder um im Frühjahr nach Aranjuez zu gehen, wo er in der Tat die Jagd in die Berge begleitete und sich zu Alcalden und Monteros herabließ, doch ohne sie nach etwas anderem zu fragen als nach ihrem Amte, und ohne sie von etwas anderem reden zu lassen als von ihrem Geschäft. Ein jeder, sagt Cabrera, ward nach seinem Stande wohl angesehen. Die Sorge für seine niemals feste Gesundheit machte ihm die größte Regelmäßigkeit des Lebens zur Pflicht. Er aß dann und wann mit seiner Gemahlin oder mit seinen Kindern, aber in der Regel allein, überaus mäßig, immer die nämlichen erprobten Speisen, immer in derselben Stunde. Auch in höheren Jahren erschien er wohlerhalten; es fiel auf, wie sorgfältig, mit wie vornehmem Anstand er gekleidet war. Sein Sinn war, Würde mit Freundlichkeit zu verbinden; er sagte nie ein kränkendes Wort, er wußte jeden zufriedengestellt zu entlassen. Als er einmal nach Alcala kam, hat er nicht allein Vorlesungen besucht, sondern bei einer Promotion, der er beiwohnte, zwei Realen und zwei Paar Handschuhe, die jeder Doktor erhielt, angenommen, denn auch er war Doktor. Zuweilen finden wir ihn noch im Gehölz bei Segovia, bei den aragonesischen Cortes, einmal in Lissabon, übrigens immer zu Hause. Anfangs erschien er hier bei den Festen des Volkes; später ließ er sich das