Название | Das Buch des Kurfürsten |
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Автор произведения | Marlene Klaus |
Жанр | Языкознание |
Серия | Kurpfalz-Trilogie |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783941408364 |
„Dass dich der Teufel schände. Ich geh pissen!“
„Schon wieder?“, kam es hämisch.
Eine Tür wurde aufgerissen, sie quietschte. Eiskalte Luft blies herein, Schneegeruch. Hedwig zitterte. Ihre Brüste waren prall, sie müsste Juli stillen, ein Wunder, dass ihr Kind nicht nach der Brust verlangte. Oh lieber Herr im Himmel, hatten sie sie ebenfalls betäubt?
„Denk drüber nach, während du dein Würstchen an die Luft hängst. Ein Balg macht es schwieriger. Erhöht die Kosten.“
Die Tür wurde zugeschlagen.
Hedwig wagte kaum zu atmen. Sie spürte, dass der Zurückgebliebene auf sie herabschaute. Sie spürte seine verschlagene Art und schauderte. Warum hatte man sie verschleppt? Was hatten sie mit ihr vor? Ihr Herz hämmerte wilde Schläge. Entsetzen und Angst fuhren ihr in den Magen.
„Jung bist du.“
Sie hörte, wie er herantrat. „Gesund wohl, was? Schade drum.“
Ein Luftzug, als er sich zu ihr herunterbeugte. Der roch auch so: fettig, ranzig. Er packte sie am Kinn. „Süße Schnute!“
Seine Finger drückten ihren Mund spitz zusammen, so sehr, dass es wehtat, sie stieß einen ängstlichen Laut hervor. Heiß schossen ihr Tränen in die Augen.
„Furcht, was?“ Er sog scharf die Luft ein, raunte ihr ins Ohr, leise und schmierig: „Kann sie riechen, die Furcht. Riecht bei jedem anders und doch auf eine Weise immer gleich. Wie schwere Luft vorm Gewitter.“
Mit einem Laut des Entsetzens zuckte Hedwig zurück. Er hatte ihr seine Zungenspitze ins Ohr gesteckt! Sie wischte mit dem Ärmel über die eklige Nässe.
Ein widerliches Lachen. „Jammerschade, wirklich.“
Hedwigs Herz raste. Sie hörte, wie die Tür aufging.
Der andere kam zurück.
„Hast du deine Duftmarke an die Tanne gesetzt?“
„Dass dich der Teufel schände, weg von ihr.“
Der neben ihr erhob sich. „Weshalb? Ein bisschen Spaß mit ihr …“
„Zur Hölle, ich sagte, wir brauchen sie.“
Furcht machte ihre Kehle eng. Juli begann zu weinen.
„Da hast du’s. Das Balg plärrt.“
„Weib, bring’s zum Schweigen!“, befahl der andere.
Unter Tränen öffnete Hedwig den Mantel, fingerte an der Schnürung ihres Wamses, das sie über dem Hemd aus warmem Wollgewebe trug, öffnete Hemd und Unterkleid. Ihre Finger waren kalt, Gänsehaut überzog ihre Brust. Sie drehte sich zur Seite, damit sie den Männern den Rücken zukehrte. Sie befühlte das Bündel, nahm Juli hoch, murmelte, um sie zu beruhigen. Nicht mehr als erstickte Laute. Sie gab ihrer Tochter die Brust. Stille im Raum. Vielleicht sahen sie zu. Vielleicht sahen sie weg. Ein nie gekanntes Gefühl der Hilflosigkeit bemächtigte sich ihrer, und während sie Juli stillte, weinte sie. Man hatte sie verschleppt. Warum nur? Lösegeld? Philipp war kein reicher Mann. Philipp! Oh, was mochte er denken, wo sie war, was ihr widerfahren war? Oder hatten sie auch ihn gefangen? Plötzlich fielen ihr Schauergeschichten von Mördern und Unholden ein. War es das, was ihr bevorstand? Sollte sie verschleppt werden? Wollte man sie verkaufen? Immer wieder hörte man, dass Menschen gewaltsam fortgeschafft wurden, um andernorts furchtbare Arbeiten zu verrichten, an denen sie nicht selten zugrunde gingen. Ihre Gedanken überschlugen sich, sie merkte, dass ihr der Atem stockte, und sie holte tief Luft.
