Название | Das Buch des Kurfürsten |
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Автор произведения | Marlene Klaus |
Жанр | Языкознание |
Серия | Kurpfalz-Trilogie |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783941408364 |
Sein Weib Gundel kam mit einem Krug angewärmten Bieres zum Tisch und füllte die Tonbecher. Matthias schob Magister Baumann den ersten hin. Der Lehrer war zeitig aus Hockenheim nach Reilingen herübergekommen, um die morgige Reise nach Heidelberg mit ihnen zu besprechen. Deshalb war auch seine Schwester Barbara mit ihren beiden Stiefsöhnen Cornelius und David da. Der zwölfjährige David schielte augenblicklich neidisch zu seinem fast fünfzehnjährigen Bruder, weil der einen Becher Bier entgegennahm, während er selbst sich mit Milch begnügen musste.
Das wird was geben, dachte Matthias, mit vier heranwachsenden Jungen morgen nach Heidelberg! Sein eigener Sohn Michel, Cornelius und David sowie deren Vetter Sebastian hatten ihm die Ohren vollgejault, seit vor wenigen Tagen die Kunde umgegangen war, dass es in Heidelberg ein fremdländisches Tier zu bestaunen geben würde. Der Herzog von Württemberg gedachte, dem Kurfürsten von der Pfalz durch die Übersendung eines gefangenen Kamels nebst zugehörigem Tataren seine Achtung auszudrücken. Dass der protestantische Württemberger damit ein politisches Zeichen der Verbundsbereitschaft an seinen reformierten Nachbarfürsten sandte, dürfte Friedrich wohl gefallen, da war sich Matthias sicher. Die calvinistische Pfalz brauchte und suchte Verbündete. Und der Erhöhung der Ehre diente es zudem, wenn der übliche Pomp das Volk zusammenlaufen ließe, da Wein und Wecken umsonst ausgegeben würden. Ganz sicher gab es obendrein Wettschießen oder Ringlerennen. Matthias schnaufte durch. So machte man sich lieb Kind mit seinen Untertanen. Und die Herrscher sich gegenseitig. Nun, man würde hinfahren und es sich anschauen, man hatte es den Jungen versprochen, weil ihr Bitten und Betteln nicht nachließ.
„Seit Julianas Taufe im August haben wir sie nicht mehr gesehen, Magister Baumann“, sagte Gundel gerade zu dem Lehrer. „Wir wollen sie mit unserem Besuch überraschen.“
Natürlich war auch das ein Grund für die Reise. Sie wollten die Tochter besuchen, die in der Residenzstadt lebte. Sein Weib war im Sommer zwei Wochen dort gewesen, um der Tochter bei der Geburt beizustehen und ihr im Haushalt zu helfen. Zur Taufe hatte er ein Fest ausgerichtet, wie es üblich war, und war mit seiner Mutter, seiner Schwester und deren Familie nachgereist.
„Ruhig jetzt, Sophia!“, zwang Barbara ihre Tochter zur Ordnung.
Sophia bog und wand sich, wollte runtergelassen werden.
Lehrer Baumann nickte und fragte: „Mit dem Fuhrwerk geht alles klar?“
„Gib sie mir“, sagte Cornelius und streckte die Arme nach seiner Halbschwester aus. „Komm her, Plaggeist!“ Sophia strahlte und streckte ihrerseits die Ärmchen nach ihm aus. Cornelius nahm sie auf seinen Schoß und hielt ihr den Fuchsschwanz hin, den er am Gürtel festgebunden hatte. Damit hatte er sie eine Weile beschäftigt. Barbara lächelte zu den beiden hinüber und sagte: „Ja, Markward wird euch sein Fuhrwerk leihen.“
Markward war ein Freund von Barbaras Ehemann.
Baumann nickte. „Gut, ich komme mit dem Mietpferd herübergeritten, wir treffen uns am Hohen Stein.“
Matthias sagte: „Wir müssen sehr früh los. Wollen wir um die Mittagszeit in Heidelberg sein, sollten wir gegen acht Uhr aufbrechen. Eher früher. Vier Stunden brauchen wir sicher, erst recht bei diesem Schnee!“ Er wandte sich an seine Schwester. „Ich kann das Fuhrwerk heute Abend bei Markward abholen?“
Barbara nickte zustimmend.
„Dann komme ich mit Gundel und Michel morgen früh zu euch. Etwas nach sieben Uhr. Cornelius, nicht dass du dann erst anfängst, den Rappen aufzuzäumen! Du bist mit David und Sebastian bereit!“
Er blickte zu Baumann. „Am Hohen Stein. Halb acht.“
„Gut“, sagte der Lehrer.
„Und denkt an ein Licht. Euer Heimritt, Magister Baumann, wird im Dunkeln stattfinden. – Cornelius?“
„Ja, Oheim Großhans, ich vergesse die Leuchte nicht.“
Matthias nickte zufrieden. „Dann ist alles geschwätzt. Magister Baumann, ich denke, Ihr werdet mit drei Halbwüchsigen fertig beim Heimritt.“
Das meinte er scherzhaft, und der Lehrer verstand es auch so und lächelte.
