Название | Walther Kabel-Krimis: Ãœber 100 Kriminalromane & Detektivgeschichten in einem Band |
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Автор произведения | Walther Kabel |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9788075831101 |
In Weinreichs Augen glomm ein unheilverkündendes Leuchten auf. Aber seine Stimme blieb wie vorher: mild, gütig, väterlich …
„Du wirst auf Scharfers Angebot eingehen, Fritzi, – Du … wirst!! Ich wünsche es, und es geschieht daher!“
Da reckte sich des jungen Weibes Gestalt höher. Röte und Blässe wechselten auf ihrem Gesicht. Ihre Augen sprühten. Ein höhnisches Auflachen entrang sich ihren Lippen.
„Wie groß ist denn die Kupplerbelohnung, die Scharfer Dir versprochen hat …?“ fragte sie kalt. „Verschachern willst Du mich, damit Du am Spieltisch wieder ein paar Nächte zubringen kannst …!! Oh – ich weiß, was Du treibst. Der Mama magst Du Sand in die Augen streuen, sie ist kurzsichtig genug …“
Sie kam nicht weiter. Seine Finger umspannten mit eisernem Druck ihr Handgelenk, daß sie vor Schmerz leise aufschrie.
„Du wirst gehorchen!“ zischte er heiser. Dann beugte er sich mehr zu ihr hin, flüsterte ihr einige Worte zu.
Die Wirkung war furchtbar. Wie vom Blitz getroffen taumelte Fritzi Pelcherzim zurück und sank völlig gebrochen auf denselben Stuhl, von dem sie sich eben erst erhoben hatte.
Karl-Ernst Weinreich stand vor ihr, strich sich mit der zarten, weißen Hand den gefärbten Spitzbart und schüttelte wie in tiefem Seelenschmerz sein Künstlerhaupt.
„Armes Kind, mußte ich wirklich erst zu diesem Mittel greifen, um Deine Zukunft lichter zu gestalten? Mußte ich wirklich Dir erst beweisen, daß ich Dein Geheimnis kenne?!“
Das junge Weib, bleich wie der Tod, saß wie versteinert da. Dann hatte sie die heuchlerischen Worte des Stiefvaters begriffen. Langsam hob sie den Kopf. Ihre Augen weiteten sich. Und ein Blick traf daraus den Musiklehrer, daß ihn vor diesem lodernden Ausdruck des Hasses ein unbehagliches Gefühl beschlich.
Nicht genug damit. Fritzi Pelcherzim sagte jetzt leise, jedes Wort betonend:
„Du glaubst gesiegt zu haben! Aber – Du hast Dich soeben gleichfalls verraten. Ich weiß jetzt genug, um …“
In diesem Moment öffnete sich die Tür nach dem Flur hin und Frau Agna Weinreich trat ein, ein kleines, armseliges Weibchen, wie eine Greisin aussehend, und doch erst Mitte der Vierzig.
Der Professor tat, als antwortete er Fritzi auf eine gleichgültige Bemerkung.
„Sehr richtig! Viel ist an dem Stück nicht dran. – Ah, dann bist Du ja auch schon von Deinen Einkäufen zurück, liebes Weib. – Was soll’s denn heute zu Mittag geben? Hoffentlich ein solides Stück Fleisch. Ich fühle mich recht schwach nach der gestrigen Nacht.“
Frau Weinreich hatte nichts bemerkt. Sie ahnte nicht, welche hochdramatische Szene hier sich soeben abgespielt hatte.
„Klopse, dachte ich“, meinte sie verschüchtert. „Zu etwas Besserem reichte das Wirtschaftsgeld nicht mehr.“
Der Professor lächelte nachsichtig.
„Gebraten esse ich sie ganz gern. Im übrigen: Fritzi hat mir soeben erklärt, daß sie Scharfers Anerbieten annimmt. Dann wird sie also bald in der Lage sein, uns täglich einen Braten auf den Tisch zu zaubern.“
Frau Agna schaute erst ihren Gatten, dann ihre Tochter ängstlich an. Aus ihren Mienen war deutlich herauszusehen, daß diese Mitteilung sie mehr erschreckte als erfreute. Es kostete sie sichtlich Überwindung, wenigstens zu erklären:
„So, so, – das ist ja sehr – sehr schön …“
Einen Augenblick stand sie wie unschlüssig da. Sie wollte offenbar noch etwas hinzufügen, machte dann jedoch kehrt und verließ das Zimmer.
Weinreich trat schnell dicht vor seine Stieftochter hin.
