Walther Kabel-Krimis: Ãœber 100 Kriminalromane & Detektivgeschichten in einem Band. Walther Kabel

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Название Walther Kabel-Krimis: Ãœber 100 Kriminalromane & Detektivgeschichten in einem Band
Автор произведения Walther Kabel
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9788075831101



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und höchst unangenehm war. Zunächst prüfte ich jene beiden Vorfälle eingehend nach. Ich stellte fest, daß Maletta offenbar sowohl bei der Arsenikvergiftung als auch bei dem Straßenüberfall hatte verhüten wollen, daß die Polizei davon Kenntnis erhielt und der Schuldige verfolgt würde. Dann lernte ich ihn im Klub kennen. Unsere erste Begegnung, sozusagen auf neutralem Boden, das heißt im Klub, war recht kennzeichnend für unser gegenseitiges Verhältnis.

      „Ich bin Ihnen kein Fremder mehr“, sagte er leise zu mir. „Weswegen spüren Sie mir eigentlich nach? Ich weiß, daß Sie bei Rechtsanwalt Kinkel so etwas wie Detektiv sind. Ich bin niemandem etwas schuldig, auch weder Mörder noch Dieb. Also belästigen Sie mich nicht.“

      Seine Worte sollten scherzhaft-polternd klingen. Aber ich merkte sehr wohl, daß er innerlich wütend war und auch eine gewisse Angst vor mir hatte.

      Ich antwortete ungefähr folgendes:

      „Ich liebe seltsame Vorfälle, Herr Doktor. Sie erkennen mich nicht wieder. Ich bin derselbe Herr, der Ihnen beisprang, als Sie im Restaurant Körber den Krampfanfall hatten. Dann las ich später in der „Trompete“ von dem Straßenattentat. Und jetzt widme ich Ihnen einen Teil meiner freien Zeit, um vielleicht Zeuge zu sein, wenn man Ihnen zum drittenmal zu Leibe geht.’

      Ich hatte ebenfalls in scherzendem Tone gesprochen.

      Er trat unruhig von einem Bein auf das andere. Das Lachen, das seine nächsten Worte begleitete, klang sehr gezwungen.

      „He he – wahrhaftig, viel Ehre für mich, Herr Assessor, daß Sie sich derart meinetwegen bemühen. – Hm – wie stellen Sie sich denn zu den lächerlichen Behauptungen der „Trompete“, ich hätte den Attentäter absichtlich geschützt?“

      Ich zuckte die Achseln.

      „Bisher gar nicht. Jedenfalls witterte ich aber ein Geheimnis. Und als Detektiv kläre ich gern Geheimnisse auf, selbst wenn das Geschäft nichts einbringt.“

      Da beugte er sich ganz dicht zu mir hin.

      „Es bringt etwas ein, – nämlich wenn Sie mir Ihr Ehrenwort geben, daß Sie die alten Geschichten ruhen lassen, erhalten Sie tausend Mark.“

      Ich lachte hell auf.

      „Sie sind ein scherzhafter Herr“, sagte ich. – Dann trat Scharfer zu uns. Und Maletta ist auch nie wieder auf die Sache zurückgekommen. Trotzdem fühlte ich geradezu, daß er mich haßte und fürchtete. – –

      So, Baron, das wäre also meine erste Begegnung mit dem Chemiker gewesen. Ist Ihnen nun gestern nacht vielleicht aufgefallen, wie verstört und angstvoll er gerade mich anstierte, nachdem ihm das Bewußtsein zurückgekehrt war?“

      „Allerdings. Er hatte eigentlich nur Augen für Sie. Und das finde ich nach dem eben Gehörten ganz verständlich.“

      „Gewiß. Ich war für ihn der gefährlichste seiner Retter. Ich kannte sein unerklärliches Bestreben bereits, Mordanschläge, die gegen ihn gerichtet waren, zu vertuschen. Er mußte sich sagen, daß dieses neue Ereignis mich sicher dazu bestimmen würde, ihn noch schärfer zu beobachten als bisher. Furcht war es, die ihn dann dazu bewog, Lossen das merkwürdige Angebot auf der Treppe zu machen. Mit einem Wort: Dieser Mann schützt tatsächlich seine Feinde oder seinen Feind, fürchtet die Möglichkeit, die Polizei könnte sich einmengen und einen der Schuldigen fassen. – Wie schwerwiegend müssen da wohl die Gründe sein, die ihn zu diesem direkt widersinnig erscheinenden Tun bestimmten …!!“

