SKIN MEDICINE - Die letzte Grenze. Tim Curran

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Название SKIN MEDICINE - Die letzte Grenze
Автор произведения Tim Curran
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783958350298



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tasteten sich voran, stachen zu, schnitten und zupften. Er heftete und nähte, gummierte und klebte. Messer blitzten auf und Sägen bissen zu, Wachs sammelte sich in Vertiefungen, und Fäden hielten Geheimnisvolles im Inneren der Leichen an ihrem Platz. Er balsamierte die Brüder mit einer Arsenlösung ein und bedeckte sie mit Tüchern, bis die Särge fertig waren.

      Hiram pumpte Wasser in ein Becken, zog die Gummihandschuhe aus und wusch sich sorgfältig die Hände.

      Der Wind draußen nahm zu, ein Ast kratzte über das Dach. Aus einem Grund, den Hiram nicht nachvollziehen konnte, ließ ihn etwas in Mark und Bein erschauern. Wieder spürte er dieses Gefühl des Grauens. Einige Stunden hatte es nun schon an ihm genagt … aber weshalb? Er ertappte sich dabei, wie er an die zwei Männer dachte, die den Sarg gebracht hatten.

      Weiß wie die Wand waren sie gewesen vor Angst.

      Aber warum? Warum nur? Erschöpfung, vielleicht. Sie waren zwei Tage in der Wildnis unterwegs gewesen vom Toole County nach Whisper Lake. Und es waren kalte, unwirtliche Tage. Solche Entbehrungen und Belastungen konnten merkwürdige Dinge mit Männern anstellen. Hiram säuberte seine Instrumente und entschied sich dagegen, heute Nacht noch an Cobb zu arbeiten. Der Ölheizofen in der Ecke blubberte vor sich hin, und doch war ihm kalt. Schlimmer noch, über seine Haut schienen an- und abschwellende Wellen zu kriechen. Er wollte unbedingt aus der Leichenhalle heraus, und er wusste nicht warum.

      Er hielt inne und ein Schweißtropfen floss den Berg herab, der seine Wange war.

      Da war etwas, irgendetwas.

      Zu hören war nichts, aber … er drehte sich um, starrte den Sarg an. Hiram stand da, beobachtete ihn, während sich sein Hirn mit kryptischen Gedanken füllte. Es war lächerlich … aber er hatte das irritierende Gefühl, beobachtet zu werden, studiert, angestarrt.

      Kinder, die versuchten, einen Blick zu erhaschen?

      Nein, es war zu spät, und die Vorhänge waren zugezogen. Vorsichtig, langsam, ging er zum Fenster, spähte an den Vorhängen vorbei. Die unbefestigte Straße draußen war leer. Er konnte sehen, wie sich die Stadt in die Ferne ausstreckte, dicht gedrängte Dächer, die die Hügel hinaufkletterten und in Senken eintauchten. Er konnte hören, wie der Wind die einsamen leeren Flächen durchstrich. Hörte irgendwo in der Ferne einen Wagen. Stimmengewirr aus der Ecke der Stadt, in der sich die Saloons befanden. Das allgegenwärtige Poltern der Maschinen aus den Minen.

      Aber niemand, der hereinblickte, ihn beobachtete.

      Die Schatten in der Leichenhalle schienen länger zu werden. Sie flossen aus Spalten und Rissen und Ritzen, wanden sich über den Boden wie sich paarende Schlangen. Die Laternen brannten immer noch hell und doch wirkte alles auf sonderbare Weise trübe.

       Augen, die mich beobachten.

      Einbildung?

      Hiram konnte mit Aberglauben nichts anfangen. Damit wollte er nichts zu tun haben. Und dennoch, etwas in ihm war lebendig und elektrisiert und beunruhigt, vielleicht sogar verängstigt. Er ging durch den Raum, zum Sarg hinüber. Sich die Lippen leckend strich er mit der Hand über das grob beschlagene Zedernholz, ertastete Nagellöcher und zersplitterte Astknoten.

       Augen, die mich anstarren.

      Der Körper da drin … James Lee Cobb … Hiram fing an, sich darüber Gedanken zu machen, als etwas Unerklärliches nach ihm zu greifen begann, jedoch so sanft, dass er sich dessen nicht einmal bewusst wurde. Er vermochte nur noch an die Leiche in der Kiste zu denken, Leiche in der Kiste. Cobb war oben in Skull Valley gestorben, hatten sie gesagt. Seine Rothautfreunde hatten ihm einen Sarg gekauft und dafür bezahlt, dass er nach Whisper Lake gebracht wurde.

      Warum aber sollten Rothäute das für einen weißen Mann tun?

