Название | Walther Kabel-Krimis: Ãœber 100 Kriminalromane & Detektivgeschichten in einem Band |
---|---|
Автор произведения | Walther Kabel |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9788075831101 |
Bellinger hatte mitten im Zimmer stehend, den Artikel vorgelesen. Jetzt ließ er die Zeitungen sinken.
„Was sagen Sie zu dieser Überraschung, Baron?!“ fragte er kopfschüttelnd.
„Ich – ich bin sprachlos!“ meinte Blendel ganz verstört. Und fügte nach kurzer Pause hinzu: „Die gestrige Nacht werde ich nicht so bald vergessen!! Das Wiedersehen mit Lossen, der Mann am Kronleuchter, und jetzt noch der Mord: etwas viel für eine Nacht!!“
Bellinger schaute wieder in die Zeitung hinein.
„P … M!!“ murmelte er. „… P. M. – Peter Maletta!! Natürlich!“
Der Baron packte des Assessors Arm mit hartem Griff.
„Sie meinen das Monogramm …? Und Sie denken, daß vielleicht …“
„Gewiß – daß vielleicht hier der Falsche getötet worden ist – durch Ihre Schuld, Baron!“
Blendel fuhr zurück.
„Durch … durch meine Schuld …?“ stotterte er verständnislos.
Bellinger nickte und sagte:
„Sie waren es, der Maletta das Auto holte. Sie mußten ihm auch Mantel und Hut in das Auto reichen. Die Sachen hingen im Erdgeschoß im Garderobenzimmer. Sie haben eben die falschen Sachen erwischt. Maletta fuhr mit dem Paletot und dem Hute Scharfers davon. Und Scharfer mußte nachher notgedrungen, als er nach Hause wollte, Malettas schwarzen Pelerinenmantel und auch dessen weichen Filzhut benutzen. In dem Pelerinenmantel konnte der Kommerzienrat, der ziemlich eine Größe mit dem Chemiker hat, leicht für diesen gehalten werden, zumal auch der Filzhut – grau mit schwarzem Band – die Täuschung noch vollkommener machte.“
Der lange Oberleutnant sank in den nächsten Stuhl.
„Mein Gott – Sie könnten recht haben, Bellinger – wahrhaftig!“
Der Assessor warf die Zeitung auf den Schreibtisch.
„Wir wollen diese Vermutung vorläufig für uns behalten, Baron, – verstanden?!“ meinte er nachdenklich. „Wenn wir Lossen helfen wollen, müssen wir vorsichtig sein. Die Polizei kann uns womöglich unsere Kreise stören. Freie Hand nach allen Seiten – das ist die Hauptsache! – Und jetzt wollen wir zu Lossen, wenn es Ihnen recht ist. Der ist mir ja noch die Schilderung jenes Abends schuldig, als die Diamanten Oltendorf gestohlen wurden.“
8. Kapitel
Die Diamanten des Rentiers
Werner Lossen arbeitete gerade an jenen Aquarellskizzen, die er Scharfer für die Erbprinzessin vorlegen sollte, als der Baron und Bellinger bei ihm erschienen.
Gleich nach der Begrüßung sagte Blendel dann zögernd:
„Die Skizzen sind jetzt leider zwecklos, mein Alter. Der, der Dir die lohnende Beschäftigung in Potgow verschaffen wollte, lebt nicht mehr.“
Die Nachricht von Scharfers Ermordung erschütterte den jungen Maler geradezu.
„Der Ärmste!“ meinte er mitleidig. „Das Ende hat er nicht verdient, selbst wenn er es wirklich gewesen sein sollte, der Maletta in die Schlinge gehoben hat. Dann wird er wohl seine Gründe dafür gehabt haben. Maletta ist ja nach Ihren Andeutungen von gestern, Herr Bellinger, auch kein einwandfreier Charakter. Und ich habe doch Scharfer eigentlich nur von der besten Seite kennengelernt. Er wollte mir helfen, mich wieder emporzuarbeiten.“
„Gestern sprachen Sie zu dem Baron in etwas anderer Tonart“, meinte Bellinger, indem er sich in die eine Sofaecke setzte. „Da äußerten Sie, Scharfer wäre ein Heuchler – oder so was ähnliches.“
Lossen errötete.
„Ich gebe zu, daß sich das Nachteilige, was ich von dem Kommerzienrat zu wissen glaubte, inzwischen halb und halb vergessen habe. Ich dachte an ihn jetzt nur als an den Mann, der in selbstloser Weise nicht fördern wollte.“
Bellinger wehrte mit der Hand ab.