Cornelius würde seinen Bruder David, Baumann deren Vetter Sebastian mit aufs Pferd nehmen und am Nachmittag den Heimritt antreten. Er selbst würde mit seiner Familie zwei Tage länger in der Stadt bleiben. Gundel wollte Hedwig und Juliana nicht so schnell wieder verlassen und schauen, wo sie ihrer Tochter helfen konnte. Michel wollte unbedingt den Marstall sehen, dieses neue Prachtgebäude, von dem man so viel hörte. Und da Hedwigs Ehemann einen Freund im Marstall hatte, konnte man da sicher etwas abmachen, denn im vergangenen Sommer, als sie zur Taufe in Heidelberg gewesen waren, war dafür keine Zeit mehr geblieben. Na, wenn er ehrlich war, freute er sich selbst auf diese Reise. Auch er wollte seine Tochter samt Enkeltochter wiedersehen. Und ein Erlebnis war die große Stadt allemal, man kam ja nicht alle Tage hin. Und nachdem man gehört hatte, dass der Lehrer Baumann zu seinem Heidelberger Buchhändler wollte, war man rasch einig geworden, den Weg gemeinsam zu machen. Zumal sie jemanden brauchten, der mit den Jungen heimkehren würde, wenn er, Gun-del und Michel noch in der Stadt blieben.
So war nun alles geregelt – morgen in der Früh konnte man also gen Heidelberg aufbrechen.
Zehn
Runde weiße Brüste.
Das war das Bild, das die abgeholzten, schneebedeckten Hügel südöstlich von Heidelberg in ihm wachriefen. Er hatte sie längst hinter sich gelassen, durchstapfte lichten Wald gen Süden, doch weiße Brüste hatte er noch immer im Kopf. Wollüstiger Zeitvertreib an diesem kalten, schneegrauen Morgen. Außerdem waren die Kopfschmerzen so erträglicher. Eindeutig hatte er zu viel gesoffen.
Ryss leckte sich über die Lippen, zog die Kapuze tiefer, brummte mit sich selber. Die hatten aber auch einen Wein hier in der Gegend!
Nefoedd Wen, sogar gesungen hatte er! Lieder seiner Heimat, die er längst vergessen wähnte. Nun, es hatte ja Spaß gemacht. Die jungen Gesellen an seinem Tisch waren leutselig und freundlich gewesen und hatten ausgelassen gefeiert. Jener, der ihm gegenübersaß, hatte ihm immer wieder aufmunternd zugelächelt und ihn letztlich angesprochen. Ob er ein Gelehrter sei, seine schwarze Gewandung ließe darauf schließen? Auch die Färbung in seiner Aussprache, sein fremdländisches Aussehen wiesen auf einen Magister hin? Nein? So hielt er sich also schlicht an die spanische Mode, man sähe ja auch hierzulande viel schwarze Kleidung? Auch nicht, es gefiele ihm lediglich? Diese Pfälzer aber auch, neugierig und einem Schwatz nie abgeneigt. Er hatte ausweichend geantwortet, auch, weil er zuerst nicht hatte einschätzen können, ob der Jüngling etwa ein Auge auf ihn geworfen hatte, etwas, das ihm immer wieder widerfuhr, sein langes schwarzes Haar, seine reine Haut – er gefiel nicht nur den Weibsleuten. Doch dann war ein schönes junges Weib herangekommen, lächelnd und keck, mit Wangen wie Nikolausäpfel, die Haare so schwarz wie seine eigenen, nur dass sich die ihren in munteren kleinen Locken ringelten. Die Augen des Jünglings glänzten mit einem Mal wie die dunklen Trauben der Pfälzer Weinberge im Tau, und er hatte kein Liebesorakel gebraucht, um zu sehen, dass der bis über beide Ohren in die Maid verliebt war. Sie hatten gelacht, sie hatten getändelt, sie hatten getrunken und schließlich gesungen. Man hatte ihn mit einbezogen, ihn ermuntert. Das musste man diesem ach so rechtgläubigen Volk lassen, sie feierten gern und ausgiebig. Hatten ja auch einen Fürsten, der die Lustbarkeiten liebte. Das hatte er unterwegs immer wieder gehört, und als ihm ein englischer Kavalier in Brügge erzählte, der großzügige Hof des jungen Fürsten in der Kurpfalz stehe weithin in gutem Ruf, hatte er beschlossen, hierherzukommen. In Speyer sowie in manch pfälzischem Dorf hatten sie allerdings die Nasen über den Kurfürsten gerümpft. Seine verschwenderische Hofhaltung sei schändlich, desgleichen sein tollkühner Lebenswandel, sein ungezügeltes Jagdgebaren. Allzu oft überspanne er den Bogen seiner Großmannssucht. Statt zu regieren, fröne er kostspieligen Liebhabereien und veranstalte ein Turnier nach dem anderen.
In Frankenthal hingegen war man voll des Lobes über den Herrscher gewesen. Ryss dachte an die Wallonen dort, bei denen er gute Geschäfte gemacht hatte. Wohlhabende Tuchmacher