      Hiram wischte den Schweiß von seiner Stirn. Er wusste, es gab einen Grund, aber offenbar konnte er sich nicht daran erinnern. Cobb war heimgekehrt, zu dem einzigen Verwandten, den er hatte. Genau. Er hatte einen Halbbruder drüben in Deliverance, der Mormonenstadt gleich westlich von Whisper Lake. Deswegen war Cobb hergebracht worden. Der Halbbruder würde den Sarg übermorgen abholen, hatte er gesagt.

      Hirams Hände zitterten nun.

      Er wischte mehr Schweiß von seiner Stirn, dachte: Was zur Hölle stimmt nicht mit mir?

      Es schien ihm, als könne er nicht mehr klar denken. Sein Hirn war mit wilden, sprunghaften Gedanken gefüllt, die er nicht zu etwas Sinnvollem verknüpfen konnte. Die Muskeln hinter seinen Augen waren angespannt. Der Schweiß kroch über sein Gesicht, sammelte sich unter den Augen, strömte seine Wangen herab. Ein paar Tröpfchen trafen die Oberfläche des Sarges. Plop, plop.

      Einen irrationalen Moment lang dachte Hiram, es wäre Blut.

      Ja, wie bei einem Opfer. Ein Blutopfer, dargeboten einer boshaften heidnischen Gottheit. Blut. Ein Brandopfer. Ein Tribut aus Blut und Fleisch und verbrannten Eingeweiden. Buße. Sühne. Manche Götter verlangten diese Dinge, sie …

      Hiram fing an zu wimmern, Tränen mischten sich mit Schweiß.

       Augen, die sich nicht schließen, nicht sterben, nicht aufhören zu starren.

      Er stolperte über die Werkzeugbank, fand eine kleine Brechstange.

      Über dem Sarg stehend schaute er nach oben, sah nur die fleckigen Kacheln an der Decke, hoffte vielleicht auf göttlichen Beistand. Durch den Herrn Jesus Christus, obwohl Hiram weder an ihn noch an irgendetwas anderes glaubte. Inzwischen hatte etwas von Hiram Besitz ergriffen, seine Gedanken waren ein Wirrwarr und sein Hirn ein summendes Wespennest. Seine Augen waren weit geöffnet, ohne Blinzeln, und die Tränen flossen wie Blut beim Aderlass und nahmen seinen Verstand mit sich. Seine Lippen bewegten sich, aber es war kein Laut zu hören.

      Blutopfer.

       Sie beobachten mich.

      Fieberhaft begann er damit, die Nägel aus dem Sarg zu ziehen, sie geradezu aus den billigen Holzbrettern zu reißen. Einen nach dem anderen, bis er keuchte und schnaufte und sein Herz klopfte und seine Schläfen pochten. Er brach das verbliebene Messingband auf, das zusammen mit der Brechstange auf den Boden rasselte.

       Diese Augen beobachten mich.

      Er riss den Deckel herunter und ließ ihn fallen. Dann schaute er hinein. Im Sarg sah er etwas, von dem er nicht wusste, was es war. Ja, da war ein schwarzes Totengewand, aber es war falsch, völlig falsch. Zu viele Schatten, kriechende, schleichende, sich verschiebende Schatten, die möglicherweise keine Schatten, sondern die Leiche selbst waren.

      Hirams Herz schlug dumpf, sein Atem blieb in seiner Lunge eingeschlossen.

      Etwas in ihm zerbrach wie weißes Eis, als er das Auge sah. Ein einzelnes grünes Auge, weit geöffnet, starrend. Es glänzte und flimmerte wie eine Silbermünze und reflektierte ein brennendes Licht, das in Hirams Kopf eindrang.

      Dann tauchte plötzlich ein Skalpell in seiner Hand auf und er hielt sein linkes Handgelenk nach vorn.

      Blutopfer. Sühne.

      Er schnitt sich die Pulsadern auf und dunkles Blut strömte in Bögen und Spiralen in den Sarg. Im Inneren bewegte sich etwas und raschelte.

      »Gott steh mir bei …« Das Echo von Hirams Stimme kam aus einem anderen Zimmer zurück.

      Und eine einzelne, bis auf die Knochen fleischlose Hand schnellte wie eine Schlange aus der Grube sich verschwörender Schatten und packte ihn an der Kehle.

      Es war die Hand Gottes.

      1-5

      Früh am nächsten Morgen fand Caleb Callister die Leiche seines Bruders.

      Sie war in den Sarg gestopft worden, weiß und blutleer und eingefallen. Caleb schrie nicht laut auf oder wurde theatralisch. Er bestellte recht ruhigen Gemüts den Gerichtsmediziner, denn er war ein Mann, dem der Tod in allen seinen unerfreulichen Formen vertraut war.

      Der