Название | Tausend und Ein Gespenst |
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Автор произведения | Александр Дюма |
Жанр | Зарубежная классика |
Серия | |
Издательство | Зарубежная классика |
Год выпуска | 0 |
isbn |
– Nein! sagte Alliette. – Ich habe das Land verlassen.
– Ah! sagte der Doctor, Sie haben Unrecht, Herr Alliette, sich so leicht zufrieden stellen zu lassen. – Madame Gregoriska hier war ganz bereit, aus Ihrem guten Basler Kaufmanne in der Schweiz einen polnischen, wallachischen oder ungarischen Vampyr zu machen. – Hätten Sie etwa während ihres Aufenthaltes in den Karpathen zufälliger Weise Vampyre gesehen? fuhr der Doctor lachend fort.
– Hören Sie, sagte die bleiche Dame mit außerordentlicher Feierlichkeit, da Jedermann hier eine Geschichte erzählt hat, so will ich gleichfalls eine erzählen. Sie werden nicht sagen, daß die Geschichte nicht wahr ist. Doctor, sie ist die meinige. . . Sie werden das erfahren, was Ihnen die Wissenschaft bis jetzt nicht zu fassen vermogt hat, Doctor; Sie werden erfahren, wodurch ich so bleich bin.
In diesem Augenblicke fiel ein Schein des Mondes zwischen den Vorhängen durch das Fenster, und indem er auf das Kanapee schien, auf welchem sie lag, hüllte er sie in ein bläuliches Licht, welches aus ihr eine auf einem Grabe liegende Statue von schwarzem Marmor zu machen schien.
Nicht eine Stimme hieß den Antrag willkommen, aber das tiefe Schweigen, welches in dem Salon herrschte, zeigte an, daß jeder voll Bangigkeit erwartete.
XII.
Die karpathischen Gebirge
Ich bin eine Polin, aus Sandomir gebürtig, das heißt, aus einem Lande, in welchem die Sagen Glaubensartikel werden, in welchem wir an unsere Familien-Ueberlieferungen eben so sehr, vielleicht mehr noch, als an das Evangelium glauben. Es gibt nicht eines unserer Schlösser, das nicht sein Gespenst hat, nicht eine unserer Hütten, die nicht ihren Hausgeist hat. Bei dem Reichen, wie bei dem Armen, in dem Schlosse, wie in der Hütte, erkennt man das Prinzip der Freundschaft wie das Prinzip der Feindschaft an. Zuweilen gerathen diese beiden Grundsätze in Streit und bekämpfen sich. Dann findet so geheimnißvolles Geräusch in den Corridors, so entsetzliches Gebrüll in den alten Thürmen, so entsetzliches Erbeben in den Mauern statt, daß man aus der Hütte, wie aus dem Schlosse flieht, und daß der Bauer wie der Edelmann nach der Kirche eilt, um das gesegnete Kreuz oder die geheiligten Reliquien zu holen, die einzigen Verwahrungsmittel gegen die Dämonen, welche uns quälen.
Aber dort stehen sich auch zwei noch weit schrecklichere, weit erbitterte, weit unversöhnlichere Prinzipe einander gegenüber; nämlich die Tyrannei und die Freiheit.
Das Jahr 1825 sah zwischen Rußland und Polen einen jener Kämpfe liefern, in denen man glauben könnte, daß alles Blut eines Volkes erschöpft sei, wie sich oft alles Blut einer Familie erschöpft.
Mein Vater und meine beiden Brüder hatten sich gegen den neuen Czaar erhoben und sich unter die Fahne der immer gestürzten, – immer wieder aufgerichteten polnischen Unabhängigkeit gestellt.
Eines Tages erfuhr ich, daß mein jüngster Bruder getödtet worden wäre; eines andern Tages meldete man mir, daß mein älterer Bruder tödtlich verwundet wäre; endlich sah ich nach einem Tage, während dessen ich voll Schrecken den sich beständig nähernden Donner der Kanonen gehört hatte, meinen Vater mit ohngefähr Hundert Reitern ankommen, dem Ueberreste von drei Tausend Mann, welche er anführte.
Er kam, sich in unser Schloß einzuschließen, mit der Absicht, sich unter dessen Trümmern zu begraben.
Mein Vater, der Nichts für sich fürchtete, zittertet für mich. Für meinen Vater handelte es sich in der That nur um den Tod, denn er war fest überzeugt, nicht lebendig in die Hände seiner Feinde zu fallen; aber für mich handelte es sich um die Sclaverei, um die Entehrung, um die Schande.
Mein Vater wählte unter den Hundert Mann, welche ihm übrig blieben, zehn, rief den Haushofmeister, übergab ihm alles Gold und alle Kleinodien, welche wir besaßen, und indem er sich erinnerte, daß zur Zeit der zweiten Theilung Polens meine Mutter, die fast noch ein Kind war, eine fast unzugängliche Zuflucht in dem mitten m den Karpathischen Gebirgen gelegenen Kloster Sahastru gefunden hatte, so befahl er, mich in dieses Kloster zu führen, welches gastfreundlich für die Mutter, ohne Zweifel es nicht minder für die Tochter sein würde.