      „Und Sie kennen diese Gründe, Bellinger?“

      „Ehrlich gesagt: nein! Das Geheimnis ist für mich noch genau so dunkel wie an jenem Tage, als ich Maletta nachzuspüren begann. Immerhin habe ich mittlerweile doch über Maletta eine ganz hübsche Biographie zusammengetragen. Sie sollen erfahren, was ich weiß. – Maletta stammt aus Prag, ist Tscheche von Geburt. Er hat auf verschiedenen Universitäten in Deutschland studiert, sich bereits mit 21 Jahren den Doktortitel erworben und schon als Student fachwissenschaftliche Arbeiten von anerkannter Bedeutung veröffentlicht. – Dann verschwand er aus Europa für längere Zeit. Über diesen Abschnitt seines Lebens spricht er nie. Es hat mich viel Mühe gekostet herauszubekommen, daß er zehn Jahre in Südafrika bei einer Diamantenminen-Gesellschaft angestellt war. Er wurde entlassen, weil man ihn im Verdacht hatte, mit Minenarbeitern, die Edelsteine stahlen, unter einer Decke zu stecken. Vor einigen Jahren tauchte er dann hier in Berlin auf, eröffnete ein chemisches Laboratorium, gründete eine chemische Fabrik, beglückte den dümmeren Teil der Menschheit mit Heilmitteln und Schönheitswässerchen und soll heute mehrfacher Millionär sein. Daß er Junggeselle ist, wissen Sie, ebenso, daß er für seine Person ziemlich anspruchslos lebt. Aber dieses sein Leben ist nichts als eine Kette fortwährender Aufregungen. Die Außenwelt ahnt nichts davon. Man muß ihn beobachtet haben, wie ich es tat, um behaupten zu können, daß er nicht umsonst stets so bleich und nervös ist. Er befindet sich eben in ewiger Angst vor Nachstellungen. Nie geht er ohne Revolver aus. Sein Chauffeur ist ein früherer Kriminalbeamter, sein Diener war früher Schutzmann. Selbst hier im Klub wird er nie Speisen bestellen. Getränke nimmt er nur aus frisch entkorkten Flaschen zu sich. Der Zar kann nicht vorsichtiger sein als er. Und doch wissen wir jetzt, daß der Tod bereits dreimal haarscharf an ihm vorübergegangen ist. Dreimal! Und wie oft mag dies noch geschehen sein, ohne daß es zu jemandes Kenntnis gelangte …!! – Sagen Sie selbst, Baron: hatte ich gestern nicht recht, als ich behauptete, Maletta liefere Stoff zu vielen Kriminalromanen?! Vergegenwärtigen Sie sich lediglich die eine Tatsache, daß ein Mann seine Mörder stets absichtlich entwischen läßt! Ist das nicht geradezu ein Preisrätsel?! Und bedenkt man ferner, daß …“

      Ein Klopfen an der Tür zwang Bellinger zu einem etwas ungeduldigen „Herein!“

      Es war einer der kleinen Schreiber. Das Bürschchen reichte dem Assessor die „B. Z. am Mittag“.

      „Ein Mord ist drin“, sagte der Junge wichtig. „Fräulein Harder, unsere Stenographin, meint, Sie würden den Herrn kennen, Herr Assessor, – –: Kommerzienrat Scharfer!“

      Bellinger war mit einem Satz von dem Schreibtisch herunter. Und auch Eginhard von Blendel schnellte von seinem Stuhle hoch.

      Der kleine Schreiber grinste geschmeichelt.

      „Hier steht’s, Herr Assessor …!“ Und er zeigte auf einen längeren gesperrt gedruckten Artikel auf der ersten Seite des Blattes.

      Bellinger riß ihn förmlich die Zeitung aus der Hand.

      „Lesen Sie vor!“ rief der Baron.

      Und der Assessor las …

      „Geheimnisvoller Mord!! Der Tote im Müllkasten!!

      Als heute morgen gegen sieben Uhr die Hausbesorgerin von Wiebelstraße Nr. 26 in den auf dem Hofe stehenden, erst am Abend vorher geleerten großen, eisernen Müllkasten Kehricht hineinschütten wollte, entdeckte sie in dem Kasten die Leiche eines elegant gekleideten Herrn. Die sofort benachrichtigte Polizei stellte fest, daß der Tote der in Berliner Gesellschaftskreisen wohlbekannte Kommerzienrat Scharfer war und daß es sich zweifellos um ein Kapitalverbrechen handelte. Scharfer hatte genau im Herzen eine breite Stichwunde, die seinen augenblicklichen Tod herbeigeführt haben muß.

      Verschiedenes an diesem Morde ist seltsam und unerklärlich. – Was tat Scharfer in der nur von einfachen Leuten bewohnten Wiebelstraße? Wie gelangte er auf den Hof von Nr. 26? – Das Haus war um zehn Uhr abends, wie immer, verschlossen worden. Die Mieter sind sämtlich Leute, die sich des allerbesten Leumundes erfreuen. Niemand hatte in der Nacht verdächtigen Lärm oder dergleichen gehört. Der Portier ist nicht ein einziges Mal herausgeklingelt worden, um die Haustür zu öffnen. – Und weiter: Der Tote hatte einen Mantel an, der nicht sein Eigentum ist. Das Monogramm im schwerseidenen Futter zeigt ein verschlungenes P. M.. Dabei ist der Tote nicht beraubt worden. Alle seine Wertsachen hat man bei ihm gefunden. – Jedenfalls ist Berlin um ein sensationelles Verbrechen reicher, und unsere Polizei kann beweisen, ob sie dieser neuen, fraglos außerordentlich schwierigen Aufgabe, den Täter zu entdecken, gewachsen ist. – Wie uns unser E. K.-Berichterstatter noch kurz vor Redaktionsschluß melden konnte, hat der Ermordete den gestrigen Abend in dem