Juli begann, den Mund hin und her zu bewegen, ein Zeichen, dass sie genug von der Brust hatte. Hedwig nahm sie ab und legte sie an die andere. Es dauerte nicht lange, da hörte Juli auf zu schmatzen und zu saugen und schlief ein. Hedwig legte sie auf ihren Schoß und schloss ihre Kleidung. Was nun? Sollte sie etwas sagen oder besser den Mund halten? Die Männer schienen sich von ihr entfernt zu haben, still war es, nur das Feuer knackte und knisterte. Schließlich hielt sie es nicht aus, sie verharrte in ihrer abgewandten Haltung und wagte zu fragen: „Warum haltet Ihr mich gefangen? Mein Mann und ich sind nicht reich. Wir können Euch nichts bezahlen.“
„Du bist auf andere Weise nützlich.“
„Wie kann ich Euch nützlich sein?“
„Frag nicht so viel!“
Dieser ölige Widerling, schon beim Klang seiner klebrigen Stimme spürte sie seine schleimige Zunge im Ohr. Sie fühlte sich hilflos ausgeliefert, und die Tränen kamen erneut. „Bitte“, flehte sie. „Mir ist kalt, ich habe eine kleine Tochter, ich …“ Sie bedeckte das Gesicht mit den Händen und schluchzte. Sie war ein Weib, und man hatte sie in einer bestimmten Absicht hierher gebracht. Es war bedeutungslos, was sie sagte, worum sie flehte. Aber sie konnte ihre Angst nicht bezähmen, und so fragte sie mit tränenschwerer Stimme: „Mein Mann, weiß er, dass ich hier bin? Wartet Ihr auf ihn?“
„Mädchen, halt’s Maul.“
Was hatten sie mit Philipp getan?
„Aber was nur wollt Ihr von uns?“, rief sie so verzweifelt, dass Juli aufwachte und zu weinen begann.
Sie tastete nach dem Kind, hob es an den Busen, wiegte es.
„Himmelarsch, mach, dass es Ruhe gibt, Weib!“
Sie küsste das warme Gesichtchen ihrer Tochter, benetzte es mit ihren Tränen. Sie müsste sie frisch wickeln. Juli stank. Das hatte sie zu Hause tun wollen. Doch sie war nicht zu Hause. Sie wusste nicht, wo sie war. Sie wusste nicht, warum sie hier war. Sie wusste nicht, was ihr bevorstand. Die Angst saß in ihren Eingeweiden wie ein Ungeheuer. Sie hörte das Knacken des Feuers, das Grummeln der Männer. Was hatte der eine zuvor gesagt? Sie sei nützlich? Wie konnte sie nützlich sein? Sie grübelte, und als sie vor lauter Angst nicht mehr weiterkam, wagte sie schließlich zu fragen: „Welchen Nutzen versprecht Ihr Euch durch mich?“
Sie hörte Schritte, war dennoch nicht auf den Schlag gefasst.
Unter der Wucht wurde ihr Kopf in den Nacken geschleudert, die heftige Bewegung verursachte ein lautes Knacken. Heiß schossen ihr die Tränen aus den Augen.
Juli begann zu schreien.
„Eindeutig redest du zu viel, Holde! Halt’s Maul.“
Hedwig rutschte vor dem Mann mit der Blechstimme zurück, Strohhalme stachen ihr in die Handballen, dann spürte sie die Wand im Rücken. Sie lehnte sich dagegen und presste ihr Kind an die Brust.
Geräusche, Bewegung und ein eiskalter Luftzug ließen sie aus dem Schlummer hochfahren. Schneewaldgeruch.
„Er kommt.“
Juli begann zu weinen. Sie krähte, sie plärrte, sie hatte Hunger, und sie war schon viel zu lange eingewickelt. Hedwig tastete nach ihr, hob sie an die Brust, wiegte sie. „Scht, scht.“
Sie begann zu zittern. Vor Kälte. Und vor Hunger. Durstig war sie ebenfalls.
Eilige Schritte, die näherkamen. „Mach, dass es still ist!“, befahl die Blechstimme.
„Ich sag ja, das Balg erschwert die Sache.“
„Dass dich der Teufel schände, bring es zum Schweigen!“
Aber Juli schwieg nicht.
„Herr, ich …“
Der Schlag war so hart, dass sie sich in die Wangenfalte biss. Juli weinte nun noch lauter, obwohl Hedwig sie fest an den Busen gedrückt hielt. Von dort wurde sie ihr unsanft entrissen. „Nein, lasst mein Kind!“, schrie Hedwig. Die Furcht ließ ihren Herzschlag aussetzen. Juli brüllte. Und in ihr Gebrüll hinein schrie sie selbst: „Gebt sie mir. Lasst mich sie auswickeln, dann wird sie Ruhe geben.“ Oh Gott, was tat er mit ihr? Ihr Kind greinte umso lauter, je mehr es dem Grobian ausgeliefert war und Hedwigs Angst spürte.
Hedwig taumelte auf die Beine. Eine verzweifelte Kraft trieb sie an. „Bitte!“, flehte