Trotz der großen Liebe, welche mein Vater für mich hegte, war der Abschied nicht lang. – Aller Wahrscheinlichkeit nach mußten die Russen am folgenden Tage im Angesichte des Schlosses sein. Es war also keine Zeit zu verlieren.
Ich legte in der Eile einen Amazonen-Anzug an, in welchem ich gewöhnt war meine Brüder auf die Jagd zu begleiten. – Man sattelte mir das sicherste Pferd des Stalles, – mein Vater steckte eine eigenen Pistolen, ein Meisterstück der Fabrik von Toula, in meine Holfter, umarmte mich, und gab den Befehl zum Aufbruche.
Während der Nacht und während des folgenden Tages legten wir zwanzig Meilen zurück, indem wir dem Ufer eines jener Flüsse ohne Namen folgten, welche sich in die Weichsel ergießen. – Diese erste verdoppelte Tagesreise hatte uns außer den Bereich der Russen gebracht. Bei den letzten Strahlen der Sonne hatten wir die Schneegipfel der Karpathen funkeln sehen. – Gegen das Ende des folgenden Tages erreichten wir ihren Fuß; endlich begannen wir in den Morgenstunden des dritten Tages eine ihrer Schluchten zu betreten.
Unsere Karpathischen Gebirge gleichen den cultivirten Gebirgen Ihres Abendlandes nicht. Alles, was die Natur Seltsames und Großartiges hat, bietet sich dort den Blicken in seiner vollständigsten Majestät. Ihre stürmischen Gipfel verlieren sich mit ewigem Schnee bedeckt in den Wolken; ihre unermeßlichen Tannenwälder neigen sich auf den glatten Spiegel von Seen, die Meeren gleichen, und diese Seen hat niemals ein Nachen durchfurcht; niemals hat das Netz eines Fischers ihren dem tiefen Blau des Himmels gleichen Krystall getrübt; – kaum erschallt die menschliche Stimme darin von Zelt zu Zeit, indem sie eine moldauische Gesangweise hören läßt, auf die das Geschrei der wilden Thiere antwortet; Gesang und Geschrei erwecken irgend ein einsames Echo, das ganz erstaunt ist, durch irgend ein Geräusch über sein eigenes Dasein belehrt zu werden. – Während gar vieler Meilen reiset man unter den dunkeln Gewölben der Wälder, die von jenen unerwarteten Wundern unterbrochen werden, welche die Einöde uns mit jedem Schritte offenbart, – und die unsern Geist von dem Erstaunen zu der Bewunderung übergehen lassen. – Dort ist die Gefahr überall, – und sie besteht aus tausend verschiedenen Gefahren; aber man hat keine Zeit sich zu fürchten, so sehr erhaben sind diese Gefahren. Bald sind es durch das Schmelzen des Eises verursachte Wasserfälle, welche, indem sie von Felsen zu Felsen springen, plötzlich den schmalen Fußpfad erfüllen, auf dem man geht, – ein von dem Vorüberkommen wilder Thiere und von dem sie verfolgenden Jäger gebahnter Fußpfad; bald sind es durch die Zeit untergrabene Bäume, welche sich von dem Boden los machen und mit einem schrecklichen Krachen fallen, welches das eines Erdbebens zu sein scheint; – bald sind es endlich Orkane, die uns mit Wolken umhüllen, in denen man den Blitz sprühen, sich gleich einer Flammenzunge ausstrecken und winden sieht.
Dann nach diesen alpenartigen Spitzbergen, nach diesen Urwäldern, nachdem man riesenhafte Berge, nachdem man grenzenlose Wälder gehabt hat, hat man endlose Steppen, ein wahres Meer mit seinen Wellen und mit seinen Stürmen, unfruchtbare und unebene Flächen, auf denen sich das Auge in einem Horizonte ohne Grenzen verliert; dann ist es nicht mehr der Schrecken, der sich unserer bemächtigt, es ist Traurigkeit, welche uns erfüllt; es ist eine unermeßliche und tiefe Schwermuth, von der nichts zu zerstreuen vermag, denn der Anblick der Gegend ist immer derselbe, so weit sich unser Auge zu erstrecken vermag. Man geht zwanzig Male sich ähnelnde Anhöhen hinauf und hinab, indem man vergebens einen gebahnten Weg sucht; indem man sich so mitten in der Wüste allein sieht, glaubt man allein in der Natur zu sein, und unsere Schwermuth wird Trostlosigkeit; in der That, das Gehen scheint nutzlos geworden zu sein und uns zu Nichts zu führen; man trifft weder Dorf, noch Schloß, noch Hütte, keine Spur einer menschlichen Wohnung an; nur zuweilen versperrt, wie eine neue Verlegenheit auf dieser traurigen Landschaft, ein kleiner See ohne Schilf und ohne Gebüsch, der, wie ein anderes todte's Meer, in der Tiefe einer Schlucht schläft, uns den Weg mit seinem grünen Wasser, über das sich bei unserer Annäherung einige Wasservögel mit langem und mißtönendem Geschrei erheben.