„Ist ja auch gleichgültig jetzt“, erklärte er kurz. „Von den Toten soll man nur Gutes reden. – Wollen Sie mir jetzt bitte also erzählen, was sich an jenem Abend in der Wannsee-Villa abgespielt hat. Aber recht ausführlich in den Hauptsachen.“
„Ich wurde mit Oltendorf durch eine Zeitungsannonce bekannt“, fing Lossen an, nachdem er sich neben das Sofa auf einen Stuhl gesetzt hatte. „Er suchte einen Künstler, der die Diele seiner Villa ausschmücken sollte. Ich meldete mich, und er übertrug mir die Arbeit. Wir wurden bald Freunde; auch mit Fräulein Charlotte, seinem einzigen Kinde, stand ich mich sehr gut. Nach einem Monat – ich wohnte damals in Wannsee möbliert – luden Oltendorfs mich zu einer kleinen Abendgesellschaft ein. Es war im Monat März – am 23.. Den Tag werde ich nie vergessen. Außer mir gab es nur ältere Herrschaften als Gäste, alles Familien aus Wannsee, denen der Rentier irgendwie verpflichtet war. – Halt – es war doch noch ein junges Mädchen darunter, wie mir eben einfällt. Und jetzt kann ich mir auch eine Frage selbst beantworten, die mich gestern eine Weile gequält hat, weil ich umsonst nachgrübelte, in welcher Beziehung der Name Pelcherzim zu meinem Prozesse stand. Die junge Dame damals hieß Fritzi Pelcherzim. Ihr Stiefvater, ein Musiker, war ein alter Bekannter Oltendorfs. – – Im ganzen waren wir vierzehn Personen bei Tisch. Ich hatte keine Dame, dafür aber zur Rechten einen sehr trinkfesten, alten Major a. D., der die Schuld daran trug, daß ich den Weinen etwas stark zusprach. – Da fällt mir auch der Name des Musikers ein: Professor Weinreich hieß er. – Kurz, als die Tafel aufgehoben wurde, war ich beinahe … betrunken, merkte es aber noch rechtzeitig, ging hinaus, sagte dem Stubenmädchen, ich wolle nur mal schnell nach meiner Wohnung hinüber, und begab mich in den Garten, der bis zur Havel hinabläuft. Hier schritt ich, den Hut in der Hand, auf und ab, um mich zu ernüchtern. In der Alkohollaune kam mir dann der Gedanke, ein kaltes Bad zu nehmen, damit die Weindünste sich schneller verflüchtigten. Am Flußufer im Garten stand ein Badehäuschen. Die letzten Tage war das Wetter schon sehr warm gewesen, und ich glaubte ein solches Bad meinem abgehärteten Körper selbst im März wohl zumuten zu können. Es bekam mir auch wirklich anscheinend sehr gut. Ich fühlte mich völlig frisch und kehrte in die Villa zurück. Um mir nun das nasse Haar neu zu scheiteln, schlich ich mich durch den Hintereingang unbemerkt in den ersten Stock hinauf, wo die Schlafzimmer lagen. Ich wollte des Rentiers Kamm und Bürste benutzen, fand die Sachen auch, ordnete mein Haar vor dem Spiegel des Wäscheschrankes und gedachte dann die unteren Räume wieder aufzusuchen. Plötzlich bekam ich jedoch einen Schwindelanfall, und mir wurde so jämmerlich zumute, daß ich es vorzog, nun wirklich nach Hause zu gehen, wo ich mich dann sofort zu Bett begab. Ich schlief bis in den hellen Morgen hinein. Zwei Kriminalbeamte weckten mich und nahmen mich sofort mit, weil ich verdächtig war, die Edelsteinsammlung Oltendorfs, die dieser in seinem Schlafzimmer in einem Schränkchen aufbewahrte, in der verflossenen Nacht gestohlen zu haben. Mein Unglück wurde, daß der Rentier mir kurz vorher die Diamanten gezeigt hatte, daß ich den Inhalt des Schränkchens also kannte, und daß das Stubenmädchen mich beobachtet hatte, wie ich in das Schlafzimmer schlüpfte. – Niemand glaubte mir, daß ich ein Bad genommen und mir nur das Haar hatte scheiteln wollen. Die Richter waren überzeugt, ich hätte nach einem vorher genau zurechtgelegten Plane gehandelt. Die Umstände waren gegen mich – ich wurde verurteilt …!! Und ich bin unschuldig, Herr Bellinger, – so wahr mir Gott helfe!“
„Hätte ich in der Strafkammer als Beisitzer gesessen: ich würde Sie auch für schuldig befunden haben“, meinte Bellinger ehrlich. „Sie haben recht: die Umstände waren gegen Sie! Alles deutete darauf hin, daß Sie das Bad nur erfunden hatten. Ich besinne mich jetzt auf die Verhandlung recht genau. Ihre Schilderung hat mein Gedächtnis aufgefrischt.“
Der Assessor streichelte sich gedankenvoll das runde Kinn. Nach einer Weile fuhr er dann fort:
„Ich hätte Sie verurteilt – als Richter.