„Was sollte die Bemerkung vorhin?“ fragte er ganz leise. „Inwiefern weißt du jetzt genug, um – ja, um – um …?! – Führe den Satz zu Ende! Ich wünsche es.“
Fritzi Pelcherzim hatte inzwischen Zeit gefunden, zu einem endgültigen Entschluß zu gelangen.
Sie spielte jetzt die Verschüchterte, in ihr Schicksal Ergebene.
„Es war ja nur ein Rest von Auflehnung von mir“, meinte sie weinerlich. „Oh mein Gott – verrate mich nicht – bitte, bitte …!“
Verzweifelt rang sie die Hände. Sie war nicht umsonst Schauspielerin, wenn auch nur für stumme Rollen in der Masse des Chors.
Der Professor ließ sich täuschen. Er strich ihr wie liebkosend über das Haar, sagte: „Wir werden noch gute Freunde werden, Fritzichen“, und ging in den Salon zurück, – zurück zu seiner Fronarbeit, die ihn mehr als anekelte … –
Das junge Weib blieb wie versteinert, starrte vor sich hin und … lächelte, – lächelte ein Lächeln, das noch böser, noch rachsüchtiger war als der Blick, mit dem sie vorhin den Stiefvater angeschaut hatte.
Dann kam Frau Agna ins Zimmer, eilfertig wie immer, mit einer großen Küchenschürze über dem dürftigen Kleide.
Verlegen und unschlüssig tat sie so, als suche sie etwas in der Anrichte.
Dann eine scheue Frage …
„Kind, also Du willst wirklich …?“
„Ja – aber ich will mich nicht verkaufen“, erwiderte Fritzi, ohne sie aussprechen zu lassen. „Du kannst ohne Sorge sein. Der Kommerzienrat wird vielleicht sehr enttäuscht werden …“
Ein Strahlen ging über Frau Weinreichs faltiges Gesicht.
„Du bist wie er, – ich weiß es. Du hast seine Energie geerbt“, sagte sie, wie von einer Last befreit. „Du bist eine echte Pelcherzim … Und Du wirst auch Karriere machen. Weinreich kann das doch beurteilen. Und – vergiß nie, was Du ihm alles verdankst. Er sorgt für Dich wie ein richtiger Vater. Ich merke das vielleicht besser als Du. Ja, ja – widersprich nicht, Kind! Du kennst ihn nicht. Im Grunde seines Herzens ist der ein gütiger, ein guter Mensch. Ich wünschte nur, er brauchte nicht so schwer zu arbeiten. Abends, bis in den frühen Morgen hinein, noch diesen Dirigentenposten einer Kaffeehauskapelle, – das reibt auf! Wie schlecht er heute wieder aussieht …!!“
Dann huschte sie hinaus, flink wie ein Wieselchen, dieses arme, zermürbte, blinde Geschöpf.
Fritzi seufzte. Ihr Blick hing an der Tür, hinter der die Mutter verschwunden war. Dann schluchzte sie plötzlich auf, schlug die Hände vor das zarte Gesicht und weinte lautlos in sich hinein …
Die Mutter machte ihr den Entschluß, den sie vorhin gefaßt hatte, so schwer … Sie liebte die, die ihr das Leben gegeben, mit inniger Herzlichkeit. Und der Gedanke, was nun kommen würde, wie diese ärmste Betrogene die Zukunft tragen würde, war wie ein letzter Hemmschuh ihrer schweren Pläne.
Aber – es mußte sein …! Und sie dachte jetzt, indem sie die Augen trocknete:
„Ich weiß genug, um dir die Larve vom Gesicht zu reißen. Und dann wird die Welt staunen, was darunter zum Vorschein kommt!“
7. Kapitel
Der falsche Mantel und Hut
Eginhard von Blendel nahm am Bahnhof Friedrichstraße ein Auto und ließ sich nach dem Bureau des Rechtsanwalts Kinkel fahren, wo er Cesar Bellinger anzutreffen hoffte.
Der frühere Assessor war auch wirklich anwesend.
„Herr Doktor ist in seinem Zimmer“, hatte das Schreibmaschinenfräulein zu Blendel mit einem etwas rätselhaften Lächeln gesagt.
Der Baron wußte in den Räumen Bescheid, ging über den Flur und klopfte an eine Tür, an der eine Visitenkarte mit „Cesar Bellinger“ darauf hing, – nur der Name, weder Doktor juris noch Assessor a. D.. Bellinger gab auf Titel und